Die ISSF-Weltmeisterschaft in München ist in ihre zweite Phase eingetreten, in der verstärkt die nicht-olympischen Schießdisziplinen ausgetragen werden. Damit wird es auch um die Berichterstattung etwas ruhiger werden.
ISSF TV möchte von diesen Wettbewerben immerhin Video-Zusammenfassungen produzieren.
Zur WM-Halbzeit hat die ISSF gestern mittag einen
vorläufigen Medaillenspiegel veröffentlicht. Sonach sieht die Bilanz für Rußland (Platz 2 mit 6 Gold, 4 Silber, 6 Bronze) und, mit ein paar Abstrichen, auch für Deutschland (Platz 6 mit 2 G., 3 S., 2 B.) gar nicht so schlecht aus. Die Chinesen sind natürlich nicht zu schlagen, oder, wie es vorgestern ein Amerikaner formuliert hat: Der chinesische Schießsportverband ist der stärkste der Welt.
Ein Exempel dafür bot am Mittwoch das
Medal Match der Frauen in der Disziplin
Laufende Scheibe. Gold und Silber gingen an zwei relativ junge
Chinesinnen, während
Irina Ismalkowa aus Rußland nur auf Platz 3 kam - obwohl sie älter war und das Schießen auf die Laufende Scheibe ältere Teilnehmer begünstigen soll, da diese geduldiger seien. ;-) Die beste deutsche Starterin
Anne Weigel kam auf Platz 8, die in Rußland sehr erfolgreiche
Julia Ejdenson auf Rang 7.
Wenn man die
Ergebnistabelle vom Juniorinnenwettbewerb in derselben Disziplin betrachtet, so ist es kaum übertrieben, von einer ukrainischen Dominanz zu sprechen, allerdings waren dort keine Schützinnen aus China am Start. In der
Mannschaftswertung gewannen die Ukrainerinnen Gold, die deutschen Damen Silber und die russischen kamen auf Platz 3.
Das Highlight des Mittwochs war ohne Zweifel das
Finale der Männer im
Dreistellungskampf mit dem KK-Gewehr. Es
war spannend, doch am Ende konnte
Peter Sidi aus Ungarn trotz eines
technischen Problems den Weltmeistertitel und damit nach der silbernen mit dem LG seine zweite Medaille bei dieser WM erringen (1275,6 Ringe). Silber ging an
Jinseop Han (Südkorea) und Bronze an
Nemanja Mirosavljev aus Serbien;
Konstantin Prichodtschenko (Rußland) kam "nur" auf Platz 4; bester Deutscher war
Maik Eckhardt (14.).
Sidi ist m.E. der stärkste Gewehrschütze dieser WM; heute tritt er
schon wieder an, diesmal im
Liegendkampf auf 300 m mit dem GK-Freigewehr. Er macht - ebenso wie der KK-Liegendweltmeister
Sergej Martinow - einen sehr sympathischen Eindruck. Vielleicht könnte man beide als Aushängeschilde für unseren Sport verwenden, sind sie doch - wie 99,99 % aller WM-Teilnehmer - das Gegenteil jenes Menschenschlages, als der wir Schützen und Waffenbesitzer oft dargestellt werden.
Ein wenig verwundert hat mich in den Gewehrdisziplinen das nicht besonders gute Abschneiden von
Matthew Emmons aus den USA. Woran dies wohl liegen mag?
Bei den
Juniorinnen mit der
Luftpistole waren gestern die Starter aus Asien wieder führend; Gold ging mit 382 Ringen an
Tsagaandalai Khongorzul aus der Mongolei, die schlechteste Schützin (
Elvira Teberga) kam auf 343.
Olga Kaweschnikowa (geb. Nikulina), die mit der KK-Sportpistole
Gold gewonnen hatte, wurde mit 367 Ringen nur 41. Beste Russin im Wettkampf war
Swetlana Medwedewa (28.), beste Deutsche
Carolin Schiller (42.).
Immerhin konnten die jungen Polinnen in der
Mannschaftswertung Bronze erringen. Im übrigen scheint das Pistolenschießen den Mongolen gut zu liegen, man denke nur an die mittlerweile eingedeutschte Schützin
Munkhbayar Dorjsuren. ;-)
Im
Doppeltrap der Männer kam es zu einigen Überraschungen.
Wassilij Mosin aus Rußland hatte den
Vorkampf als Erster abgeschlossen und dabei den Weltrekord egalisiert (147 Treffer - von 150). Im
Finale mußte der Arzt aus Kasan dann allerdings dem Amerikaner
Joshua Richmond den Vortritt lassen, der mit 50 von 50 Treffern den Finalweltrekord egalisierte (insgesamt 196 Treffer). Sodann kam es zum Stechen um Platz 2 zwischen Mosin und dem Chinesen
Binyuan Hu, das Mosin erst nach 30 Schuß für sich entscheiden konnte.
Mosin konnte damit (nach
Alexej Alipow im Trap) die zweite WM-Medaille für die Rußländische Schützenunion in den Flintendisziplinen gewinnen.
Noch kurz zu den Mannschaftswertungen: Im Doppeltrap der
Männer siegte das Team der USA vor Rußland und Großbritannien, die deutsche Mannschaft kam auf Platz 10. Bei den
Junioren war die Rang- und Medaillenfolge Rußland, Italien, USA.
Was gibt es sonst noch zu berichten? Im am Mittwoch ausgetragenen
Juniorenwettbewerb mit der
KK-Sportpistole hat
Alexander Alifirenko (Rußland) Bronze geholt, bester Deutscher war
Andreas Heise (8.). Im (nicht übertragenen) Wettkampf
Laufende Scheibe Mixed der Frauen am Donnerstag gingen alle
Einzelmedaillen nach China; in der
Mannschaftswertung kam Rußland nach China auf den Silberrang, Bronze holten die ukrainischen Schützinnen und die deutschen wurden vierte.
Die Frage, mit welchen Waffen bei der WM die Siege errungen wurden, treibt offenbar viele Schützen um. Es ist nicht einfach, Informationen darüber zu erhalten. Immerhin hat Igor Ruljow für einige Kurzwaffendisziplinen statistische Übersichten erstellt. Die Firma Walther hat
auf ihrer Webseite die mit Walther-Waffen erzielten Erfolge aufgelistet. Außerdem finden sich dort
Bilder und Berichte ebenso wie
Videos (Youtube) von der WM.
Aprospos Waffe. Auf der WM wurden nicht nur die neuen LG- und LP-Modelle von Walther vorgestellt, sondern auch die neue KK-Sportpistole
SP-08 (auch bekannt als SP 22 oder SP 1). Maßgeblich entwickelt wurde sie von
Jefim Chajdurow, auf den Weg gebracht von der Firma
Demjan aus Moskau, die eigens dafür eine Tochter in Österreich gegründet hat. Nunmehr ist auch der bekannte österreichische Waffenkonstrukteur und Geschäftsmann
Gerd-Carlo Männel in das Projekt eingestiegen. Ich bin gespannt, wie sich das fertige Produkt schlagen und vor allem wann es auf den Markt kommen wird.
Abschließend noch eine etwas tiefsinnigere Anmerkung: Bei den Gewehrwettbewerben ist mir bei einigen (nicht allen!) Schützen aus Rußland aufgefallen, daß sie ihr Gewehr in den kurzen Pausen zwischen den Schüssen nicht auf dem Ständer ablegen, sondern
lieber festhalten. Das ist m.E. aus psychologischer Sicht interessant (sofern man keine Vulgärpsychologie betreibt und in jeder Waffe einen Penisersatz sieht). Haben diejenigen, die ihr Gewehr ablegen, ein distanzierteres Verhältnis zu ihrer Waffe?
Ähnlich auch, wenn man die Übertragungen bzw. Videoaufzeichnungen der Finals ansieht. Manche Schützen legen ihre Waffe sofort weg oder bekommen sie weggenommen, andere halten sie hingegen siegesbewußt in die Höhe oder
küssen sie sogar, während ins Publikum gelächelt wird und selbiges applaudiert. Es ist überhaupt schön zu sehen, daß sich das Schießen immer mehr zu einem zuschauerfreundlichen Sport entwickelt hat. Und wie jeder Sport, so braucht auch das Schießen seine Rituale.
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