Mit dem folgenden Beitrag werde ich meine Berichterstattung aus den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bezüglich der Waffenrechtsverschärfung vorerst abschließen.
Am vergangenen Freitag hatte ich im
Bundesrat wieder eines jener Aha-Erlebnisse. Als die sachsen-anhaltische Justizministerin
Kolb (SPD) zum Thema Patientenverfügungen gesprochen hat, redete sie vom Menschenbild des Grundgesetzes, das den "mündigen Bürger", der keiner "paternalistischen Bevormundung" bedürfe, hochhalte. Sehr richtig - nur warum verweigert sich ihr Kabinettskollege
Hövelmann dieser Erkenntnis?
Hier ist nun der Beschluß des Bundesrates zu finden. Neben dem Nichteinlegen des Einspruchs (
Art. 77 II GG), womit das Gesetz als zustandegekommen gilt (
Art. 78 GG) ist vor allem der folgende Teil von Relevanz, den ich hier im Wortlaut wiedergebe (
am Freitag war ich insofern leider nicht besonders aussagefähig):
"[...]
Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung gefasst:
[...]
2. Der Bundesrat begrüßt die im vorliegenden Gesetz enthaltenen Änderungen des Waffengesetzes, die unter Mitwirkung der Bund/Länder-Arbeitsgruppe Waffenrecht, des Bundesministerium des Innern und der Fraktionen CDU/CSU und SPD entstanden sind.
Der Bundesrat hält es für erforderlich, über die beabsichtigten Änderungen hinaus im Dialog mit den Schießsportverbänden zu prüfen, ob und inwieweit das sportliche Schießen mit großkalibrigen Kurzwaffen weiter eingeschränkt werden sollte. Insbesondere ist dabei zu prüfen,
a) ob unter Berücksichtigung der Deliktsrelevanz von Schusswaffen, die für die Durchführung von schweren Gewalttaten besonders geeignet sind, eine Beschränkung hinsichtlich der Zulassung von Kurzwaffen zum sportlichen Schießen nach Bauart und Kaliber der Waffe erforderlich ist; dabei ist vor allem zu untersuchen
- eine Begrenzung der Magazine auf fünf Patronen,
- eine Erschwerung und damit zeitliche Verzögerung des Magazinwechsels,
- eine Begrenzung der Schussenergie von großkalibrigen Waffen;
b) ob der Umgang mit großkalibrigen Kurzwaffen zum sportlichen Schießen nur zeitlich abgestuft, das heißt, erst nach einer ausreichenden Praxis mit kleinkalibrigen Sportwaffen, zugelassen werden sollte.
Der Bundesrat bittet in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob dazu die Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) entsprechend angepasst werden muss. Außerdem bittet der Bundesrat, in diesem Sinne die vom Bundesverwaltungsamt genehmigten Sportordnungen kritisch zu überprüfen und die Genehmigung von Sportordnungen der Schießsportverbände durch das Bundesverwaltungsamt künftig nur noch im Einvernehmen mit den Ländern zu erteilen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Genehmigungen von Sportordnungen insoweit zu widerrufen, als sie IPSC-Schießen enthalten, da es sich dabei um Schießübungen mit einem kampfmäßigen Charakter handelt, die sonst nur in Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs trainiert werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, das im Bezug auf die Bitten unter Ziffer 2 und 3 Veranlasste dem Bundesrat bis zum 31. Dezember 2009 zu berichten."
Das ist nicht harmlos und stellt - verglichen mit dem
ursprünglichen Antrag Baden-Württembergs, in dem es nur darum ging, einen Widerruf der Sportordnungen im Hinblick auf das
IPSC-Schießen zu prüfen - eine Verschärfung des Tones dar. Denn mit diesem Beschluß bittet der Bundesrat darum, diese Sportordnungen zu widerrufen. Der einzigste Unterschied zum ursprünglichen Stuttgarter Ansinnen besteht darin, daß der Prüfauftrag sich nicht mehr auf das Paintballspiel bezieht. In der Sache hat sich die Regierung
Oettinger jedoch weitestgehend durchgesetzt und eine Mehrheit der Länder hinter sich gebracht. Daher macht es keinen großen Unterschied, daß sie ihren eigenen Antrag noch vor der Beschlußfassung zurückgezogen hat.
Im übrigen ist klar, was der Mehrheit der Länder vorschwebt: die weitere Einschränkung und Erschwerung des Schießens mit GK-Kurzwaffen, wobei man sich hinsichtlich der Detailvorschläge an die Stirn tippen kann. Wie sollte etwa eine gesetzlich vorgeschriebene Magazinbegrenzung auf fünf Patronen durchgesetzt werden werden, wo diese Gegenstände doch bisher unter keine waffenrechtlich bedeutsame Regulierung fallen? Wie sollte dies bei Revolvern umgesetzt werden, die zumeist sechsschüssig sind? Aber um solche "Kleinigkeiten" geht es der Politik nicht. Hauptsache, man kann die Legalwaffenbesitzer weiter schikanieren und damit der Öffentlichkeit einen "Sicherheitsgewinn" vorgaukeln, der zudem billig war, da es zuvor keinerlei relevante Gefahr gegeben hat.
In diese Richtung gehen auch die Vorstellungen anderer Länder, etwa Hamburgs und Sachsen-Anhalts (siehe
hier). Über das dort gesagte hinaus will z.B. Hövelmann
eine Beschränkung der gelben Waffenbesitzkarte für Sportschützen sowie
ein Verbot von Airsoftwaffen und anderen waffenähnlichen Gegenständen ins Gesetz schreiben.
Daher sind alle Beteuerungen aus den Reihen von CDU, CSU und SPD, man habe jetzt das mögliche getan und plane keine weiteren Restriktionen, genauso glaubwürdig wie Walter Ulbrichts berüchtigter Satz aus dem Jahre 1961, wonach niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten.
Insgesamt macht es keinen Unterschied, ob die Landesregierungen von der Union oder von der SPD geführt werden. Die Verschärfung des Waffengesetzes hat sich auch im Bundesrat als Projekt der großen Koalition erwiesen.
Wie geht es jetzt weiter? Das Inkrafttreten der Änderungen des WaffG wird sich wohl nicht mehr aufhalten lassen, obgleich ich zumindest Teile dieses Gesetzes für verfassungswidrig halte (dazu später ausführlich). Es fehlt nur noch die Ausfertigung durch den
Bundespräsidenten und die anschließende Verkündung im Bundesgesetzblatt (
Art. 82 I 1 GG).
Eine Kuriosität am Rande: Gem.
Art. 57 GG wird der Bundespräsident im Verhinderungsfall vom Präsidenten des Bundesrates (das ist derzeit
Peter Müller) vertreten. Da dies in den nächsten Wochen
zweimal der Fall sein wird, könnte es gut sein, daß nicht
Horst Köhler, sondern Ministerpräsident Müller das Gesetz unterschreibt.
Ich rechne jedenfalls nicht mit einer langwierigen Prüfung im Bundespräsidialamt, so daß die Änderungen noch vor der Bundestagswahl in Kraft treten dürften - was ja letztendlich Sinn und Zweck der gesamten Aktion war. Die Politik wollte Handlungsfähigkeit demonstrieren.
Doch mit der jetzt beschlossenen Änderung des WaffG ist der "Tanz" noch lange nicht vorbei! :-( Neben dem Bundesrat hat ja auch der Bundestag einen Prüfauftrag hinsichtlich weiterer Verschärfungen an die Bundesregierung gerichtet. Und da einige Landesregierungen hier starke Ambitionen haben, wird dies sicher auch mit entsprechendem politischen Druck verfolgt werden. Außerdem fehlen im neuen Gesetz Detailregelungen zum geplanten nationalen Waffenregister. Diese Regelungen müssen aber alsbald kommen, wenn man das ehrgeizige Ziel des Jahres 2012 erreichen will. Aus diesen Gründen gehe ich davon aus, daß spätestens in 12 bis 24 Monaten die nächste Änderung des Waffengesetzes auf der Agenda stehen wird.
Dazu kommt noch die Frage, inwieweit (vor allem: wann) das BMI von der neuen Verordnungsermächtigung bezüglich der sicheren Aufbewahrung Gebrauch machen und evtl. auch in anderen Punkten die
AWaffV ändern wird.
Ferner würde ich nicht ganz ausschließen wollen, daß die Bundesregierung dem Begehren des Bundesrates nachkommt und die Sportordnungen für dynamische Schießsportdisziplinen durch das Bundesverwaltungsamt widerrufen läßt. Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme wäre zwar äußerst zweifelhaft, da keine neuen Sachargumente vorliegen, gleichwohl wäre es damit möglich, die Verbände unter "administrativen Druck" zu setzen und so ihre Widerstandskraft gegen weitere Verschärfungen zu schwächen.
In allen zuvor genannten Punkten besteht aber ein Lichtblick, denn diese Maßnahmen dürften erst nach der Bundestagswahl am 27. September umgesetzt werden können. Mithin stellt sich die Wahl der FDP für uns Legalwaffenbesitzer als Option mit ganz praktischen Konsequenzen dar. Denn in einer Schwarz-gelben-Koalition dürften viele Entscheidungen zum Waffenrecht anders ausfallen als in anderen Konstellationen.
Zum Schluß muß ich mich noch bei meinen Lesern entschuldigen, obgleich die jetzt beschlossene Gesetzesformulierung Anfang April noch nicht absehbar war. In
diesem Beitrag hatte ich am 3. April geschrieben, daß das Änderungsgesetz zum WaffG der ausdrücklichen
Zustimmung des Bundesrates bedürfe. Aufmerksame Leser werden aber schon bemerkt haben, daß in den letzten Tagen immer nur vom Unterlassen des
Einspruchs die Rede war. Das liegt allerdings daran, daß das neue Gesetz noch keine Detailbestimmungen zum nationalen Waffenregister enthält, sondern im neuen § 43a lediglich bestimmt, daß ein solches bis zum 31.12.2012 errichtet werden soll. Auf diesen Punkt hatte ich die Zustimmungsbedürftigkeit gestützt, da hier die Länder und ihre Waffenbehörden mitwirken müssen. Weil im Augenblick vieles, was die Realisierung des Registers betrifft,
noch ungeklärt ist, wurde erstmal eine allgemein gehaltene Bestimmung ins WaffG aufgenommen. Die Detailbestimmungen werden aber unweigerlich kommen und dieses Gesetz ist dann zweifelsohne im Bundesrat zustimmungspflichtig.
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