Donnerstag, 23. Oktober 2008

Jeff Cooper über die Kunst des Gewehrschießens

Lehrbücher für das Schießen im allgemeinen und das Gewehrschießen im besonderen gibt es einige, seien es die gesammelten Erfahrungen von (Berufs-)Jägern, Polizei- und Militärausbildern oder Olympiaschützen. Diesen haftet bisweilen aber der Mangel an, daß sie oft nur auf einen spezifischen Anwendungsbereich zugeschnitten sind. Zu welchem Titel sollte also jemand greifen, der sich mit dem Gewehrschießen für jede Lebenslage beschäftigen will, sei es der sportliche Wettkampf, die Jagd oder die Selbstverteidigung, ohne sich nur auf ein eng begrenztes Feld zu beschränken? Hier kommt Jeff Coopers Buch "The Art of the Rifle" zum Zuge.

Im etwas philosophisch wirkenden (und auch deshalb lesenswerten) ersten Kapitel charakterisiert Cooper das Gewehr als Königin der Handfeuerwaffen und stellt danach an seinen Leser die Frage, warum er das Gewehrschießen erlernen will. Sodann werden alle möglichen Einzelprobleme abgehandelt: Waffenhandhabung, Zielen, ballistische Kurven, Anschlagsarten und Körperhaltungen, Atemtechnik, Wind, Schießen auf bewegliche Ziele, Nachladen und Waffenzubehör. Zum Schluß werden seine Gedankengänge wieder etwas abstrakter, etwa, wenn es um "the mind of a rifleman" geht.

Das gesamte Buch spiegelt Coopers eigenes Leben und seine Erfahrungen wieder, die er als Soldat, Ausbilder von Sicherheitskräften, (Großwild-)Jäger und nicht zuletzt auch als Sportschütze erworben hat. Viel Wert wird auf eine möglichst universelle Anwendbarkeit der präsentierten Techniken gelegt, sei es z.B. bei der Jagd oder bei der Selbstverteidigung. Cooper lehrt, ohne dabei überheblich oder herrisch zu wirken (obwohl ihm manche diesen Vorwurf machen), sondern begründet seine Auffassungen eingehend, so daß das Lesen Spaß macht. Sein Ziel besteht in der Heranbildung eines guten Gewehrschützen (eng.: rifleman), nicht in der Züchtung von "Fachidioten". (Insoweit enthält das Buch auch zahlreiche Anspielungen auf das von ihm angeregte Scout Rifle-Konzept, ohne freilich detailliert darauf einzugehen.)

Beim Lesen merkt man auch, wie stark Cooper auch deutsche Autoren wie etwa David Schiller (Pseudonym: Jan Boger) beeinflußt hat, dessen Bücher hierzulande nach wie vor als Standardwerke nicht nur des Verteidigungsschießens gelten dürfen.

Wie unterschiedlich zwei als Standardwerke geltende Bücher das gleiche Problem angehen können, soll an einem Beispiel illustriert werden. (Hieran zeigt sich auch, daß beim Schießen vieles eben doch nur eine "Glaubensfrage" zu sein scheint. ;-))
Cooper empfiehlt in seinem Buch für Schüsse auf mittlere und größere Entfernungen einen liegenden Anschlag aufgrund der höheren Stabilität als besonders gut geeignet. Anders sieht dies John Taylor in "African Rifles and Cartridges". Aufgrund seiner als Berufsjäger im südlichen Afrika gemachten Erfahrungen hält er jeden anderen Anschlag als den stehenden für überflüssig.
Jeder mag selbst entscheiden, welche Auffassung ihm eher einleuchtet; ich kann Coopers Position besser nachvollziehen.

"The Art of the Rifle" ist verständlich geschrieben, setzt aber leidlich gute Englischkenntnisse voraus. Das Buch ist, wie man erwarten durfte, durchgängig bebildert – allerdings nur in Schwarz-weiß, was aber der Qualität keinen Abbruch tut.

Dieses Werk ist eines der wenigen Waffenbücher, die ich uneingeschränkt all denjenigen empfehlen würde, die sich für das Schießen mit Kugel-Langwaffen interessieren. Aus "The Art of the Rifle" wird man mehr solideres und im eigenen Leben besser anwendbares Wissen schöpfen als aus den meisten mythenumwobenen 'SEAL Special Forces Sniper Training Manuals', nach deren Lektüre oft ein fader Nachgeschmack und Enttäuschung ob der dürren Informationen zurückbleiben.
(Letzteres gilt m.E. auch für die meisten Militärhandbücher, v.a. amerikanischer Provenienz, zum Thema Survival. Diese völlig überteuert gehandelten Schriften – häufig nur schlecht gemachte Fotokopien fragwürdiger Herkunft – sind meist herausgeschmissenes Geld. Das einzige, was deren Reiz ausmacht, dürfte ihre paramilitärische Aura sein.)

PS: In einer ruhigen Stunde kann man sich auch einmal die früher im Guns & Ammo-Magazin veröffentlichten Kommentare Coopers zu Gemüte führen, welche bisweilen ganz hübsch sind.

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