Posts mit dem Label Balkan werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Balkan werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 17. Juni 2011

Das instabile Dreieck Rumänien-Ukraine-Moldawien

Karte 1: Das Schwarze Meer und die anliegenden Staaten.


Im Weblog Einzelplan 14 hat die rumänische Politologin Iulia Joja im März einen Artikel über „Europas Westen, Osten und neuer Osten in Afghanistan“ veröffentlicht. Dieser Text war auf die Erwartungen des außen- und sicherheitspolitischen Mainstreams in Deutschland zugeschnitten. So hat die Autorin ein sattsam bekanntes Klagelied angestimmt, in dem sie immerhin viermal von einer angeblichen Bedrohung Rumäniens und anderer osteuropäischer Staaten durch Rußland spricht. Der RF werden sogar territoriale Forderungen gegenüber Nachbarstaaten angedichtet. Diese These überrascht, denn ein Blick auf die Karte verrät auch dem oberflächlichen Betrachter, daß Rumänien weder über eine Land- noch über eine Seegrenze mit der Rußländischen Föderation verfügt. Jedoch mit zwei anderen Nachfolgestaaten der UdSSR: der Ukraine und Moldawien (Moldau/Moldova).

Des weiteren zeigt ein Blick in die Geschichte, daß es gerade für Rumänien keinen Grund gibt, Angst vor „den Russen“ zu haben. Im 19. Jahrhundert hat das Zarenreich die Befreiung Rumäniens und Bulgariens aus dem Verband des Osmanischen Reiches erkämpft und ihnen damit die staatliche Selbständigkeit ermöglicht. Im Ersten Weltkrieg stand Rumänien auf seiten der Entente, im zweiten zunächst auf der der Achsenmächte. Das Land kam jedoch aufgrund des Bündniswechsels unter dem wiedereingesetzten König Michael I. recht glimpflich davon.

Selbst als Rumänien später sozialistisch wurde, spielte es innerhalb der Organisation des Warschauer Vertrages eine Sonderrolle, und nahm seit 1967 nicht mehr an der militärischen und nachrichtendienstlichen Kooperation teil. Zugleich wurden die Diktatoren Gheorgiu-Dej und Ceaușescu im westlichen Ausland und in der VR China hofiert und für ihre seit Mitte der 1950er Jahre wachsende Distanz zur UdSSR fürstlich belohnt. Im Lande herrschte ein nationalkommunistisches Regime mit stalinistischen, später unter Ceaușescu auch dynastischen Zügen. (Chruschtschows Entstalinisierung war einer der Gründe des Zerwürfnisses gewesen.)

Rumänien war 1971 das erste sozialistische Land, welches der Weltbank und der GATT beitrat. 1972 folgte die Mitgliedschaft im IWF und 1973 schuf die EG spezielle Verbindungen zu Rumänien. Erst in den 80er Jahren verschlechterte sich die Wirtschaftslage rapide und auch der Westen begann, die Menschenrechtslage zu kritisieren. All dem hat die einstmals mächtige Sowjetunion zugesehen und hat nichts gegen den rumänischen Sonderweg im „sozialistischen Lager“ unternommen. Weshalb also sollte Rumänien heute von Rußland (militärisch) bedroht werden?

Da eine solche Bedrohung nicht auszumachen ist, liegt der Verdacht nahe, daß es der Dame darum ging, ihren deutschen Lesern Sand in die Augen zu streuen und die wahre rumänische Außenpolitik zu verschleiern. Denn diese ist seit dem NATO-Beitritt 2004 auf offene Expansion gerichtet – ein Tatbestand, der hierzulande kaum zur Kenntnis genommen wird.
Die Ziele der rumänischen Politik liegen in ihren nordöstlichen Nachbarstaaten Ukraine und Moldawien. Zunächst sollen die Konflikte mit der Ukraine näher untersucht werden.


Die ukrainische Schlangeninsel im Schwarzen Meer - völkerrechtlich allerdings keine Insel, sondern ein Felsen.


Konflikt 1: Seegebiete

Seit Ende der 1990er Jahre schwelte zwischen beiden Staaten der Streit um die Ziehung der Grenzlinie im Schwarzen Meer, wobei der ukrainischen Schlangeninsel und ihrer völkerrechtlichen Einstufung entscheidende Bedeutung zukam. Dies betraf nicht nur die Hoheitsgewässer, sondern auch die Ausschließliche Wirtschaftszone, denn unter dem Meeresboden liegen große, bisher kaum erschlossene Erdöl- und Erdgaslagerstätten. Hinzu kommt, wie üblich, die Frage der Fischereirechte.

Im September 2004 brachte Rumänien den Fall vor den Internationalen Gerichtshof. Die ukrainische Führung unter Präsident Juschtschenko hatte eilig erklärt, sie werde jedes Urteil ohne Vorbehalte akzeptieren. Offenbar erhoffte man sich dadurch die Unterstützung Rumäniens für einen Beitritt der Ukraine zu EU und NATO. Der IGH verkündete, nach schwierigen Erörterungen, am 3. Februar 2009 sein Urteil. Sonach wurde das umstrittene Seegebiet zwischen beiden Staaten aufgeteilt, wobei Rumänien mit etwa 79 % den Löwenanteil erhalten hat (siehe Karte 2).

Die Urteilsbegründung ist durchaus nachvollziehbar (insofern ist die Entscheidung auch gerecht), gleichwohl hat der Fall in der Ukraine hohe Wellen geschlagen. Der Verdacht des Ausverkaufs nationaler Interessen stand im Raum und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kündigte während des Präsidentenwahlkampfs 2010 an, sie wolle im Falle eines Wahlsieges die Entscheidung des IGH revidieren.

Die staatliche Zugehörigkeit der Schlangeninsel selbst war in der Klage übrigens ausgeklammert worden. Doch schon seit Anfang der 1990er Jahre war in der rumänischen Presse immer wieder ihre „Heimholung“ verlangt worden – zu dem bezeichnenden Zweck, darauf einen NATO-Stützpunkt zu errichten. Deshalb sollte in Den Haag ursprünglich auch auf die Rückgabe dieses Eilands geklagt werden.


Karte 2: Die Aufteilung des Kontinentalschelfs nach dem IGH-Urteil.


Konflikt 2: Donaudelta

Die Ukraine zählt zu den Anliegern der Donau. Ab 2004 wurde der nördliche Donauarm Bystroe (Chilia) auf 15 km Länge kanalisiert, so daß die ukrainischen Donauhäfen Ismail, Kilija, Wilkowo und Reni über ihn vom Schwarzen Meer aus auch für Küstenmotorschiffe bequem erreichbar sind (Bystre-Kanal). In Rumänien wird befürchtet, daß dies negative Folgen für die Umwelt im Donaudelta haben könnte, was von Kiew bestritten wird.

Im Jahr 2009, also kurz nach der Verkündung des o.g. IGH-Urteils, erhoben sich in Rumänien Stimmen, die eine Verlegung der Staatsgrenze im Donaudelta forderten. Aufgrund hydrographischer Gegebenheiten hatte sich der Hauptschiffahrtsweg (und damit die eigentliche Strommitte, die zugleich die Staatsgrenze darstellt) im Laufe der Zeit immer mehr nach Norden verlagert. Zuvor verlief er zwischen der ukrainischen Insel Maikan im Norden und der rumänischen Insel Babin im Süden. Jetzt verläuft die Fahrrinne durch ukrainische Gewässer nördlich von Maikan. Deshalb solle, so Bukarest, der Grenzverlauf angepaßt und Maikan rumänisch werden. Während man in Kiew bereit war, über eine gemeinsame Verwaltung des Schiffahrtsweges zu diskutieren, stand dort eine Übergabe der Insel an Rumänien nie zur Debatte.

Als dies im vergangenen Jahr öffentlich bekannt wurde, entbrannte in der Ukraine eine heftige Debatte, die besonders von Politikern aus dem Timoschenkos Umfeld heftig geführt wurde. Es hieß, das Land dürfe keine Schwäche zeigen. Auch Präsident Janukowitsch erklärte im Dezember 2010 vor Diplomaten seines Außenministeriums, daß die Zeit der „weichen Ukraine“ vorbei sei.

Während dieser zweite Teilkonflikt vorerst weiterzuschwelen scheint, könnte der erste um den schon seit geraumer Zeit fertiggestellten Bystre-Kanal zwischen Donau und Schwarzem Meer in diesem Sommer ernst werden. Der Grund hierfür soll Medienberichten zufolge im ökonomischen Erfolg der Wasserstraße liegen. Da sie besser ausgebaut und bequemer befahrbar sei als die rumänischen Mündungsarme, würde sie mittlerweile von mehr Schiffen als ihr rumänisches Pendant benutzt (131 vs. 107 Schiffsbewegungen). Damit drohten Einnahmeverluste für den rumänischen Staat (Transitgebühren).

Deshalb habe die Regierung in Bukarest jetzt wieder ihr ökologisches Herz entdeckt und wolle gegen den Kanal vorgehen. Zunächst sollen internationale Gremien (möglicherweise erneut der IGH) damit befaßt werden, doch auch einseitige Maßnahmen der rumänischen Seite seien nicht auszuschließen, wie sie 2010 schon im Streit um Maikan ergriffen wurden. Damals hatten rumänische Behörden Dämme geöffnet, was dem rumänischen Donauarm wieder schiffbar machen sollte. Infolgedessen ist es jedoch auch auf der ukrainischen Seite zu Überschwemmungen gekommen.

Man könnte diese, auf den ersten Blick vielleicht kleinlich wirkenden Konflikte einfach als unbedeutende Nebenkriegsschauplätze abtun. Aus ukrainischer Sicht sind sie jedoch die ersten Vorboten einer größeren rumänischen Expansion. Und für diese Auffassung gibt es durchaus gute Gründe.


Karte 3: Die ukrainischen Donauhäfen und der Donau-Schwarzmeer-(Bystre-)Kanal (Nr. 7) im System des Donaudeltas.


Historische Hintergründe: Bessarabien

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts waren die später als Bessarabien bezeichneten Gebiete, die heute zu Moldawien und der Ukraine gehören, dem Türkischen Imperium abgenommen und an das Russische Reich angegliedert worden. Seinerzeit bestand die Mehrheit der Bevölkerung aus Rumänen, auch wenn dieser Terminus damals noch nicht gebräuchlich war. (In der zeitgenössischen Literatur ist von der Walachei und Moldau die Rede.) Im Laufe des 19. Jahrhunderts wechselten einige Teilgebiete zwischen dem Rußland und dem neugebildeten rumänischen Staat.

Als 1917 das Zarenreich zerfiel, bildeten sich – wie vielerorts zu dieser Zeit – in Bessarabien politische Körperschaften, die den Anschluß an Rumänien verlangten. Bereits im Dezember 1917 rückten rumänische Truppen in das Gebiet ein, im März 1918 wurde formell der Anschluß vollzogen. Dem wollten die Ententemächte jedoch nicht zustimmen: Ebenfalls im März 1918 vermittelten sie den Vertrag von Rassy zwischen Rumänien und Sowjetrußland, der den Rückzug der rumänischen Truppen aus Bessarabien vorsah. Infolge des andauernden Bürgerkrieges und des deutsch-österreichischen Einmarschs in die Ukraine war die sowjetische Seite jedoch zu schwach, so daß die Rumänen im Lande bleiben konnten. Gleichwohl hat die UdSSR ihren Anspruch auf Vertragserfüllung – und damit den Anspruch auf Rückgabe Bessarabiens – zu keinem Zeitpunkt aufgegeben.

Ende Juni 1940 besetzten sowjetische Truppen Bessarabien, nachdem es zuvor von Rumänien geräumt worden war. Der Ribbentrop-Molotow-Pakt hatte dies möglich gemacht. Der östliche, am Schwarzen Meer gelegene Teil wurde an die Ukrainische SSR angegliedert, während der westliche Teil, zusammen mit vorher ukrainischen Gebieten (Transnistrien), die neue Moldawische Sozialistische Sowjetrepublik bildete. Von einem kurzen Zwischenspiel unter der deutsch-rumänischen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges abgesehen, verblieb es bei dieser Zuordnung bis zum Ende der UdSSR.


Karte 4: Bessarabien (1918-1940).


Die rumänische Politik gegenüber der Ukraine

Verbleiben wir vorerst bei den ukrainischen Aspekten des Problems; auf die Moldawien und Transnistrien betreffenden Fragen wird weiter unten eingegangen.
Offiziell betonen rumänische Politiker immer wieder, daß sie der Ukraine beim Weg in NATO und EU behilflich sein wollen. In der Realität ist die Bukarester Politik keineswegs so freundlich. Nicht wenige Bürger und Politiker scheinen dem imperialen Traum von einem „Großrumänien“ anzuhängen; es gibt sogar eine politische Partei, die so heißt: Partidul România Mare. Immer weitergehender werden auch die territorialen Forderungen. Ging es zunächst „nur“ um eine Abtretung von Teilen des ukrainischen Kontinentalschelfs im Schwarzen Meer und um den Ausbau eines Schiffahrtsweges, so fordert Rumänien jetzt schon um Landgebiete.

Im Streit um die oben bereits erwähnte Insel Maikan im Donaudelta haben rumänische Amtsträger nun nachgelegt. Sie fordern nicht mehr nur diese Insel, sondern die Rückgabe sämtlicher Gebiete, die nach Ende des 2. WK an die Sowjetunion übergeben worden waren. Es sind dies die Schlangeninsel im Schwarzen Meer, die Inseln Maikan, Ermakow und weitere, z.T. namenlose Inseln im Donaudelta. Das dahinterstehende strategische Ziel ist die vollständige rumänische Kontrolle über das Mündungsgebiet der Donau. Als rechtlichen Anknüpfungspunkt hierfür verweist Bukarest auf die 2009 verabschiedete Deklaration der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, in der der Nationalsozialismus und der Stalinismus mit einem Gleichheitszeichen versehen und beide als verbrecherisch bezeichnet werden. Damit sei auch die Übergabe der Inseln an die UdSSR rechtswidrig gewesen und die Ukraine als deren Rechtsnachfolger müsse sie zurückgeben.

Damit ist die territoriale Expansion Rumäniens zu Lasten der Ukraine bereits in ihr drittes Stadium getreten. Doch damit nicht genug. Zumindest in Teilen der rumänischen Gesellschaft träumt man von einer „Rückgabe“ sämtlicher ukrainischen Gebiete, die irgendwann einmal zu Rumänien gehörten. Dies betrifft insbesondere Teile der Regionen Odessa und Tscherniwzi.
Eine offene Rückeroberung steht in Bukarest noch nicht auf der Tagesordnung, wohl aber eine verdeckte. Diese geschieht insbesondere durch das Verleihen der rumänischen Staatsbürgerschaft an Ukrainer – bisher in etwa 100.000 Fällen. Seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahre 2009 dürfen rumänische Pässe auch an Ausländer ausgegeben werden, die in Gebieten leben, die 1940 zum rumänischen Staat gehörten. Dafür sind nicht einmal Kenntnisse der rumänischen Sprache erforderlich.

Die Motive, aus denen heraus Ukrainer einen rumänischen Paß beantragen sind vermutlich zumeist individueller Natur, denn durch diese doppelte Staatsbürgerschaft werden sie zu EU-Bürgern und kommen in den Genuß aller damit verbundenen Rechte. Dennoch darf man das damit einhergehende politische Konfliktpotential nicht unterschätzen, denn diese Ukrainer kommen dürfen in Europa nicht nur visafrei reisen, sondern haben auch das Wahlrecht zum rumänischen sowie zum EU-Parlament.
Wem sie wohl ihre Stimme geben werden? Welchem Staat wird in einer Konfliktsituation ihre Loyalität gehören? Es gibt durchaus gute Gründe dafür, daß das Völkerrecht nach wie vor davon ausgeht, daß doppelte Staatsbürgerschaften die Ausnahme bleiben sollten.


Bauarbeiten am umstrittenen Bystre-Kanal zwischen Donau und Schwarzem Meer.


Strategische Rahmenbedingungen

Um es vorweg zu sagen: Ein rumänischer Feldzug gegen die Ukraine, um die „verlorenen“ Gebiete zu „befreien“, ist mittelfristig nicht zu befürchten. Dafür sind die Streitkräfte Rumäniens zu schwach. Das Land hat – ebenso wie die Ukraine – unter ökonomischen Problemen zu leiden. Trotzdem schließen Beobachter einen räumlich begrenzten Militäreinsatz im Donaudelta nicht aus, denn dort ist das ukrainische Militär kaum vertreten und die Inseln sind nicht groß und zudem unverteidigt. Die frühere sowjetische Donauflottille wurde nach 1991 praktisch aufgelöst, während Rumänien auf dem Strom nach wie vor zwei Flußkriegsschiffsabteilungen mit zusammen 26 Kampfschiffen unterhält. Hinzu kommt das 307. Marineinfanteriebataillon, welches im Donaudelta stationiert ist. Um hier kein Ungleichgewicht aufkommen zu lassen, verlegt die ukrainische Armee jetzt ein mechanisiertes Bataillon auf ihre Seite der Donau.

Die rumänischen Eliten fühlen sich offenbar stark genug, um – mit Unterstützung ihrer Verbündeten aus NATO und EU – mit der Ukraine alleine fertigzuwerden. Deshalb hat sich Präsident Traian Băsescu im vergangenen Jahr mehrfach erbost darüber geäußert, daß Rußland überhaupt noch eine Schwarzmeerflotte unterhält und sie – infolge der Vertragsverlängerung zwischen der Ukraine und der RF – auch weiterhin in Sewastopol basiert sein wird. Er erkennt zutreffend, daß die Interessen der beiden Staaten hinsichtlich der rumänischen Expansionsbestrebungen weitgehend deckungsgleich sind. Beide verwahren sich gegen eine Revision ihrer Staatsgrenzen. (Auch gegen die RF werden bisweilen solche Forderungen erhoben.) Und die rußländischen Streitkräfte sind u.U. die einzige Macht, die die rumänische Führung von einer gewaltsamen Expansion in nördlicher Richtung abhalten könnten. Deshalb spinnt man in Bukarest an der eingangs erwähnten Mär von einer „russischen Bedrohung“.

Noch offen scheint zu sein, wie sich die Türkei als die (kommende?) Hegemonialmacht des Schwarzen Meeres in dieser Frage positionieren wird. Klar ist jedoch, daß die rumänische Politik für die übrigen Mitgliedsstaaten von NATO und EU eine schwere Hypothek bedeutet. Sollte sich der Konflikt zuspitzen, dann wird von ihnen erwartet, automatisch auf die Seite ihres Verbündeten zu treten – unabhängig davon, ob er die Auseinandersetzung maßgeblich herbeigeführt hat. Mithin besteht auch die Gefahr, daß Deutschland mittelbar für die rumänische Expansionspolitik haftbar gemacht wird und dafür mit einstehen muß. Dies ist der Grund, weshalb die Erweiterung zumindest der NATO nach Osteuropa so riskant war und ist, denn dadurch wurden die Konflikte der nicht saturierten Beitrittsländer zu einer Gemeinschaftssache – mit möglicherweise unabsehbaren Folgen.

In der Ukraine und Rußland sehen Beobachter jedenfalls schon große Probleme heraufziehen. Vor allem weil Rumänien bereits NATO-Stützpunkte auf seinem Staatsgebiet beherbergt und sich auch als Standort für Komponenten der geplanten Raketenabwehr angeboten hat. Dies bedeutet eine starke politische Aufwertung Bukarests. Ein Analyst zieht sogar den historischen Vergleich zum Krimkrieg (1853/56), als eine Koalition aus Briten, Franzosen, Türken und Italienern gegen das Rußland kämpfte und es vom Schwarzen Meer verdrängen wollte. Im Gefolge dieses Krieges erhielt Rumänien übrigens einige Gebiete, die zuvor zum Zarenreich gehört hatten. Deshalb erscheint die historische Analogie gar nicht so überzogen, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag.



Das Problem Moldawien/Transnistrien

Das zweite Ziel, auf das sich die rumänischen Expansionsbestrebungen richten, ist Moldawien. Diese ehemalige Sowjetrepublik besteht zum Großteil aus Gebieten, die zwischen 1918 und 1940 zu Rumänien gehörten. Moldauer – so nennt man die ethnischen Rumänen offiziell – machen 64 % der Einwohnerschaft aus. Jeweils rund 13 % sind Ukrainer und Russen, also Ostslawen. Diese Bevölkerung ist jedoch regional höchst unterschiedlich verteilt. Während im moldawischen Kernland die Rumänen mit 71 % die deutliche Mehrheit stellen, sind sie in Transnistrien mit 31 % in einer Minderheitenposition. Dort stellen die slawischen Völker die Mehrheit (28 % Ukrainer, 30 % Russen).

Damit liegt die ethnische Dimension des Transnistrienkonfliktes, der seit 1989 schwelt, in den Jahren 1991/92 gewaltsam ausgetragen wurde und faktisch zur Teilung Moldawiens geführt hat, offen zutage. Hinzu kommt die historische: Transnistrien gehörte niemals zu Rumänien, sondern zwischen 1918 und 1940 zur Ukraine. Erst nachdem Bessarabien sowjetisch geworden war, wurde das Gebiet der neuen Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik zugeschlagen. Dies ist der Anlaß des Transnistrienkonflikts und der bis heute andauernden Teilung Moldawiens: Die rumänische Mehrheitsbevölkerung forderte seit Beginn der 1990er Jahre immer wieder den Anschluß Moldawiens an Rumänien. Dem wollen jedoch die meisten Menschen in Transnistrien nicht zustimmen. Mithin ist die „rumänische Frage“ zum Spaltpilz des Landes und zum Anlaß für einen blutigen Bürgerkrieg geworden.

1992 konnte der Krieg nach dem massiven Eingreifen rußländischen Militärs unter dem Kommando von General Alexander Lebed einigermaßen pazifiziert werden. Seither überwacht eine multinationale Friedenstruppe, die aus moldawischen, transnistrischen, rußländischen und ukrainischen Soldaten besteht, den Waffenstillstand. In der Folge wurde die Republik Transnistrien jedoch de facto selbständig und ist es bis heute, auch wenn ihr die internationale Anerkennung fehlt.
Sie ist ein Ministaat von rund 550.000 Einwohnern, der am Ostufer des Dnjestrs liegt und allein weder politisch noch ökonomisch lebensfähig. Die Aussicht, möglicherweise als kleine ethnische Minderheit in einem Großrumänien leben zu müssen, setzt der Verhandlungs- und Kompromißbereitschaft der Regierenden in Tiraspol jedoch Grenzen. Im Jahr 2006 fand ein Referendum über die Unabhängigkeit statt, bei dem 97 % der Stimmen für selbige waren. Die Gegenseite – also das übrige und weitaus größere – (Kern-)Moldawien besteht hingegen auf der Wiederherstellung der staatlichen Einheit in den Grenzen der ehemaligen Moldawischen SSR.


Karte 5: Moldawien und das de facto selbständige, international aber nicht anerkannte Transnistrien.


Rumänien und Kern-Moldawien

Wie oben bereits aufgezeigt, betrachtet Rumänien auch Moldawien (oder zumindest Teile davon) als historischen Besitz (Bessarabien) und so wird von Bukarest eine Vereinigung angestrebt, um „kommunistisches Unrecht“ wiedergutzumachen. Auch hier wird besonders mit dem Instrument der rumänischen Staatsbürgerschaft operiert. Mehr als 100.000 moldawische Bürger sind bereits im Besitz eines rumänischen Passes und somit bereits heute EU-Bürger. (Zum Vergleich: Das Land hat ohne Transnistrien 2,7 Mio. Einwohner.)

Diese Avancen aus dem Süden stoßen in Kern-Moldawien auf eine weitaus größere Gegenliebe als in der Ukraine. Da gibt es zunächst eine große kulturelle Verbundenheit. Die meisten Moldawier sind ethnische Rumänen, wenngleich sie in offiziellen Dokumenten als „Moldauer“ tituliert werden. Nach dem Zerfall der UdSSR wurde das Rumänische zur alleinigen Amtssprache des Landes. Ferner sind die politischen Eliten, insbesondere die derzeit regierende Allianz für europäische Integration unter den Herren Ghimpu und Filat ist stark auf ein Zusammengehen mit Rumänien orientiert. Die Bevölkerung ist davon etwas weniger begeistert. Laut einer Umfrage vom März plädieren nur 5 % der Bürger für eine Vereinigung der beiden Staaten. Gleichwohl ist der Kurs in diese Richtung abgesteckt, zumal unter den jüngeren Bürgern.

In Rumänien sind Regierungspolitik und -propaganda ganz auf Expansion ausgerichtet, nicht nur in der Staatsbürgerschaftsfrage. Mehrfach erklärten Vertreter Bukarests, daß sie die rumänisch-moldawische Staatsgrenze nicht anerkennen würden und auf ihr rasches Verschwinden hoffen. Der im November 2010 zwischen beiden Staaten nach langjährigen Verhandlungen unterzeichneter Grenzvertrag klammert die Frage des Verlaufs der Staatsgrenze explizit aus.
Überdies hat der rumänische Präsident behauptet, die ca. 1500 rußländischen Soldaten in Transnistrien stellten eine Bedrohung Rumäniens dar. Sollte es notwendig werden, würden rumänische Truppen in Moldawien einmarschieren, um ihren bedrohten „Brüdern“ zu helfen.
Diese Erklärungen sind nur dann sinnvoll, wenn Rumänien Moldawien (inklusive Transnistrien) bereits jetzt de facto als eigenes Staatsgebiet betrachtet und die Eigenstaatlichkeit Chisinaus nicht anerkennt. Und die Republik von Tiraspol sieht Bukarest vermutlich als Zugabe oder Entschädigung, so daß sie ebenfalls einem künftigen Großrumänien einverleibt werden müsse. Dummerweise stehen „die Russen“ am Dnjestr zwischen diesem Traum und dessen (ggf. auch gewaltsamer) Umsetzung – eine Friedenstruppe im wahrsten Sinne des Wortes.

Das in Osteuropa häufig gebrauchte Schlagwort von der „euroatlantischen Integration“ kann also in Moldawien nicht nur als der angestrebte Beitritt des Staates zur Europäischen Union, sondern auch als Vereinigung mit Rumänien verstanden werden. Die letztere Variante ist sogar wahrscheinlicher, denn angesichts der schweren inneren Krisen der EU dürfte eine Aufnahme des armen Moldawiens nahezu ausgeschlossen sein. Auf dem Umweg über einen Anschluß an Rumänien könnte dasselbe Ziel leichter erreicht werden, ohne daß es endloser Verhandlungen in Brüssel bedarf.

Käme es zu einer solchen Entwicklung, wären NATO und EU nicht nur räumlich größer, sondern auch über Nacht um 2,7 Mio. Bürger reicher. (An die Auswirkungen auf den Landwirtschaftshaushalt und die Förderprogramme der EU möchte man gar nicht denken.)
Möglicherweise wird sich Moldawien irgendwann selbst aufgeben, wenn der größte Teil der Staatsbürger zugleich die rumänische Staatsbürgerschaft besitzt und damit auch in Rumänien wählen darf. Das ist eine interessante völkerrechtliche Überlegung: Was passiert mit einem Staat, dessen Staatsvolk zum größten Teil auch einem anderen Staatsvolk (hier: dem rumänischen) angehört?
Eventuell würde ein Gebilde namens Moldawien noch weiterbestehen, aber es wäre kaum mehr als eine scheinselbständige Provinz Rumäniens. Die maßgeblichen Entscheidungen würden nicht in Chisinau, sondern in Bukarest getroffen.


Tiraspol, die Hauptstadt Transnistriens.


Was wird aus Transnistrien?

Die große Frage ist nun, welchen Weg Transnistrien in Zukunft gehen wird. Wie könnte der „eingefrorene Konflikt“ am Dnjestr gelöst werden?

Variante Nr. 1 wäre die von der moldawischen Regierung, der EU, NATO, OSZE usw. einhellig geforderte Wiedereingliederung in den moldawischen Staatsverband. Dem steht jedoch das in den letzten Jahren wieder verstärkte Streben Moldawiens nach einer Vereinigung mit Rumänien im Wege. Auch die rumänische Politik hat dazu beigetragen, die Kluft zwischen beiden Teilen Moldawiens zu vergrößern.
Variante Nr. 2 wäre – vielleicht nach einem erneuten Referendum – die vollständige staatliche Unabhängigkeit Transnistriens. Hierdurch könnte der Konflikt endgültig bereinigt werden und beide Teile Moldawiens könnten danach ihren Weg allein gehen. Dem steht freilich entgegen, daß Transnistrien trotz seines hohen Industrialisierungsgrades wirtschaftlich allein wohl kaum lebensfähig wäre.

Damit kommen wir zur immer wieder diskutierten Variante Nr. 3, die sich als Erweiterung der zweiten denken läßt: Transnistrien scheidet zwar aus dem moldawischen Staat aus, schließt sich jedoch einem anderen Staat an. Insoweit kämen nur Rußland oder die Ukraine in Frage.
Eine vierte Variante hat 2009 der seinerzeitige moldawische Parlamentspräsident Mihai Ghimpu ins Spiel gebracht: „Moldova und die Ukraine hätten nach Erlangung der Unabhängigkeit auch die Variante eines Gebietsaustausches für Transnistrien, das nie zu Rumänien gehörte, ins Auge fassen können, wenn Moldova dafür die nördliche Bukowina und das südliche Bessarabien erhalten hätte.“ Die Regierung in Kiew ist allerdings nicht bereit, hierauf einzugehen und eigenes Territorium an Moldawien (oder Rumänien) abzutreten.

Eine Rückkehr des Gebietes nach Moldawien dürfte am unwahrscheinlichsten sein. In den bisher 19 Jahren der Trennung haben sich beide Seiten auseinandergelebt. Kern-Moldawien hat sich konsequent auf Rumänien und die EU orientiert; Transnistrien hingegen auf die Ukraine und Rußland. Überdies war die Trennung das Ergebnis eines blutigen Konflikts, dessen Wiederausbrechen vermutlich niemand wünscht. D.h. die ethnischen und kulturellen Differenzen zwischen den Landesteilen sind mittlerweile politisch geworden. Des weiteren wäre diese Lösung auch ungerecht i.e.S., denn im Falle eines Anschlusses Moldawiens an Rumänien erhielte Bukarest nicht nur 1940 verlorene Gebiete zurück, sondern würde seinen „historischen“ Besitzstand erheblich vergrößern, da Transnistrien vor 1940 ukrainisch war.

Somit erscheint eine wie auch immer geartete Loslösung Transnistriens von Moldawien als beste Lösung. Immerhin haben in den zurückliegenden Jahren mehrere Sezessionsstaaten ihre international anerkannte Unabhängigkeit erlangt (z.B. Kosovo, Süd-Sudan). Es sind keine gewichtigen Gründe ersichtlich, die im Fall Transnistriens dagegen sprechen würden – außer daß sich verschiedene Staaten und internationale Organisationen so stark auf eine Wiedervereinigung festgelegt haben, daß sie ihr Gesicht verlieren würden. Um Transnistrien jedoch nicht zu einer zweifelhaften „Gaunerwirtschaft“ verkommen zu lassen, wäre der Anschluß des Gebietes etwa an die Ukraine eine sachgerechte Lösung – auch wenn man in Kiew davon (noch) nichts wissen will.

Im übrigen wäre ein Anschluß Kern-Moldawiens an Rumänien womöglich auch für die Moldawier die beste Lösung. Das Land steckt in einer schon mehrere Jahre andauernden politischen und ökonomischen Krise. Ein Indiz dafür sind die fast schon im Jahresrythmus stattfindenden Parlamentswahlen. Dies würde auch aus Sicht der EU Vorteile bringen, indem klare Verhältnisse geschaffen würden. Viele Moldawier sind ohnehin bereits EU-Bürger, das Land selbst befindet sich damit jedoch in einer eigenartigen Zwischenlage.


Tiraspol.


Deutschland und das instabile Dreieck

Über Transnistrien wurde auch am 2. Juni auf der deutsch-russischen Konferenz in Berlin diskutiert. Erhellend war, was die beiden Abgeordneten Gernot Erler und Manfred Grund zu diesem Thema gesagt bzw. nicht gesagt haben. Beide hoffen natürlich auf eine rasche Lösung des Konflikts. Doch stellen sie sehr konkrete inhaltliche Vorbedingungen, d.h. es dürfe keine Loslösung Transnistriens von Moldawien geben. (Warum dies kaum erreichbar sein dürfte, habe ich soeben dargelegt.)
Ansonsten hoffen sie darauf, daß die Regierung Rußlands es irgendwann leid sein wird, Tiraspol mit jährlich 700 Mio. Euro zu alimentieren. Dieselbe Hoffnung hegen Erler und Grund auch hinsichtlich Südossetien und Abchasien. Doch das ist unrealistisch, denn diese Staatsbildungen existieren schon seit zwei Jahrzehnten und sie sind damals aus guten Gründen entstanden, als ethnische Minderheiten von einer Mehrheitsbevölkerung politisch und kulturell majorisiert werden sollten.

Die beiden Abgeordneten denken tatsächlich, man könne durch langwierige Verhandlungen eine seit 20 Jahren laufende Entwicklung stoppen und wieder zurückdrehen – allerdings nur, weil sie sich weigern, die Unabhängigkeit dieser Staaten anzuerkennen. Doch gewisse Realitäten sollte man nicht ignorieren. Deshalb hat ein Konferenzteilnehmer ganz treffend eingewandt, im 19. Jahrhundert wären diese schon lange schwelenden Konflikte von einer Konferenz der europäischen Großmächte binnen drei Tagen gelöst worden – indem man die wirkliche Lage anerkannt und formalisiert hätte. Zumal in den genannten Fällen das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch als juristisches Argument dienen könne.
Davon will die politische Klasse in Berlin jedoch nichts wissen. Sie setzt weiter auf Endlosverhandlungen, die jedoch aufgrund ihrer eigenen Vorbedingungen keineswegs ergebnisoffen und deshalb zum Scheitern verurteilt sind.

Bemerkenswerterweise wollten sich weder Erler noch Grund zur rumänischen Paßpolitik in Moldawien und der Ukraine äußern. Wahrscheinlich ist ihnen dieses Gebaren unseres Verbündeten peinlich. In diesem offiziellen Schweigen liegt jedoch die Gefahr, daß man in Bukarest zu der (hoffentlich falschen) Schlußfolgerung gelangen könnte, die übrigen Mitglieder von NATO und EU würden eine rumänische Expansion befürworten.

Leider ist die deutsche Öffentlichkeit über die hier behandelten Problemfelder kaum informiert. Transnistrien wird in den hiesigen Medien nur wenig, die übrigen Konflikte, insbesondere die Rolle Rumäniens, wird fast gar nicht thematisiert. Statt dessen wird entweder so getan, als gäbe es keine ernsthaften Differenzen oder man verfällt in die simplen Schemata vom „armen Rumänien“, das von den „aggressiven Russen“ bedroht wird. Die Ukrainer werden insofern kaum erwähnt, entweder weil sie noch unter „Naturschutz“ stehen oder weil man sie stillschweigend mit unter „Russen“ subsumiert.
Ferner wird klar, wie schwierig das Verhältnis zwischen den Völkern und Staaten in Osteuropa nach wie vor ist. Die Gemengelage ist erheblich komplexer, als daß man sie auf die Verbrechen des Kommunismus, für deren Opfer man Verständnis haben müsse, reduzieren darf. Eines von vielen Beispielen ist die diffizile Situation der Roma in der gesamten Region.

Die Mitgliedschaft in NATO und EU wird von einigen Politikern in Rumänien und anderen neuen Mitgliedsstaaten nicht als defensive Rückversicherung, sondern als Unterstützung ihrer eigenen konfrontativen und z.T. expansiven Politik mißverstanden. Hier ist Deutschland gefordert, auf die Parteien mäßigend einzuwirken und sich als offener, ehrlicher und zielorientierter Makler anzubieten. Schließlich muß Berlin deutlich artikulieren, daß die Bundeswehr nicht in den Krieg ziehen wird, nur weil Rumänien unbedingt das Mündungsgebiet der Donau vollständig beherrschen oder ein paar rumänische Siedlungsgebiete „heim ins Reich“ holen will.


Tiraspol.


Bibliographie

Adjassow, I.: Anerkannte und Abtrünnige im postsowjetischen Raum, RIA Nowosti v. 27.08.2010

Babitsch, D.: Transnistrien-Konflikt - Kein Ausweg aus der Sackgasse?, RIA Nowosti v. 03.11.2010

Greenberg, P.: Economic crisis worsens Ukrainian-Romanian relations, New Europe v. 19.07.2010

Grigorescu, D.: Tricks am Grenzfluss, in: Märkische Allgemeine v. 26.07.2010

Hofbauer, H. / Roman, V.: Bukowina - Bessarabien - Moldawien, Wien 1997

Iwshenko, T.: Kiew gotowitsja k dunajskoj osade, in: Nesawissimaja Gaseta v. 11.03.2011

Internationaler Gerichtshof (Hrsg.): Maritime Delimitation in the Black Sea (Romania v. Ukraine), 03.02.2009

Lebed, A.: Rußlands Weg, München 1998

Mihai, B.: Ukraine accuses Romania of unlawful claims over Maikan Island, Nineoclock.ro v. 15.04.2010

Moldawien und Rumänien unterzeichnen Vertrag über Grenzregime, RIA Nowosti v. 08.11.2010

Panow, W.: Proschlo wremja "mjagkoj" Ukrainy, sa Suwerenitet pridetsja poborotsja, in: Nesawissimoje Wojennoje Obosrenije v. 21.01.2011

People's Party: Ukraine's reaction to territorial claims by Romania must be tougher, in: Kyiv Post v. 20.04.2010

Rumänien will eine Million Moldawier einbürgern, RIA Nowosti v. 18.05.2009

Rumäniens Präsident sieht russische Soldaten als Bedrohung, RIA Nowosti v. 23.06.2010

Rumäniens Premier: Grenze zu Moldawien verschwindet nach dessen EU-Beitritt, RIA Nowosti v. 23.09.2010

Schinzel, H.: Deutsches Unternehmen gräbt dem Donaudelta das Wasser ab, in: Siebenbürger Zeitung v. 31.08.2004

Schünemann, M.: Kiew blickt mit Sorge nach Chisinau, in: Neues Deutschland v. 06.10.2010

Shilzow, S.: Nestabilnyj treugolnik, in: Nesawissimaja Gaseta v. 28.03.2011

Sidoreko, S. / Gawrisch, O. / Stein, A.: Internationaler Gerichtshof in Den Haag beendet Grenzstreitigkeiten zwischen Rumänien und der Ukraine im Schwarzen Meer, Ukraine-Nachrichten v. 04.02.2009

Sowards, S.: Moderne Geschichte des Balkans, Seuzach 2004

Stacheldraht an der Grenze zu Rumänien ist Moldawiens Schande, RIA Nowosti v. 17.12.2009

Stationierung von Elementen eines US-Raketenabwehrsystems in Rumänien vereinbart, RIA Nowosti v. 03.05.2011

Timoschenko will Seegrenze mit Rumänien neu ziehen, RIA Nowosti v. 02.02.2010

Transnistrien-Konflikt - Moldawien manövriert sich ins Abseits, RIA Nowosti v. 25.08.2010

Ukraine wehrt sich gegen Rumäniens neue Gebietsansprüche, RIA Nowosti v. 31.08.2010

Wikipedia: Bessarabien (dt., russ.), Moldawien (dt., russ.), Transnistrien (dt., russ.), Maritime delimitation between Romania and Ukraine (eng.), Transnistrien-Konflikt (dt., russ.)



Am Donau-Schwarzmeer-Kanal.


Verwandte Beiträge:
Vom Krieg zur gemeinsamen Verantwortung
Krieg im Baltikum
Kein Luftzwischenfall über der Ostsee
Die ukrainischen Nationalisten
Wahlspiele in der Ukraine
Osteuropäische Unübersichtlichkeit

Karten: Wikipedia; Fotos: Wikipedia, photohost.ru u.a.

Samstag, 23. April 2011

23.04.2011: Videos des Tages

In den heutigen Videos stellt der amerikanische Sammler "Ruger Six" stellt eine rumänische Variante der AK-47 vor.






Samstag, 25. September 2010

25.09.2010: Videos des Tages

Nutnfancy stellt in den folgenden Videos die Kalaschnikow-Varianten des bulgarischen Herstellers Arsenal vor, die er insoweit für den "Goldstandard" hält.






Dienstag, 10. August 2010

WM-Eindrücke V


Heute ist der letzte Wettkampftag der diesjährigen ISSF-Weltmeisterschaft. Es geht noch einmal um Medaillen im Gewehrschießen auf 300 m sowie auf die Laufende Scheibe (50 m) und im Skeet. Für 18.15 Uhr ist die Abschlußfeier geplant. Grund genug, auf die beiden vergangenen Tage zurückzublicken.



Am Sonntag war der Wettbewerb der Damen mit der Luftpistole herausragend. Die Ränge, die sich die acht Schützinnen im Vorkampf erstritten hatten, sind im Finale noch einmal kräftig durcheinander gewirbelt worden. Es blieb spannend bis zum letzten Schuß, denn die Silber- und Bronzemedaille wurden erst nach einem Shoot-off vergeben. Gold gewann Zorana Arunovic aus Serbien mit 486,8 Ringen (385 + 101,8). Auf Rang 2 kam die 46jährige Lalita Yauhleuskaya, die zwar in der Sowjetunion geboren wurde, aber mittlerweile für Australien startet. Bronze ging an Viktoria Tschajka aus Belarus. Es war nach dem Finale schon nett, wie zwei der drei obligatorischen Interviews auf Russisch geführt wurden. ;-)
Die beste deutsche LP-Schützin war Stefanie Thurmann (39.); beste Russin Kira Klimowa (13.). In der Teamwertung (eine interessante Tabelle!) siegte Australien vor Südkorea und China. Auf die Frage, welche Pistolenmodelle verwendet wurden, findet sich hier eine Antwort.



Beim Schießen mit der Zentralfeuerpistole konnte Leonid Ekimow (RF), der im OSP-Finale noch das Nachsehen hatte, mit 589 Ringen Gold gewinnen. Bester Deutscher war Pierre Michel auf Platz 10. Der OSP-Weltmeister Alexej Klimow hatte technische Probleme und blieb deshalb auf einem hinteren Rang. Dieser Wettkampf war gut besucht und die Teamwertung zeigt auch hier eine interessante Verteilung.
Es ist interessant, auf den Bildern vom Zentralfeuerwettkampf die unterschiedlichen Waffen der Teilnehmer zu sehen. Hier scheint die Bandbreite der verwendeten Modelle größer zu sein als in anderen Disziplinen; einige russische Schützen - darunter wohl auch der neue Weltmeister Ekimow - haben mit dem Revolver TOZ-49 geschossen. Igor Ruljow hat nicht nur Fotos vom Schießen gemacht, sondern dankenswerterweise auch wieder eine Waffenstatistik erstellt.



In der Disziplin Laufende Scheibe Mixed (50 m) gewannen Schützen aus Rußland zwei Medaillen. Bei den Männern errang Maxim Stepanow Gold; bei den Junioren konnte Jurij Dowgal seine Medaillenkollektion um eine silberne erweitern. Beste Deutsche waren Jens Zimmermann (15.) bzw. Sebastian Zeh (8.). In den Mannschaftswertungen gewannen die russischen Männer Gold und die Junioren Bronze.



Ebenfalls am Sonntag lief das English Match der Frauen. In der Teamwertung konnten die deutschen Damen Silber gewinnen. Im Einzelwettkampf reichte es allerdings nur für einen vierten Platz von Sonja Pfeilschifter. Gewonnen hat letzteren Tejaswini Sawant (Indien) mit 597 Ringen, womit der bisherige Weltrekord eingestellt wurde. Silber ging an die Polin Joanna Ewa Nowakowska, die ringgleich mit Sawant war, aber weniger Treffer in der Innenzehn aufzuweisen hatte. Auf den dritten Platz kam Olga Dowgun aus Kasachstan. Beste Russin war Ljubow Galkina (29.).



Eine Disziplin, die ich sehr interessant finde, ist das 300-m-Standardgewehr. Die ISSF-Presseabteilung berichtet über den Wettbewerb:
"[...]

France’s Henry Josselin won today’s 300m Standard Rifle event, becoming the new world champion in this non-Olympic event with a total score of 587 points, topping the final score of 586 points fired by Thomas Farnik four year’s ago at the 2006 World Championship in Zagreb. The French shooter, who had equalled the 300m Rifle Prone Men world record of 600 points two days ago, had never won an ISSF medal in this even, before.

Tomorrow, the 28-year old shooter from Paris will compete in the 300m Rifle Three Positions event. Second at the 2007 European Championship, and third last year in Osijek, both times with 1173 points, Josselin is considered one of the favourites to finish between the bests here in Munich.

The Silver went to Slovenia’s Robert Markoja with 585 points (198, 190, 197), while the Bronze was grabbed by the Norwegian rifle champion Vebjoerm Berg, who marked 584 points (197, 194, 193) finishing on his second 300-meter podium.

Three shooters were disqualified during today’s competition. Both Brazil’s Rocco Rosito and Martin Strempfl were stopped by the judges because of violations to the ISSF rule 7.4.2.7. Rosito had the front sight extending beyond the permitted point, while Strempfl was not complaining with the regulations regarding the depth of curve of the butt plate of his rifle. Sweden’s Andres Brolund was also disqualified, as his pistol grip was recognised to be anatomically formed, breaking the ISSF rule 7.4.2.2.

[...]"
Hier die Ergebnisse des Einzelwettkampfs und der Mannschaftswertung. Igor Ruljow hat davon auch Fotos gemacht (vgl. hier und hier). Die Skandinavier scheinen in dieser Disziplin besonders stark zu sein. Der deutsche Starter Christian Dressel wurde nur 27. Schützen aus Rußland haben nicht teilgenommen, dort werden m.W. die 300-m-Disziplinen nur im Rahmen von CISM-Wettkämpfen geschossen.



Am Montag wurde mit der KK-Sportpistole der Damen die vorletzte olympische Disziplin ausgetragen - und das Finale war spannend. Die Frauen schossen gut und die Plazierungen änderten sich mehrfach deutlich. Schließlich sorgten zwei Stechen - um Platz 1 und 2 sowie um Platz 7 und 8 - für weitere Spannung, ebenso wie die insgesamt drei Waffenstörungen während des Finales. Gold ging schließlich mit einem Vorsprung von 0,1 Ringen an Kira Klimowa aus Rußland (788,8 Ringe = 584 + 204,8), Silber an Zorana Arunovic (Serbien) und Bronze an Lenka Maruskova (Tschechien), die im LP-Finale mit einem vierten Platz vorlieb nehmen mußte.
Mit der Juristin Julia Alipawa kam eine weitere Russin auf Rang 6; beste Deutsche war Munkhbayar Dorjsuren (16.). Wie schon im LP-Finale, so konnten sich auch hier die Schützinnen aus Ostasien im Finale nicht nach vorne durchkämpfen. Eine Statistik über die verwendeten Pistolenmodelle ist hier zu finden. Im Mannschaftswettkampf kam Rußland auf Platz 1, gefolgt von Serbien und Tschechien.



Für Arunovic war es - nach dem Weltmeistertitel mit der LP - bereits die zweite Einzelmedaille dieser WM. Und wie sie sich gefreut hat - einfach schön. :-) Unter den Schützinnen scheint ohnehin ein sehr freundlicher, zum Teil herzlicher Umgang miteinander üblich zu sein. Der heutige Sieg war für Klimowa zugleich der Höhepunkt ihrer bisherigen Sportlaufbahn. Im anschließenden Interview sagt die sympathische junge Frau, sie habe sehr viel trainiert und den Kampf dann bis zum Ende durchgehalten. Die Kurzwaffenschützen aus Rußland waren bei dieser WM sehr stark, doch auch die Leistungen anderer Mannschaften wie denen aus Serbien, Belarus, der Ukraine und Tschechien sind beeindruckend. Dahinter stehen die der deutschen Teilnehmer leider zurück, obwohl in manchen ausländischen Foren von München als dem "Mekka des Sportschießens" gesprochen wird und man von der WM-Organisation begeistert ist.



Im gestern ausgetragenen 300-m-Liegendkampf der Frauen zeigten sich erneut die Schweizerinnen, Skandinavierinnen und Französinnen ganz stark. Gold ging an Bettina Bucher aus der Eidgenossenschaft, die mit 599 Ringen den Weltrekord egalisiert hat. Beste deutsche Teilnehmerin war Eva Friedel (8.). In der Mannschaftswertung gewann Frankreich Gold, Deutschland Silber und Polen Bronze.



Nebenbei: In den 50 m-Disziplinen der laufenden Scheibe wird in der Tat auf Tierscheiben geschossen (siehe hier). Ich finde es ja gut, doch dachte ich bisher, dergleichen sei im DSB mit ewigen Höllenstrafen bedroht. ;-)



Neben der Fa. Walther haben mittlerweile auch Anschütz und Feinwerkbau Übersichten erstellt, die darüber Auskunft geben, welche Erfolge mit ihren Produkten auf der WM errungen worden sind.





Verwandte Beiträge:
Heute beginnt die Weltmeisterschaft
Erste WM-Eindrücke
WM-Eindrücke II
WM-Eindrücke III
WM-Eindrücke IV
WM-Eindrücke VI
Rückblende: Die Schützen-WM 1954

Fotos: ISSF, www.shooting-russia.ru.

Mittwoch, 4. August 2010

WM-Eindrücke II


Gestern hatte ich noch geschrieben, daß bei der ISSF-WM in München bisher sowohl für die deutschen als auch für die russischen Schützen die großen Einzelerfolge ausgeblieben sind. Das hat sich im Laufe des gestrigen Tages zumindest für Rußland geändert. Bereits mittags gewann Dmitrij Romanow im Schießen mit dem Luftgewehr auf die Laufende Scheibe den Weltmeistertitel vor Zhai Yuija (China) und Krister Holmberg (Finnland). In der ISSF-Pressemitteilung heißt es dazu:
"[...]

Romanov, 23, from Moscow, the current European Champion in this event, made it to the Medal Match with a qualification score of 577 points (289 points scored in the “slow run” qualification series, where the target runs in five seconds, plus 288 points in the “fast run”, where the target runs through the same distance twice as fast, in 2.5 seconds).

Competing in the medal match, the young shooter won the first round against People’s Republic of Korea by 6 to 3 points, proceeding to the Gold match where he then outdid China’s Zhai Yuija 6 to 4 points, ecuring the brightest medal.

In spite of being one of the younger competitors on the international scene (Romanov just turned 23, and started shooting in 2000), the Russian athlete had already won four World Championship titles, three as a Junior shooter in 2002 and 2006, and one in the open category at the 2009 World Championship held in Heinola (FIN), as well as several European titles (he led both the 10m Running Target events at the last Europeans of Meraker).

[...]"
In der Mannschaftswertung haben die drei an dieser interessanten Disziplin teilnehmenden russischen Schützen ebenfalls Gold geholt (2. - China, 3. - Ukraine, 9. - Deutschland). Schade, daß die Laufende Scheibe 2004 aus dem olympischen Programm gestrichen wurde.



Am Dienstagnachmittag schien sich die Pechsträne der russischen Sportler fortzusetzen. Im Finale der besten acht Luftpistolen-Schützen der Welt kam Sergej Tscherwjakoswkij mit 685,5 Ringen nur auf Platz 4 und verfehlte damit eine Medaille. Gewonnen hat der Japaner Matsuda Tomoyuki (689,4), der schon am Sonntag mit der Freien Pistole Gold errungen hatte. In der LP-Mannschaftswertung gewann Rußland jedoch Gold vor Serbien und Südkorea.

Für die Liebhaber von Statistiken hat Igor Ruljow wieder ein Diagramm erstellt. Diesmal ging es um die Frage, welche Luftpistolenmodelle bei der WM von den Männern geschossen wurden.



Ebenfalls am Nachmittag konnten sich die Juniorinnen aus der RF zwei Medaillen mit der KK-Sportpistole sichern. Die zwanzigjährige Olga Kaweschnikowa (geb. Nikulina) gewann Gold (578 Ringe), ihre zwei Jahre jüngere Mannschaftskameradin Jekaterina Lewina Bronze (575). Silber ging an die Ungarin Sara Babicz (577); zwei deutsche Starterinnen - Carina Windhorst und Magdalena Wolf - kamen auf die Plätze 6 und 10. In derselben Disziplin konnten die russischen Juniorinnen auch die Mannschaftswertung vor Südkorea und China für sich entscheiden.

Diese beiden Bilder zeigen die Siegerin Kaweschnikowa, die bei der ISSF noch immer unter ihrem Geburtsnamen Nikulina geführt wird. (Man beachte bitte ihre Fingernägel. Ein Petersburger Freund hat mir einmal gesagt, daß in Rußland keine Frau auch nur den Müll runterbringe, ohne sich vorher zurechtgemacht zu haben. ;-) Wie viel mehr trifft diese Weisheit auf eine Weltmeisterschaft zu! Aber ich will nicht lästern, es hat der jungen Dame Gold gebracht. :-) Sie schießt besser, als ich es je schaffen werde. ;-))



Diese kleine russische Erfolgsserie konnte am Dienstagabend von Alexej Alipow im Trapschießen fortgesetzt werden. Nach einem spannenden Stechen mit dem aus der tschechischen Waffenstadt Brünn stammenden Jiri Liptak gewann Alipow Silber. Die Goldmedaille ging an den spanischen Topschützen Alberto Fernandez.



Bisher hatte ich die ISSF-Veranstaltungen nur sehr kursorisch verfolgt, doch mich hat ein wenig überrascht, wie stark manche Staaten im Sportschießen sind. In Ostasien nicht nur die VR China, sondern auch Nord- und Südkorea sowie Japan; in Europa vor allem Serbien, Italien und die Slowakei. So waren beispielsweise gestern unter den acht Schützen im LP-Finale zwei Serben: Andrija Zlatic (Silber mit 689,2) und Damir Mikec (8.). Es freut mich, daß dieses Land, das sich seit 20 Jahren in schwierigen politischen Verhältnissen befindet, wenigstens sportlich auf Weltniveau liegt. Auch polnische und kroatische Schützen zeigen z.T. sehr gute Leistungen, wenn man etwa an Tomasz Palamarz, den neuen Juniorenweltmeister mit der Freien Pistole, denkt.

Über die Nachfolgestaaten der Sowjetunion hatte ich gestern schon ein wenig geschrieben. Diese WM zeigt, daß sich die Ukraine, Kasachstan, Rußland und Belarus allesamt zu relativ starken Schießsportnationen entwickelt haben, insbesondere im Juniorenbereich.



Von Ausländern, die in Hochbrück anwesend sind, hört und liest man immer wieder Worte der Begeisterung. Die WM sei das größte und beste Ereignis in der Geschichte des internationalen Schießsports und es sei erfreulich, daß so viele Zuschauer auf die Anlage kommen. Genau dieser schöne Sport, zu dem sich allein in Bayern eine halbe Million Menschen bekennt, soll durch den seit über einem Jahr laufenden Kreuzzug der Waffengegner beseitigt werden. Ich hoffe, daß diese Weltmeisterschaft keine Abschiedsvorstellung für das deutsche Schützenwesen ist.

Die Gefahren, die unserem Sport drohen, macht ein Blick auf das britische Waffenrecht deutlich. Damit muß ich noch einmal auf die Rede von IOC-Chef Jacques Rogge zurückkommen, die er am 30. Juli bei der WM-Eröffnung auf dem Münchener Marienplatz gehalten hat. Darin heißt es mit Bezug auf die Olympischen Sommerspiele 2012 in London:
"[...]

I think that the 2012 shooting venue it is going to be state of the art, as well as a very sustainable range!

[...]"
Man fragt sich schon, ob in diesem Satz Ironie versteckt ist oder ob er das ernst meint mit der Umweltverträglichkeit. Zur Erinnerung: Es war lange Zeit nicht sicher, ob bei der nächsten Olympiade überhaupt Pistolendisziplinen außer der LP geschossen werden können. Nachdem dieses waffenrechtliche Problem endlich geklärt wurde - sogar eine Handvoll englischer Schützen hat Ausnahmegenehmigungen für die sonst verbotenen Kurzwaffen erhalten -, gab es immer noch Querelen um den Austragungsort. Statt im traditionsreichen Bisley finden die Schießwettbewerbe 2012 in einer Londoner Kaserne statt. Die Schießstände werden dafür komplett neu errichtet - und nach Ende der Spiele sollen sie möglichst rückstandslos wieder beseitigt werden.

Dieser Vorgang ist ein Symbol für den Umgang mit dem Schießsport in modernen (oder besser: dekadenten) "westlichen" Gesellschaften. Wenn er Medaillen und (politischen) Ruhm verspricht, dann nimmt man ihn mehr oder minder notgedrungen kurzfristig hin. Ansonsten möchte man den Sport, die Waffen und am liebsten auch ihre Eigentümer möglichst restlos entsorgen. Hier schließt sich der Kreis, nicht nur hinsichtlich der Ideologie, sondern auch der Terminologie, sind doch viele Waffengegner zugleich Öko-Fanatiker.



Verwandte Beiträge:
Heute beginnt die Weltmeisterschaft
Erste WM-Eindrücke
WM-Eindrücke III
WM-Eindrücke IV
WM-Eindrücke V
WM-Eindrücke VI
Rückblende: Die Schützen-WM 1954

Fotos: ISSF, www.shooting-russia.ru.

Freitag, 23. Oktober 2009

Ostalgie ;-)


Es gehört zu den positiveren Hinterlassenschaften der DDR an das geeinte Deutschland, daß in ihr - gewissermaßen zwangsläufig - die Beschäftigung mit osteuropäischer Kunst und Literatur besonders gefördert wurde. So wurden etwa unzählige Bücher aus der Sowjetunion und anderen Mitgliedsstaaten von Warschauer Vertrag und RGW ins Deutsche übersetzt. Wie es sich gehört, waren darunter auch zahlreiche Berichte über den Zweiten Weltkrieg. Der Militärverlag hat solche u.a. in einer losen Reihe herausgebracht, wobei allein das Layout ein verbindendes Element darstellt (siehe Bilder). In ostdeutschen Antiquariaten sind diese Bücher meist zahlreich vertreten und preiswert erhältlich.

Mit der Auswahl sollte man jedoch vorsichtig sein. Denn einige dieser Schriften, insbesondere, wenn sie aus der SU stammen, sind schwer verdaulich. Entstanden noch vor Glasnost und Perestroika, war es für die sowjetischen Autoren nach wie vor selbstverständlich, die führende Rolle der Kommunistischen Partei zu betonen und in ideologischen Phrasen zu schwelgen. Selbst der große Heerführer Georgij Schukow, dessen zweibändige Memoiren mit dem einfallslosen deutschen Titel "Erinnerungen und Gedanken" (frei nach Bismarck ;-)) die bekanntesten in der hier vorzustellenden Reihe sind, ist (leider) nicht frei davon. So bleibt etwa der Bericht über die Schlacht von Chalchin Gol sehr abstrakt, kommt aber ohne den obligatorischen Kotau vor der Partei nicht aus.

Zwei weitere sowjetische Titel, die m.E. zu den lesenswerteren zählen, sind Viktor N. Leonow: "Auf Vorposten am Nordmeer" und Marina P. Tschetschnewa: "Der Himmel bleibt unser". Leonow berichtet von seinen Einsätzen als Aufklärer der Marineinfanterie an der Front vor Murmansk, in Norwegen und - 1945 - in Korea. Tschetschnewa war Pilotin in einem (nur aus Soldatinnen bestehenden) Nachtbomberregiment (vgl. auch hier und hier). Sie schildert ausführlich ihren Werdegang von den 1930er Jahren bis in die 50er Jahre hinein.



Meine persönlichen Favoriten stammen allerdings nicht aus der UdSSR, sondern aus Ungarn und Bulgarien: erstens Sandor Rado: "Dora meldet" und zweitens Elena u. Dobri Dshurow: "Operationsbasis Murgasch - Partisanen in den Wäldern des Balkans".
Beide Bücher sind spannend geschrieben und lesen sich wie Agentenromane, nur daß ihr Inhalt großteils der Realität entsprechen dürfte. Rado war als Agent des sowjetischen Militärnachrichtendienstes in der Schweiz eingesetzt und u.a. für die Gruppe "Rote Kapelle" zuständig. Sein Leben hat mich schon als Schüler fasziniert, beschreibt er doch, wie er - als überzeugter Kommunist! - in der Schweiz zu einem erfolgreichen Geschäftsmann geworden ist. ;-)
Die Dshurows schreiben ebenfalls eine sehr anschauliche Lebensgeschichte. Vom Leben im Bulgarien der Zwischenkriegszeit, vom Beginn ihrer politischen Tätigkeit, dann dem Weg in den Untergrund und dem zwiespältigen Leben als Partisan.

Das besondere an beiden Titeln ist, daß ihre Autoren zugeben, ein eigenes Leben jenseits der Kommunistischen Partei zu führen. Sie hatten natürlich auch persönliche Gedanken, Ideen und Emotionen - und teilen diese ihren Lesern mit. Das macht die Bücher lebensnah und authentisch, denn viele sowjetische Autoren haben ja so getan, als sei das Aufgehen des Einzelnen in der Gemeinschaft das höchste der Gefühle und haben ihre Schriften dementsprechend mit den üblichen ideologischen Phrasen verunstaltet. Doch in Ungarn und Bulgarien war man insofern wohl schon immer etwas anders. Natürlich waren auch Rado und die Dshurows Kommunisten, allerdings keineswegs in jenem doktrinären Sinn der späten Sowjetunion. Das macht ihre Autobiographien auch heute noch in zweifacher Hinsicht interessant: einmal als Berichte über den 2. WK, zum anderen als Dokumente über den Zeitgeist während der kommunistischen Ära in Osteuropa.


Verwandte Beiträge:
Zwei sowjetische Frontfotografen ...
Frauen in der Roten Armee
Iwans Krieg
Vier Panzersoldaten und ein Hund

Sonntag, 7. Juni 2009

07.06.2009: Videos des Tages

In den heutigen Videos erläutert ein amerikanischer Sammler die Makarow-Pistole.










Verwandte Beiträge:
Das Kaliber 9 mm Makarow
11.03.2009: Video des Tages
07.02.2009: Videos des Tages
03.05.2009: Videos des Tages
Abschied von der Kalaschnikow?