So nimmt es nicht Wunder, daß man sich dort besonders mit ihr identifiziert. Seit 1992 pflegt ein internationaler Förderverein ihr Erbe und hat auch eine kleine Dauerausstellung eingerichtet. Seit 1995 wurde die Idee eines Katharinendenkmals für Zerbst ventiliert, mit unterschiedlichen Konzepten, Künstlern, Standorten und Finanziers. Schließlich einigte man sich nach langem hin und her auf den Entwurf des Moskauer Bildhauers Michail Perejaslawez. Dieser hat seine Statue der Stadt Zerbst zum Geschenk gemacht.
Gestern konnte das Denkmal eingeweiht werden. (Es war auf den Tag genau 248 Jahre her, daß Katharina II. ihren geistesschwachen Gemahlen mittels eines Staatsstreichs gestürzt und selbst das Ruder übernommen hat.) Bereits um 19 Uhr hatten sich hunderte Gäste in der Zerbster Stadthalle nahe der Schloßruine eingefunden, um dem Festakt beizuwohnen. Darunter waren offenkundig auch viele Russen.
Bürgermeister Helmut Behrendt würdigte das Denkmal als Symbol für die deutsch-russischen Beziehungen. Es sei keine Verherrlichung des von ihr gepflegten Regierungsstils, sondern eine Würdigung der komplexen und keineswegs eindimensionalen Persönlichkeit Katharinas, die sowohl aufgeklärte Monarchin als auch autokratische Herrscherin war.
Als Vertreter der Botschaft der Rußländischen Föderation hat (leider) nur der Gesandte Alexander Petrow erscheinen können. Er entschuldigte das Fehlen des angekündigten Botschafters. Der alte Botschafter Wladimir Kotenjew hat seine Amtsgeschäfte bereits abgegeben, sein Nachfolger Wladimir Grinin befindet sich jedoch erst seit wenigen Tagen in Berlin und konnte sich nicht freimachen.
In seinem Grußwort erinnerte Petrow (der fließend Deutsch spricht) daran, daß Zerbst eine große Bedeutung für die Geschichte Europas hat. Die Zarin Katharina II. habe Rußland zur europäischen Großmacht gemacht und im Innern grundlegend reformiert, insbesondere im Bildungs- und Gesundheitswesen. Die Frucht der Arbeit dieser aufgeklärten Herrscherin sei allerdings erst im frühen 19. Jahrhundert aufgegangen, als russische Kunst und Literatur eine erste Blüte erlebten. (Man denke nur an Puschkin.) Während ihrer Regierungszeit sind viele Deutsche nach Rußland gekommen und haben zu dessen Entwicklung entscheidend beigetragen.
Damit schlug Petrow die Brücke zur Gegenwart: Auch heute biete sein Land für die deutsche Wirtschaft viele Chancen. Schließlich erinnerte er daran, daß Mitte Juli die deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg stattfinden werden – also in einer Stadt, die nach der Zarin benannt worden ist. Neben den offiziellen Veranstaltungen wird es dort auch solche von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Petersburger Dialog geben. Die deutsch-russischen Beziehungen haben heute viele Ebenen.
Der sachsen-anhaltische Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Rainer Robra begann seine Rede mit der Bemerkung, daß der 9. Juli ein historischer Tag für Zerbst sei. Die große Tochter der Stadt war eine historische Ausnahmeerscheinung und hat ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen. Katharina sei eine der ersten Karrierefrauen gewesen; insofern gebe es Ähnlichkeiten mit Angela Merkel, die aus ihren Sympathien für die Zarin auch keinen Hehl mache. In der Geschichte Anhalts habe es viele bemerkenswerte Fürsten gegeben, doch Katharina überrage sie alle. Sie war eine hochgebildete Frau, zugleich Autokratin und Reformerin.
Robra sieht im neuen Denkmal ein Zeugnis der deutsch-russischen Beziehungen; es sei eine Brücke von Zerbst nach St. Petersburg. (Der Petersburger Vorort Puschkin, früher Zarskoje Selo, ist eine Partnerstadt von Zerbst.) Er erinnerte besonders an die große wechselseitige kulturelle Anziehungskraft. Nach einer wechselvollen Geschichte, deren Schatten nicht vergessen werden, sind unsere beiden Staaten nun in die Ära des friedlichen Miteinanders eingetreten, sind Freunde und Partner geworden.
Der Festakt klang mit fünf Musikstücken Peter Tschaikowskijs aus, die von der Anhaltischen Philharmonie in gewohnt hoher Qualität vorgetragen und vom Publikum mit starkem Applaus bedacht wurden.
Gegen 21 Uhr schritt man dann zum Höhepunkt des Abends: der Enthüllung des Denkmals und der anschließenden Weihe durch den russisch-orthodoxen Erzbischof Feofan (Berlin) sowie den evangelisch-landeskirchlichen Propst Siegfried Kasparick (Wittenberg). Dies habe ich im folgenden Video festgehalten (wobei ich um Pardon für die etwas magere Qualität bitte):
Darauf folgten noch eine kurze Ansprache des Bildhauers sowie Dankesworte des Fördervereins an die an der Errichtung des Denkmals beteiligten Personen, wobei die gegenseitigen Freundschaftsbekundungen immer wortreicher und herzlicher wurden. Als Zuschauer habe ich empfunden, daß dies nicht nur hohle Phrasen waren, die man dem Protokoll schuldig war. Und das tat gut, ist doch die Stimmung in der veröffentlichten Meinung bisweilen eine andere.
Zu dem festlichen Anlaß hatten sich, soweit ersichtlich, weit über tausend Bürger der Stadt und andere Gäste eingefunden. Es herrschte (gemäßigte) Volksfestatmosphäre, die durch den anschließenden Auftritt einer russischen Musikgruppe noch verstärkt wurde. Den Abschluß der gelungenen und angemessenen Feierlichkeiten bildete ein Feuerwerk am späten Abend.
Die starke Medienpräsenz hat mich erstaunt, immerhin ist Zerbst nur eine kleine Provinzstadt. Trotzdem waren allein während des Festaktes sieben Kamerateams im Saal. (Es wäre schön, wenn die deutschen Journalisten lernen würden, sich dem Anlaß angemessen zu kleiden.) In Rußland war das Denkmal ein nationales Ereignis. Ich kam zufällig neben dem Team des Fernsehsenders NTW zu sitzen und später zu stehen worden (danke für die Benutzung des Stativs! ;-)), weshalb ich beispielhaft deren Bericht hier wiedergeben möchte:
Abschließend zum Denkmal selbst: Die 4,70 m hohe Skulptur steht im Zerbster Schloßgarten, unmittelbar vor dem Haupteingang der ehemaligen Reithalle, die heute als Stadthalle dient. Ein deutscher Reporter hat sich über den historistischen Stil des Künstlers mokiert. Meinen Geschmack trifft es hingegen voll und ganz – genau so muß ein würdiges Herrscherdenkmal aussehen. Und nach all den Verirrungen der modernen Kunst tut die Betrachtung einer so gediegenen Arbeit richtig gut. :-) Wer mag, kann auch Vergleiche mit dem Katherinendenkmal im Herzen Petersburgs anstellen.
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