Die am 10. August zu Ende gegangene 50. Weltmeisterschaft der ISSF hat mich zum Nachdenken über die waffenrechtliche Lage des deutschen Schießsports angeregt, befinden wir uns doch seit fast eineinhalb Jahren unter Dauerfeuer von Volksentwaffnern in Politik und Medien. Die deutschen Schützen sind in einer fast schon extrem anmutenden Art und Weise waffenrechtlich reglementiert. Das betrifft nicht nur die strengen Regeln für den Erwerb und Besitz von Schußwaffen, sondern auch für zahllose andere Bereiche des Waffenrechts, die sich oft erst bei näherem Hinsehen erschließen.
Jürgen Kohlheim - Verwaltungsrichter a.D. und Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes - hat dafür in seiner 2009 abgegebenen Stellungnahme vor dem Bundestagsinnenauschuß treffende Worte gefunden, als er ausführte, daß von der vielbeschworenen Autonomie des Sports wegen der starken staatlichen Reglementierung des Schießsports keine Rede mehr sein könne. Nachfolgend möchte ich an drei Komplexen aufzeigen, welchen Schikanen die deutschen Schützen ausgesetzt sind. Ähnliches sucht man in anderen Sportarten (zum Glück noch) vergebens.
Bedürfnisprinzip
In § 8 WaffG ist das Bedürfnisprinzip verankert. Es entfaltet seine Wirkungen jedoch nicht nur hinsichtlich des Erwerbs erlaubnispflichtiger Schußwaffen, sondern reicht weit darüber hinaus. Wer möchte, sollte einmal der Volltext des Waffengesetzes und der Allgemeinen Waffenverordnung nach dem Wort "Bedürfnis" durchsuchen - er wird viele Treffer haben. Das Bedürfnisprinzip ist die Stellschraube im deutschen Waffenrecht, mit der man die Bürger fast grenzenlos schikanieren kann, die jedoch keine sicherheitsrelevanten Wirkungen entfaltet. Diese Aufgabe kommt nämlich den Kriterien der Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und persönlichen Eignung (§ 6 WaffG) zu.
Im folgenden werde ich mich auf eine Konstellation beschränken, nämlich den Transport WBK-pflichtiger Waffen durch Sportschützen. Einschlägig ist hier § 12 III Nr. 2 WaffG:
"Einer Erlaubnis zum Führen von Waffen bedarf nicht, wer [...] diese nicht schussbereit und nicht zugriffsbereit von einem Ort zu einem anderen Ort befördert, sofern der Transport der Waffe zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erfolgt".Auf den ersten Blick hört sich das nicht schlecht an. Die waffe darf weder schuß- noch zugriffsbereit sein - was das ist, wird in der Anlage erklärt und niemand wird etwas gegen diese Bestimmung einzuwenden haben. Doch der Knackpunkt liegt in dem geforderten vom Bedürfnis (vgl. § 8 WaffG) umfaßten Zweck bzw. dem damit bestehenden Zusammenhang.
Das Bedürfnis des Sportschützen ist logischerweise die Ausübung des Schießsports (vgl. § 14 WaffG). In § 15a I 1 WaffG werden wir darüber aufgeklärt, was unter diesem Sport zu verstehen ist:
"Sportliches Schießen liegt dann vor, wenn nach festen Regeln einer genehmigten Sportordnung geschossen wird."Die Schützen und ihre Organisationen dürfen also nicht darüber entscheiden, wie sie ihrem Sport nachgehen wollen, sondern es bedarf zuvor einer vom Bundesverwaltungsamt genehmigten Sportordnung oder einer Ausnahmegenehmigung (vgl. § 5 III AWaffV).
Zur Problematik der Sportordnungen unten mehr, jetzt bleiben wir beim Waffentransport durch Sportschützen. Dieser darf, wie allgemein anerkannt ist, auf dem Weg von und zum Schießstand, Büchsenmacher u.ä. erfolgen. Wie sieht es jedoch mit Schießveranstaltungen im Ausland aus? Dort wird natürlich auch Schießsport betrieben, aber eben nach eigenen Reglements, die weder von der dortigen Obrigkeit noch vom deutschen BVA abgesegnet worden sind.
Bei einer engen und besonders restriktiven Auslegung von § 13 III WaffG handelt es sich dabei nicht um Schießsport! Ergo hätte ein deutscher Schütze, der daran teilnehmen möchte, das Problem, daß er seine Waffe nicht bis zur Grenze transportieren darf. (Ab der Grenze gilt dann anderes Recht.) Tut er es dennoch, würde es sich bei diesem Transport um ein unerlaubtes Führen von Schußwaffen handeln, was gem. § 52 III Nr. 2 lit. a WaffG strafbar ist.
Ähnlich stellt sich die Lage für einen Schützen dar, der im Ausland nicht an einem organisierten Wettkampf teilnehmen will, sondern einfach seine Waffe mit in den Urlaub nehmen möchte, um dort die freie Zeit für ein intensives Training zu nutzen. Schließlich gibt es auch entsprechend spezialisierte Hotels. (Die Rechtsfragen des Grenzübertritts sowie den Europäischen Feuerwaffenpaß lassen wir hier einmal außer Betracht.)
Was will er denn dort trainieren? Wie soll die Beachtung der spezifisch deutschen Sportordnungen im Ausland sichergestellt werden? Auch hier wird der restriktive deutsche Beamte im Zweifelsfall "Halt!" rufen und die Auslandsreise unterbinden, da sie in der geplanten Form keinem vom Bedürfnis des § 8 WaffG umfaßten Zweck diene.
So entfaltet unser WaffG Wirkungen, die über die ganze Welt reichen. Glücklicherweise sind mir derart enge und böswillige Auslegungen bisher nicht bekannt geworden. Doch das könnte sich eines Tages ändern.
Sportordnungen
Kommen wir zu den soeben schon erwähnten Sportordnungen. In § 15a WaffG und, darauf aufbauend, § 5 AWaffV finden sich dazu detaillierte Regelungen. In Deutschland dürfen somit nicht die Sportler oder ihre Verbände bestimmen, wie der Sport betrieben werden soll. Das ist Aufgabe des Staates, auch wenn pro forma von einer Genehmigung der Sportordnung die Rede ist. Wie unsere politische Klasse wirklich denkt, zeigt die Formulierung von § 15a II 2 WaffG:
"Die Genehmigung einer Sportordnung muss im besonderen öffentlichen Interesse liegen."Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber geht davon aus, daß regelmäßig ein öffentliches Interesse daran bestehe, daß kein Schießsport betrieben werden darf. Ergo müssen diejenigen Untertanen, die so frech sind und diesen Sport dennoch ausüben wollen, ein "besonderes öffentliches Interesse" geltend machen, damit die Obrigkeit in ihrer unendlichen Gnade und Güte eine Ausnahme von der Regel macht.
Welche weiteren Auswirkungen haben nun die Sportordnungen? Eine haben wir oben schon behandelt, ein weiterer Fallstrick ist in § 9 I Nr. 2 AWaffV versteckt:
"Auf einer Schießstätte ist [...] das Schießen mit Schusswaffen und Munition auf der Grundlage der für die Schießstätte erteilten Erlaubnis (§ 27 Abs. 1 Satz 1 des Waffengesetzes) nur zulässig, wenn [...] geschossen wird [...] auf der Grundlage einer genehmigten Schießsportordnung, [...]"D.h. Schießen außerhalb der - natürlich vorher genehmigten - Sportordnung ist Sportschützen generell untersagt. Dabei geht es nicht etwa, wie man vielleicht zunächst denken könnte, um das Verbot des kampfmäßigen Schießens, denn das ist andernorts geregelt worden (§ 27 VII 1 WaffG). Vielmehr geht es um nichts anderes als die Schikanierung des Sportschießens. Ein sachlicher und vernünftiger Grund für diese Bestimmung, etwa hinsichtlich einer Förderung der öffentlichen Sicherheit, ist nicht ersichtlich.
Ein einfaches Beispiel, was die Problematik jedoch hervorragend illustriert: Franz-Xaver Müller-Schulze hat sich eine Luftpistole gekauft. Freudig begibt er sich auf den Schießstand des örtlichen Schützenvereins, um sie zu testen. Er trägt sich als Gastschütze ein und mietet eine 10-m-Bahn. Dort positioniert er eine alte 12er Ringscheibe vor dem Kugelfang und beschießt diese mit 24 Diabolos. Danach packt er seine Sachen zusammen und geht vergnügt nach Hause.
Ende gut, alles gut? Leider nein. Bei einer besonders engen und restriktiven Auslegung der soeben genannten waffenrechtlichen Bestimmungen war Müller-Schulzes Tun illegal, auch wenn es völlig harmlos ist. Erstens entsprach seine Luftpistole nicht den technischen Anforderungen der einschlägigen Sportordnung. Zweitens hätte er die in der Sportordnung festgelegten 10er Ringscheiben benutzen müssen. Drittens hat er die LP - entgegen der Sportordnung - im beidhändigen Anschlag gehalten. Und viertens hätte er nicht nur 24 Schuß abgeben dürfen, sondern mindestens die laut Wettkampfregeln geforderten 40 Diabolos verfeuern müssen.
Auch hier gilt: Glücklicherweise stört sich bisher niemand an Bürgern, die z.B. nur mit ihren Druckluftwaffen schießen wollen, ohne große sportliche Ambitionen zu haben - weder in den Vereinen noch in den Amtsstuben. Doch ganz strenggenommen ist es illegal.
Dagegen könnte man einwenden, daß solche Fälle doch über § 5 IV AWaffV ohne weiteres aufgefangen werden können. Doch setzt diese Bestimmung wiederum eine genehmigte Sportordnung voraus, in die dann Ausnahmen eingebaut werden müssen.
Dieses Ineinandergreifen von unterschiedlichen Regeln über technische Schießstandsicherheit, Sportordnungen und sonstigem vereins- bzw. verbandsinternem Recht führt in der Praxis bisweilen zu einem für den Einzelnen unentwirrbaren Knäuel von Vorschriften, deren Sinnhaftigkeit, Geltung und Rechtsgrundlage kaum hinterfragt wird.
Beispiel: Viele Druckluftwaffen-Schießstände des DSB weisen neben der Energiebegrenzung (die berühmten 7,5 Joule) zusätzlich eine Kaliberbegrenzung auf 4,5 mm auf. Warum? Laut WaffG ist die Mündungsenergie maßgeblich und das sollte auch für aus sicherheitstechnischer Sicht gelten. Eine Kaliberbegrenzung findet sich lediglich in der DSB-Sportordnung, doch gilt diese eigentlich für sportliche Wettkämpfe, nicht für die technische Zulassung eines Schießstandes durch die zuständige Behörde. Die Frage nach dem Grund konnte mir bisher niemand beantworten. Vermutlich haben wir es mit einem ungeschickten Konglomerat aus technischen Anforderungen des öffentlichen Rechts und sportlichen Anforderungen des (privaten) Vereinsrechts zu tun.
Wobei sich mir gerade die Frage stellt, ob man die Sportordnungen, so wie sie vom deutschen Waffenrecht ausgestaltet worden sind, überhaupt noch der Sphäre des Privatrechts zuordnen kann?
"Randsportart" und Ausnahme-Sport
Zum Komplex der Altersgrenzen im WaffG und insbesondere zu deren verfassungsrechtlichen Zulässigkeit hatte ich mich schon im November 2009 geäußert. Daraufhin schrieb mir ein Leser, daß dies in der Praxis kein Problem darstelle, denn die in § 27 IV WaffG bzw. § 3 III WaffG vorgesehenen Ausnahmegenehmigungen würden in der Regel ohne größere Probleme erteilt. Dem muß ich widersprechen. Es ist juristisch ein großer Unterschied, ob die Rechtsposition eines jugendlichen Sportschützen auf dem Gesetz selbst beruht, oder ob sie lediglich durch eine behördliche Ausnahme-Genehmigung geschaffen wurde. Letztere kann ohne viel Federlesens zurückgenommen bzw. widerrufen werden.
Dies ist eine der großen Entwicklungstendenzen des deutschen (und europäischen) Waffenrechts. An die Stelle gesetzlich verbriefter Rechte treten behördlich eingeräumte Ausnahmebewilligungen. So kann man eine zeitlang den status quo erhalten und die Legalwaffenbesitzer in der trügerischen Sicherheit wiegen, daß es schon nicht so schlimm sei. Doch sobald der politische Wille für ein Umsteuern vorhanden ist, braucht es nur ein paar Federstriche der Exekutive (nicht des Gesetzgebers!) - und für brave Bürger stürzen Welten ein.
Exemplarisch dafür steht das Verbot des Transports von Munition im Fluggepäck. Die EU-Verordnung 185/2010 hat diesen verboten, doch das deutsche BMI erteilte eine generelle Ausnahmegenehmigung für deutsche Flughäfen. So weit nicht schlecht, nur wie dauerhaft wird diese Erlaubnis sein? Und was nützt sie, wenn andere Staaten nicht mitmachen, sondern beim Verbot bleiben?
Die Jugendarbeit ist ein weiterer Bereich, an dessen rechtlicher Ausgestaltung sich die zunehmende Einengung der deutschen Sportschützen ablesen läßt. Einerseits verlangt § 15 I Nr. 4 lit. b WaffG, daß Schießsportverbände, die sich um die - de facto unbedingt notwendige - staatliche Anerkennung bemühen, Jugendarbeit und Nachwuchsförderung betreiben sollen. Andererseits wird eben diese Jugendarbeit immer weiter erschwert, indem die Altersgrenzen für das Schießen mit bestimmten Waffen angehoben werden (§ 27 III WaffG, ebenso § 14 I für den Erwerb). Seit der letzten WaffG-Änderung im Juli 2009 ist Personen unter 18 Jahren nicht einmal mehr das Vorderladerschießen gestattet.
Das führt bisweilen zu komischen Regelungen in den Sportordnungen. Beispiel: Einerseits wurden in mehreren Verbänden interessante neue Disziplinen für das Schießen mit Luftgewehren und -pistolen eingeführt, andererseits hat man sie auf Schützen unter 18 Jahren beschränkt. Der Grund hierfür dürfte auch in der (nicht unbegründeten) Befürchtung der Verbände liegen, daß sie sonst Gefahr laufen würden, ihre Disziplinen für WBK-pflichtige Waffen auszuhöhlen. Schließlich könnte ein Politiker sagen: "Ihr schießt dieses Programm doch mit der LP, wozu braucht ihr noch KK- oder (Gott sei bei uns) Großkaliberpistolen? Das sind ja alles Mordwaffen."
Die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der soeben erwähnten Ausnahmegenehmigungen sind ebenfalls nicht frei von Widersinnigkeiten. § 27 IV WaffG lautet:
"Die zuständige Behörde kann einem Kind zur Förderung des Leistungssports eine Ausnahme von dem Mindestalter des Absatzes 3 Satz 1 bewilligen. Diese soll bewilligt werden, wenn durch eine ärztliche Bescheinigung die geistige und körperliche Eignung und durch eine Bescheinigung des Vereins die schießsportliche Begabung glaubhaft gemacht sind."Wie, bitteschön, soll eine seriöse Bescheinigung über die schießsportliche Begabung eines Kindes oder Jugendlichen ausgestellt werden, wenn es diesem jungen Menschen vom selben Gesetz verboten wird, eine Waffe auch nur in die Hand zu nehmen, geschweige denn damit zu schießen (§ 2 I WaffG)?
Resümee
Das deutsche Waffenrecht wurde seit Jahren regelmäßig verschärft. Viele dieser Änderungen haben jedoch keinerlei Sicherheitsrelevanz. Vielmehr ging und geht es darum, das Sportschießen immer weiter in die Position einer gesellschaftlich unerwünschten Randsportart zu drängen, die noch für eine gewisse Zeit als Ausnahme-Sportart geduldet wird.
Insbesondere die Bestimmungen zur Jugendarbeit, die zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt ist, zielen darauf ab, die personelle Basis des Schießsports zu verkleinern. Potentielle Interessenten sollen durch absurd hohe Hürden und bürokratischen Aufwand vergrault werden, so daß sie sich ein anderes Hobby suchen. Wie bereits gesagt: Diese Hürden haben nichts mit den sicherheitsrelevanten Kriterien der Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung zu tun! Denn viele Restriktionen gelten nur für Sportschützen, nicht aber für Jäger. Bei letzteren hofft der Gesetzgeber offenbar auf eine soziale Selektion, also darauf, daß die Jagdausübung so aufwendig ist, daß sie sich nur relativ wenige Bürger leisten können.
Diese Entwicklung ist nicht nur das Werk linker Waffengegner; "bürgerliche" Politiker aus CDU und CSU waren maßgeblich daran beteiligt. Es gilt jetzt für die deutschen Sportschützen, den politischen Widerstand dagegen zu verstärken und sich auf einen langen Kampf einzustellen. Sonst wird unser Sport immer weiter ins Abseits gedrängt und man nimmt uns irgendwann sogar die Druckluftwaffen weg.
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