Donnerstag, 19. August 2010

Boykottiert Anschütz!


Seit Dienstagabend tobt ein Sturm durch die deutschen Waffenforen. Durch das Öffentlichwerden eines bisher noch vertraulichen Prospektes wurde die Zusammenarbeit des rennomierten Sport- und Jagdgewehrherstellers Anschütz mit der berühmt-berüchtigten Sicherungsfirma Armatix bekannt. Anschütz arbeitet an sog. "smart guns", also Schußwaffen, die über eine elektronische Sicherung verfügen sollen. Nachdem es erste Vermutungen gab, es könnte sich um eine Fälschung handeln, hat Anschütz am Mittwochnachmittag das ganze mit folgender E-Mail, die auch ich erhalten habe, bestätigt:
"Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beziehen uns auf Ihre E-Mail und Anfrage zu unserem Projekt "Biathlon-Sportgewehr mit integriertem armatix Target Control" System. Wir freuen uns, dass Sie Ihre Anfrage direkt an uns gerichtet haben, um Näheres direkt aus erster Hand von ANSCHÜTZ zu erfahren. Gern geben wir Ihnen hierzu weitere Hintergrundinformationen.

Verbandsseitig sind Überlegungen aufgekommen, wie zum Beispiel der Biathlonschiesssport noch sicherer gemacht werden kann. Von verschiedenen Seiten wird zum Beispiel auch der Einsatz von ungefährlichen Laser-"Waffen" untersucht und getestet. Unter anderem sind uns diese neuen Entwicklungen natürlich auch bekannt geworden. Auch die Entwicklungen im modernen Fünfkampf (Laserpistole anstatt Luftpistole) sind uns bekannt.

Parallel dazu ist die Firma armatix auf uns zugekommen. Nach langen Gesprächen wurde letztendlich ein Versuchsprojekt aufgesetzt, die armatix Target Control Technik in ein Biathlongewehr einzubauen und die Funktionsweise zu testen.

Während der ISSF Weltmeisterschaft in Sportschießen 2010 in München haben wir als auch die Firma armatix ein Biathlongewehrmuster mit dieser Technologie vorgestellt. In diesen Zusammenhang gab es viel positives Feedback, insbesondere auch von Seiten verschiedener Verbandsfunktionäre auf nationaler und internationaler Ebene.

Wir sehen diese Technologie als einen möglichen Schritt, das Sportschießen für Kinder und Jugendliche im Anfängerbereich sicherer zu machen und im Zusammenhang mit dieser Technologie die eventuelle Möglichkeit der schrittweisen Aufhebung der Altersbegrenzung nach unten zu realisieren. Das würde bedeuten, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland vielleicht wieder ab 10 Jahren mit einer Kleinkaliberwaffe schießen können. Das zu erreichen, wäre ein schönes Ziel! Ich bin der Meinung, dass heutzutage aktiv verschiedene Wege gegangen werden müssen, um der Schrumpfung unseres Marktes eventuell entgegenwirken zu können. Diese Entwicklung und die immer stärkeren rechtlichen Beschränkungen verfolge ich mit Sorge.

Natürlich ist dieses Ziel ein langer und mühsamer Weg, bei dem es die Hilfe und die Zusammenarbeit aller bedarf: Mit uns als Industrie und Hersteller, mit Verbänden wie Jägern und Sportschützen und vor allen Dingen auch mit der Presse und den Medien.

Es ist eigentlich wie in jeder Sportart: Je früher ich als Kind mit der jeweiligen Disziplin beginne, umso besser bin ich im Junioren- und Erwachsenenalter. Das bedeutet, dass wir auch in den nächsten Jahren noch Sieger im Sportschießen und Biathlon bei Europa-, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen stellen können.

Weiter haben wir mit diesem System ein Argument gegenüber Eltern, Waffengegnern und -kritikern, die auf Grund von Ängsten vor den Gefahren, welche angeblich mit dem Sportschießen und dem Privatbesitz von Waffen verbunden sind, diese zu nehmen.

Es ist nicht unser Ziel, alle Waffen mit diesen armatix System auszurüsten. Es soll rein als Alternative oder Option für das Anfängerschießen im Kinder- und Jugendbereich gelten und damit einen erhöhten Grad der Sicherheit schaffen. Mit dem auf der WM in München gezeigten Prototyp und der daraus resultierenden Informationsbroschüre wollten wir die erste Resonanz vor internationalem Publikum, Brachenkennern und Schützen einholen und die war sehr positiv.

Die Informationen in der auf der WM ausgelegten Broschüre und der darin enthaltene und dargestellte Jagdbereich sind bisher nur eine Idee, die als Grundlage für Diskussionen dienen sollte. Eine offizielle Broschüre als PDF-Datei wurde von uns bisher noch nicht veröffentlicht !!!

In diesem Sinne bedanken wir uns auch bei Ihnen über Ihre Stellungnahme. Ihre Meinung, egal ob positiv oder negativ, ist uns auch wichtig. Gerne nehmen wir Ihre Wünsche, Bedenken, Ideen und Meinungen auf, um bei zukünftigen Projekten sowie Weiterentwicklungen diese einfließen zu lassen.

Sie wissen, wie sehr der Privatbesitz von Waffen hier in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern des Weltmarktes in der Kritik steht. Viele nationale und internationale Hersteller der Branche und Sportverbände suchen daher nach Alternativen und Technologien, die den Kritikern Gegenargumente liefern. Und ich denke, mit der Target Control haben wir eventuell eine solche Alternative, um weiterhin mit "scharfen Waffen" schießen zu dürfen.

Die Sportveranstaltung "Biathlon auf Schalke" wird das nächste Mal wahrscheinlich schon mit Laserwaffen ausgetragen werden...... Diese kommen nicht aus dem Hause ANSCHÜTZ.

Freundliche Grüße aus Ulm

J.G. ANSCHUTZ GmbH & Co. KG

Jochen Anschütz
Geschäftsführer"
Damit sind sämtliche Zweifel an der Authentizität der PDF-Datei beseitigt. Der genannte Prospekt kann hier heruntergeladen werden. Bei Waffen-online, Co2air.de und Gun-Forum.de können die Diskussionen darüber nachgelesen werden. Auch werden dort die technischen und politischen Gründe erläutert, weshalb derartige Systeme Unfug sind und nicht die von Jochen Anschütz erhoffte Wirkung entfalten werden. Eine gute Zusammenfassung hat der Schützenverein Roland aus Bad Bramstedt auf seiner Webseite gegeben:
"[...]

Die fadenscheinlichen Begründungen für die Notwendigkeit dieses Systems sollten eigentlich jedem auffallen - z.B.: "Verbandsseitig sind Überlegungen aufgekommen, wie zum Beispiel der Biathlonschiesssport noch sicherer gemacht werden kann." Hä? Biathlon ist unsicher? Wieviele Verletzte oder Tote gab es denn letzte Saison?

Aber auch über den Hinweis auf die Möglichkeit, das Jugendtraining zu unterstützen, kann man eigentlich nur lachen... Was ist denn sicherer? Ein Jugendlicher, der durch eine Aufsichtsperson an den verantwortungsvollen Umgang mit Schusswaffen herangeführt wird oder ein junger Schütze, der daran gewöhnt ist, daß das Ding in seiner Hand sowieso nur funktioniert, wenn irgendeine Elektronik die Waffe freigibt? Was macht dieser Jugendliche denn, wenn er mal sein erstes KK-Gewehr in der Hand hält? Ich mag da gar nicht daran denken....

Eine berechtigte Frage stellte ein User bei Waffen-Online sinngemäß: "Wo war denn Herr Anschütz, als die Altersbeschränkungen für das Jugendtraining beschlossen wurden? Da wäre eine Möglichkeit gewesen, sich als starker Partner für die Interessen der Nachwuchsförderung im Schießsport zu erweisen..."

Angenommen das Waffengesetz würde eine solche Sicherungsfunktion fordern, hätte ich an einem solchen Vorhaben nichts zu meckern, da jede Firma Geld verdienen und seine Stellung am Markt behaupten muss. Aber nichts da! Hier hat eine Firma Geld gewittert und versucht nun - ohne eine Forderung des Gesetzgebers - einen Fuß in die Tür zu bekommen und arbeitet schleichend und vorauseilend gegen seine eigene Kundschaft.

Um es zusammenfassend auf den Punkt zu bringen: Die Firma Anschütz präsentiert uns hier ein Produkt, das die Lösung für ein Problem ist, welches sie selbst ersonnen haben! Dabei scheuen sie nicht davor zurück, mit Firmen zusammenzuarbeiten, die man guten Gewissens als die Totengräber des freiheitlichen und legalen Waffenbesitzes in Deutschland nennen kann.

[...]"
Alsbesonders perfide empfinde ich, daß Anschütz einerseits den Weg für weitere Verschärfungen des Waffenrechts ebnet (vielleicht in der Hoffnung, sich so ein faktisches Monopol zu schaffen?), sich aber andererseits als Retter des Sportschießens ausgibt und von seinen Kunden Respekt verlangt. Vor allem die bisherigen Käufer von Anschütz-Waffen werden ins Gesicht geschlagen, traut ihnen das Ulmer Unternehmen doch offenbar nicht zu, verantwortungsvoll damit umzugehen.

Was ist jetzt zu tun? Da wir in einer Marktwirtschaft leben, sollten Unternehmen - in diesem Fall Anschütz - auf die Signale ihrer Kundschaft reagieren. Und die Kundschaft will von Anschütz nicht für dumm verkauft werden. Deshalb gibt es nur ein Mittel, um das Management von seiner fehlgeleiteten Politik zu überzeugen: ein Boykott. Vom heutigen Tage an soll kein Euro mehr in die Kasse dieser Firma fließen, die die Interessen ihrer Kunden leichtfertig verraten hat. Sollen sie doch von ihren dreißig Silberlingen leben und sich am Jahresende die Folgen ihrer absurden Ideen auf Heller und Pfennig ausrechnen. Kein deutscher Legalwaffenbesitzer, der noch einen Funken Ehre im Leib hat, kann es sich jetzt noch erlauben, mit Anschütz Geschäfte zu machen.

Dieser Boykott soll solange aufrecherhalten werden, bis sich Anschütz vollständig, vorbehaltlos und glaubhaft von jeglicher Kooperation mit Armatix distanziert hat.
Ich halte es jedoch für untunlich, diesen Boykott auf andere Unternehmen, die mit Anschütz zusammenhängen, auszuweiten. So besitzt Anschütz nur 51 % der Anteile von Steyr Sportwaffen in Österreich. Ein Boykott dieser Firma würde also auch andere treffen; zudem wäre es hilfreich, wenn Anschütz seine Umsatzeinbrüche nicht etwa auf eine geringere Gesamtnachfrage nach Sportwaffen zurückführen könnte, sondern auch bilanziell eindeutig wäre, daß nur Anschütz Ulm, nicht jedoch die gesamte Branche, verloren hat.
Nur so ist das Signal wirklich verständlich. Ich habe nämlich den Eindruck, daß Geschäftsführer Jochen Anschütz extrem naiv und unbeholfen ist und so ein deutsches Traditionsunternehmen gegen die Wand fährt. Da barucht es starke Signale, um ihn aus seinen Träumen aufzuwecken und in die deutsche Realität des Jahres 2010 zurückzuholen.

Für geradezu albern halte ich allerdings Ideen, Anschütz-Waffen, die man bereits besitzt, deshalb zu zerstören. Die alten Gewehre können ja nichts für die verfehlte Politik des jetzigen Managements. Es geht nicht um eine allgemeine Abstrafung von Anschütz, sondern um ein ökonomisches Signal an diese Firma, welches lautet: So nicht!

Und falls jetzt jemand Bedenken äußern sollte, daß ein Boykottaufruf unzulässig sei, dem kann ich zwei einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entgegenhalten. In den Fällen Lüth und Blinkfüer wurden diese Fragen hinreichend geklärt. Es bleibt also dabei: Boykottiert Anschütz und kauft dort weder Neuwaffen noch Zubehör! In Deutschland gibt es noch mehr Waffenhersteller, die politisch anders agieren, deren Produkte sich jedoch mit denen von Anschütz messen können.


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Grafik: Bopper.
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