Donnerstag, 1. Juli 2010

Jefim Chajdurows Erstlingswerk


Die Freie Pistole TOZ-35 ist Sportschützen auf der ganzen Welt ein Begriff. Seit 1962 wird sie im Tulaer Waffenwerk gefertigt und hat Standards für das 50-m-Kurzwaffenschießen gesetzt (ausführlich zu dieser Waffe und ihrer Geschichte vgl. den hervorragenden Artikel von Ulrich Eichstädt in Visier 5/2008).
Schon etwas weniger bekannt ist der Name ihres Konstrukteurs: Jefim Leontjewitsch Chajdurow (manchmal auch Efim Khaidurov geschrieben). Am 16.01.1925 im burjatischen Dorf Molta geboren, begann er 1948, nach fünfjährigem Militärdienst (zuletzt als Chiffrieroffizier im Generalstab), ein Ingenieurstudium in Moskau. Während seines Studiums war Chajdurow zum Sportschießen gekommen und sogar in eine Auswahlmannschaft aufgenommen worden. Während die besten Schützen mit Pistolen von Hämmerli schossen, mußte er mit einer MZ-2 aus Tula Vorlieb nehmen. Diese stellte ihn jedoch nicht zufrieden, erschien ihm unausgewogen.

Also versuchte er sich an der Verbesserung dieser Pistole. Nach Gesprächen mit seinem Trainer Schgutowym kam Chajdurow zu der Überzeugung, daß eine vollständige Neukonstruktion vonnöten sei. Der Trainer ging zum Dekan der Fakultät, um das bereits vergebene Thema für Chajdurows Diplomarbeit dahingehend abzuändern, daß er nun eine Pistole konstruieren sollte. Nach einigem Hickhack hat die Hochschule diesem Ansinnen schließlich zugestimmt. Es handelte sich um die berühmte Staatliche Technische Universität Moskau, welche seit 1930 den (typisch russischen ;-)) Namen des Berufsrevolutionärs Nikolaj Ernestowitsch Baumann trägt.



Deshalb wird die hier vorgestellte Pistole auch als "Baumanez" bezeichnet. Ihr korrekter Titel ist allerdings Ch-1MT (russ.: Х-1МТ, eng.: Kh-1MT) und sie ist einer von drei Prototypen, die 1959 von Chajdurow in den Werkstätten der Uni hergestellt worden sind. Sie wurde vollständig aus Stahl gefertigt, während bei den beiden anderen Prototypen mit Duralaluminum experimentiert wurde. Letztendlich hat sich diese gewichtssparende Technologie aber nicht durchgesetzt, weshalb in der Serienfertigung, die 1962 in Tula unter dem Namen TOZ-35 anlief, für die Metallteile nur Stahl verwendet wurde.

Der Konstrukteur selbst hat mit seiner Pistole ausgezeichnete Resultate geschossen. Nach 1959 haben sich auch viele andere Schützen positiv über die Ch-1MT geäußert, was den Ausschlag für ihre industrielle Fertigung gegeben hat. Kurzum: Eine Waffe von Schützen für Schützen.

Jefim Chajdurow war ein sehr umtriebiger Mensch. Während seines ganzen Lebens (das noch andauert!) ist er sowohl der Waffenindustrie als auch dem Schießsport verbunden geblieben, war zugleich Schütze und Konstrukteur. Er hat sowohl in Tula als auch in Ishewsk an der Entwicklung von Sportpistolen und -revolvern gearbeitet. Seine Ideen wurden auch bei ausländischen Modellen wie der Feinwerkbau AW93 aufgegriffen. Derzeit ist Chajdurow als Chefingenieur an der neuen Demjan SP-08 beteiligt.
Während seiner Laufbahn als aktiver Schütze hat er in verschiedenen Disziplinen mit Groß- und Kleinkaliberkurzwaffen Medaillen auf sowjetischen, Europa- und Weltmeisterschaften gewonnen. Danach war er als Trainer tätig und außerdem von 1972 bis 1986 Mitglied der UIT-Pistolenkommission. In Kaluga wird seit einigen Jahren im Januar anläßlich seines Geburtstages der Chajdurow-Pokal in den olympischen Kurzwaffendisziplinen ausgetragen, an dem Jefim Leontjewitsch zumeist als Ehrengast teilnimmt. Ein kleiner Artikel von ihm in deutscher Sprache ist hier zu finden.



Bibliographie:

Talks.guns.ru (Waffengeschichte und -bilder)

Toz35.blogspot.com (Waffengeschichte und Foto von Je.Ch.)

Shooting-ua.com (Biographie)

Wiki.buryatia.org (Biographie)

U. Eichstädt: Besuch der alten Dame, in: Visier 5/2008, S. 38 ff.




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