Montag, 27. Oktober 2008

Meinungsbilder


In den vergangenen 12 Monaten sind zwei interessante Meinungsumfragen veröffentlicht worden, die sich mit dem Russlandbild der Deutschen bzw. dem Deutschlandbild der Russen beschäftigt haben.

Da ist zunächst die Forsa-Umfrage anläßlich der Berliner Ausstellung "Unsere Russen - Unsere Deutschen" zu nennen. Hierin zeigen sich zwei bemerkenswerte Punkte: erstens sind sich viele Deutsche darüber im klaren, daß die hiesige Berichterstattung über Russland nicht objektiv ist und mithin eine kritische Einstellung gegenüber den Medien angezeigt ist. Zweitens gab die Mehrzahl der befragten Deutschen zu Protokoll, daß das Russlandbild oft von Vorurteilen geprägt sei.
(Als ob es dafür noch eines weiteren Beleges bedurft hätte, wird Russland von mehr Befragten mit der Planwirtschaft als mit der Marktwirtschaft in Verbindung gebracht - obwohl dort ein Kapitalismus exisiert, dessen Härte den deutschen Sozialstaat auch nach Hartz IV wie ein Paradies erscheinen läßt.)

Indirekt bestätigt werden diese kritischen (Selbst-)Einschätzungen weiters durch die vom Petersburger Dialog publizierte Allensbach-Umfrage. Die dort Befragten waren großteils sicher noch nie in Russland, glauben aber teilweise trotzdem zu wissen, wie schlecht es dort sei.
Ähnlich unrealistisch sind allerdings auch die Meinungen vieler Russen über Deutschland - was in beiden Fällen m.E. vor allem auf die mangelnde Kenntnis des jeweils anderen Landes zurückzuführen ist. Allerdings ist das Deutschlandbild der Russen erheblich positiver als umgekehrt. Nicht nur in der demoskopischen Theorie, sondern auch in der erlebten Praxis. Zwei Beispiele mögen das illustrieren.


Während meines St. Petersburg-Aufenthaltes im Sommer 2007 wurde ich eines Nachmittags auf der Straße (als ich gerade auf jemanden wartete) plötzlich von einem Russen mittleren Alters angesprochen. Dies ist an sich schon eher ungewöhnlich, denn die Russen sind kein besonders extrovertiertes Volk. Der sich daran anschließende Dialog war es ebenfalls. Auf seine Frage, ob ich Engländer sei, habe ich mit "Deutscher" geantwortet. Darauf seinerseits ungläubiges Staunen, nochmalige Rückfrage und dann schließlich ein Loblied auf die Deutschen. Er sei schon mehrmals in Deutschland gewesen, in Sachsen, NRW und Berlin; Deutschland sei ein schönes Land mit netten Menschen und ich solle doch bitte Grüße in meine Heimat mitnehmen. Sprach's, drückte mir die rechte Hand, klopfte mir kräftig auf die Schulter und ging seines Weges ...

Das zweite Beispiel betrifft den Zweiten Weltkrieg und dessen Auswirkungen auf die heute lebenden Menschen. Während in Großbritannien, aber auch in Polen und Tschechien nach wie vor eine gewisse Germanophobie kultiviert wird, habe ich dergleichen in Russland niemals erlebt und weiß auch aus meinem Bekanntenkreis von keinem einzigen Fall, wo einem Deutschen die Untaten der Nazis vorgeworfen worden wären oder man von ihm aufgrund dieser irgendwelche ideellen, finanziellen oder politischen Zugeständnisse gefordert hätte.
Und dies trotz der Tatsache, daß der Große vaterländische Krieg für die Gesellschaft der Sowjetunion wie auch die ihrer Nachfolgestaaten eine kaum zu überschätzende Bedeutung im Hinblick auf die Identitätsbildung hatte und bis heute hat. Man hütet sich aber davor, daraus "Schlußfolgerungen" für das heutige Leben und die heutige Politik zu ziehen.

Eher trifft man im heutigen Russland auf eine - aus Sicht der meisten Deutschen - tendenziell zu positive Bewertung des Dritten Reiches (z.B. sind die Buchläden voll von Büchern über Wehrmacht und SS), weshalb die Nennung Hitlers als bedeutendster deutscher Persönlichkeit (bei Allensbach) auch nicht als Indiz dafür zu sehen ist, die Russen würden uns Deutsche samt und sonders für "Faschisten" halten.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen