Freitag, 6. August 2010

WM-Eindrücke III


Die ISSF-Weltmeisterschaft in München ist in ihre zweite Phase eingetreten, in der verstärkt die nicht-olympischen Schießdisziplinen ausgetragen werden. Damit wird es auch um die Berichterstattung etwas ruhiger werden. ISSF TV möchte von diesen Wettbewerben immerhin Video-Zusammenfassungen produzieren.
Zur WM-Halbzeit hat die ISSF gestern mittag einen vorläufigen Medaillenspiegel veröffentlicht. Sonach sieht die Bilanz für Rußland (Platz 2 mit 6 Gold, 4 Silber, 6 Bronze) und, mit ein paar Abstrichen, auch für Deutschland (Platz 6 mit 2 G., 3 S., 2 B.) gar nicht so schlecht aus. Die Chinesen sind natürlich nicht zu schlagen, oder, wie es vorgestern ein Amerikaner formuliert hat: Der chinesische Schießsportverband ist der stärkste der Welt.



Ein Exempel dafür bot am Mittwoch das Medal Match der Frauen in der Disziplin Laufende Scheibe. Gold und Silber gingen an zwei relativ junge Chinesinnen, während Irina Ismalkowa aus Rußland nur auf Platz 3 kam - obwohl sie älter war und das Schießen auf die Laufende Scheibe ältere Teilnehmer begünstigen soll, da diese geduldiger seien. ;-) Die beste deutsche Starterin Anne Weigel kam auf Platz 8, die in Rußland sehr erfolgreiche Julia Ejdenson auf Rang 7.
Wenn man die Ergebnistabelle vom Juniorinnenwettbewerb in derselben Disziplin betrachtet, so ist es kaum übertrieben, von einer ukrainischen Dominanz zu sprechen, allerdings waren dort keine Schützinnen aus China am Start. In der Mannschaftswertung gewannen die Ukrainerinnen Gold, die deutschen Damen Silber und die russischen kamen auf Platz 3.



Das Highlight des Mittwochs war ohne Zweifel das Finale der Männer im Dreistellungskampf mit dem KK-Gewehr. Es war spannend, doch am Ende konnte Peter Sidi aus Ungarn trotz eines technischen Problems den Weltmeistertitel und damit nach der silbernen mit dem LG seine zweite Medaille bei dieser WM erringen (1275,6 Ringe). Silber ging an Jinseop Han (Südkorea) und Bronze an Nemanja Mirosavljev aus Serbien; Konstantin Prichodtschenko (Rußland) kam "nur" auf Platz 4; bester Deutscher war Maik Eckhardt (14.).
Sidi ist m.E. der stärkste Gewehrschütze dieser WM; heute tritt er schon wieder an, diesmal im Liegendkampf auf 300 m mit dem GK-Freigewehr. Er macht - ebenso wie der KK-Liegendweltmeister Sergej Martinow - einen sehr sympathischen Eindruck. Vielleicht könnte man beide als Aushängeschilde für unseren Sport verwenden, sind sie doch - wie 99,99 % aller WM-Teilnehmer - das Gegenteil jenes Menschenschlages, als der wir Schützen und Waffenbesitzer oft dargestellt werden.
Ein wenig verwundert hat mich in den Gewehrdisziplinen das nicht besonders gute Abschneiden von Matthew Emmons aus den USA. Woran dies wohl liegen mag?



Bei den Juniorinnen mit der Luftpistole waren gestern die Starter aus Asien wieder führend; Gold ging mit 382 Ringen an Tsagaandalai Khongorzul aus der Mongolei, die schlechteste Schützin (Elvira Teberga) kam auf 343. Olga Kaweschnikowa (geb. Nikulina), die mit der KK-Sportpistole Gold gewonnen hatte, wurde mit 367 Ringen nur 41. Beste Russin im Wettkampf war Swetlana Medwedewa (28.), beste Deutsche Carolin Schiller (42.).
Immerhin konnten die jungen Polinnen in der Mannschaftswertung Bronze erringen. Im übrigen scheint das Pistolenschießen den Mongolen gut zu liegen, man denke nur an die mittlerweile eingedeutschte Schützin Munkhbayar Dorjsuren. ;-)



Im Doppeltrap der Männer kam es zu einigen Überraschungen. Wassilij Mosin aus Rußland hatte den Vorkampf als Erster abgeschlossen und dabei den Weltrekord egalisiert (147 Treffer - von 150). Im Finale mußte der Arzt aus Kasan dann allerdings dem Amerikaner Joshua Richmond den Vortritt lassen, der mit 50 von 50 Treffern den Finalweltrekord egalisierte (insgesamt 196 Treffer). Sodann kam es zum Stechen um Platz 2 zwischen Mosin und dem Chinesen Binyuan Hu, das Mosin erst nach 30 Schuß für sich entscheiden konnte.
Mosin konnte damit (nach Alexej Alipow im Trap) die zweite WM-Medaille für die Rußländische Schützenunion in den Flintendisziplinen gewinnen.
Noch kurz zu den Mannschaftswertungen: Im Doppeltrap der Männer siegte das Team der USA vor Rußland und Großbritannien, die deutsche Mannschaft kam auf Platz 10. Bei den Junioren war die Rang- und Medaillenfolge Rußland, Italien, USA.



Was gibt es sonst noch zu berichten? Im am Mittwoch ausgetragenen Juniorenwettbewerb mit der KK-Sportpistole hat Alexander Alifirenko (Rußland) Bronze geholt, bester Deutscher war Andreas Heise (8.). Im (nicht übertragenen) Wettkampf Laufende Scheibe Mixed der Frauen am Donnerstag gingen alle Einzelmedaillen nach China; in der Mannschaftswertung kam Rußland nach China auf den Silberrang, Bronze holten die ukrainischen Schützinnen und die deutschen wurden vierte.



Die Frage, mit welchen Waffen bei der WM die Siege errungen wurden, treibt offenbar viele Schützen um. Es ist nicht einfach, Informationen darüber zu erhalten. Immerhin hat Igor Ruljow für einige Kurzwaffendisziplinen statistische Übersichten erstellt. Die Firma Walther hat auf ihrer Webseite die mit Walther-Waffen erzielten Erfolge aufgelistet. Außerdem finden sich dort Bilder und Berichte ebenso wie Videos (Youtube) von der WM.



Aprospos Waffe. Auf der WM wurden nicht nur die neuen LG- und LP-Modelle von Walther vorgestellt, sondern auch die neue KK-Sportpistole SP-08 (auch bekannt als SP 22 oder SP 1). Maßgeblich entwickelt wurde sie von Jefim Chajdurow, auf den Weg gebracht von der Firma Demjan aus Moskau, die eigens dafür eine Tochter in Österreich gegründet hat. Nunmehr ist auch der bekannte österreichische Waffenkonstrukteur und Geschäftsmann Gerd-Carlo Männel in das Projekt eingestiegen. Ich bin gespannt, wie sich das fertige Produkt schlagen und vor allem wann es auf den Markt kommen wird.



Abschließend noch eine etwas tiefsinnigere Anmerkung: Bei den Gewehrwettbewerben ist mir bei einigen (nicht allen!) Schützen aus Rußland aufgefallen, daß sie ihr Gewehr in den kurzen Pausen zwischen den Schüssen nicht auf dem Ständer ablegen, sondern lieber festhalten. Das ist m.E. aus psychologischer Sicht interessant (sofern man keine Vulgärpsychologie betreibt und in jeder Waffe einen Penisersatz sieht). Haben diejenigen, die ihr Gewehr ablegen, ein distanzierteres Verhältnis zu ihrer Waffe?
Ähnlich auch, wenn man die Übertragungen bzw. Videoaufzeichnungen der Finals ansieht. Manche Schützen legen ihre Waffe sofort weg oder bekommen sie weggenommen, andere halten sie hingegen siegesbewußt in die Höhe oder küssen sie sogar, während ins Publikum gelächelt wird und selbiges applaudiert. Es ist überhaupt schön zu sehen, daß sich das Schießen immer mehr zu einem zuschauerfreundlichen Sport entwickelt hat. Und wie jeder Sport, so braucht auch das Schießen seine Rituale.



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Fotos: ISSF, www.shooting-russia.ru.
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