Zunächst bitte ich um Pardon für meine lange Abstinenz, doch waren die letzten Wochen sehr hektisch, so daß wenig Zeit für den Blog blieb. :-(
Heute geht die diesjährige
Leipziger Buchmesse zuende und ich hatte am Freitag nach längerer Abstinenz wieder einmal die Gelegenheit, dort meiner bibliomanen Veranlagung zu frönen. Aufgefallen ist mir dabei das Fehlen vieler kleinerer Verlage, wobei ich nicht weiß, ob dies eine Folge der Wirtschaftskrise ist oder ob man mittlerweile neue Vertriebsstrukturen (via Internet?) aufgebaut hat und daher glaubt, auf einen Messestand verzichten zu können. Das betrifft nicht nur kleine Fach- und Nischenverlage, sondern auch solche mit einem (eigentlich) breiteren historischen und philosophischen Angebot wie z.B. den Wiener
Karolinger-Verlag. Ohne deren Präsenz auf früheren Leipziger Buchmessen hätte ich lange nichts von deren Existenz erfahren, bis sie vor ein paar Jahren von der FAZ einem breiten Publikum vorgestellt worden sind. Dabei können gerade kleine Verlage von einem Messestand profitieren, denn so werden potentielle Leser mit Titeln bekannt gemacht, die kaum jemals in einer Buchhandlung zu finden sein werden und nur per Direktbestellung erhältlich sind.
Nach diesen allgemeinen Gedanken möchte ich meinen Lesern nachfolgend einige interessante Messefunde vorstellen. Keines dieser Bücher habe ich bisher gelesen, aber sie machten beim Durchblättern doch allesamt einen positiven Eindruck. Die Qualität der Fotos ist bescheiden, sind sie doch zumeist direkt auf den Messeständen gemacht worden.
1. Waffen, Jagd, MilitärgeschichteDer
Mittler-Verlag kündigt für den Sommer das Erscheinen eines neuen Titels des Schweizer Autors Kaj-Gunnar Sievert an, das unter dem Titel
"Kommandounternehmen - Verdeckter Zugriff - Special Forces im Einsatz" steht und an Sieverts erstes
Buch über dasselbe Thema anknüpft. Was bisher über den Inhalt bekannt ist, klingt sehr vielversprechend und es steht defintiv auf meiner "To-do"-Liste.
Der
Motorbuch-Verlag und die mit ihm "verwandten" Verlage haben eine kleine Auswahl aus ihrem Angebot präsentiert. Am interessantesten waren aus meiner Sicht Wolfdieter Hufnagl:
"Karabiner M1", Jean Huon:
"Geschichte der Mauser Pistolen" sowie die Publikationen des Messerdesigners Dietmar Pohl.
Auf dem Stand des österreichischen
Ares-Verlages sind mir zwei Titel aufgefallen, die ebenfalls mit großer Sicherheit demnächst mein Regal füllen werden. Zum einen Heinz Mazulla:
"Ehrensache! Das Pistolenduell" (ein kulturhistorisch wichtiger Aspekt der europäischen Waffengeschichte) und ferner Stefan Strasser:
"Sniper - Militärisches und polizeiliches Scharfschützenwissen kompakt" (was eines der wenigen guten deutschsprachigen Werke zum Thema zu sein scheint).
Das
Brandenburgische Verlagshaus (ehemals Militärverlag der DDR) hat mehrere deutsche Übersetzungen der englischen
Osprey-Hefte und weitere militärhistorische Schriften vorgestellt, die durchweg einen guten Eindruck machen. Darunter befindet sich auch eine Abhandlung über
"Die Armee Peters des Großen".
Der Markleeberger
Sax-Verlag hat sich eines wenig behandelten Themas angenommen und 2008 das Buch von Holger Richter über
"Die Kunst der Armbrustmacher in Dresden" herausgebracht. Zudem finden sich im Programm des Verlages viele interessante Titel, häufig mit einem regionalgeschichtlichen Akzent.
In Oschersleben ist der
Dr. Ziethen-Verlag beheimatet, dessen Schwerpunkt ebenfalls auf regionalgeschichtlicher Literatur liegt. Otto Hennings
"Gefährliche Jagdleidenschaft - Die Geschichte eines Wilderers" ist ein Roman, dem jedoch eine wahre Geschichte zugrundeliegt. Von den 1920er bis in die 1950er Jahre hinein - also mitten im 20. Jahrhundert! - konnte in der Altmark ein Wilderer sein Unwesen treiben. Man glaubt es kaum, aber unter Ausnutzung der wechselvollen Zeitläufte und mit Duldung der örtlichen Bevölkerung gelangen ihm Bubenstücke, die man sonst wohl nur aus alten Sagen kennt.
Desselben Oberthemas hat sich auch der (ähnlich profilierte)
Tauchaer Verlag mit seinen
"Wahren Geschichten um Stülpner Karl" angenommen und behandelt darin den sächsischen
Wilderer und Volkshelden.
Etwas gesitteter geht es dagegen in Frank Hofmann:
"Zwischen Pirsch und Ansitz" zu, das im
Heinrich Jung-Verlag, Zella-Mehlis, erschienen ist. Darin schildert der Autor seine Jagderlebnisse aus Thüringen, aber auch aus Jagden in Übersee. Der Verlag hat überdies auch
militärgeschichtliche Titel im Angebot.
Es fällt auf, daß in den letzten Jahren zahlreiche Bücher über die
Volksmarine der DDR erschienen sind. So etwa Dieter Flohr:
"Volksmarine - Betrachtung einer deutschen Flotte 1950-1990", erschienen im kleinen Rostocker
BS-Verlag (ISBN: 3-89954-138-3).
Im gleichen Segment der
maritimen Literatur ist auch der (ebenfalls in Rostock beheimatete)
Ingo-Koch-Verlag aktiv. Neben militärgeschichtlichen Titeln finden sich in seinem Angebot auch mehrere zur zivilen Schiffahrt der DDR. Mein besonderes Interesse hat jedoch ein anderes Buch geweckt, nämlich Horst Steigleder:
"Stalins Terror und die Rote Flotte - Schicksale sowjetischer Admirale 1936–1953". Darin untersucht der Autor die Auswirkungen der stalinschen Säuberungen auf das Offizierskorps der sowjetischen Seekriegsflotte anhand von einzelnen Biographien. Ein Buch, das ich mir auf jeden Fall näher ansehen werde.
Auf dem russischen Gemeinschaftsstand, der von der Moskauer Stadtverwaltung und einer großen Moskauer Buchhandlung organisiert wurde, waren zahlreiche Publikationen von Verlagen aus der RF zu finden. Mit am interessantesten war m.E. der bereits 2005 erschienene Bildband
"Michail Kalaschnikow - Welikij russkij orushejnik" (dt.: Michael Kalaschnikow - Ein großer russischer Waffenschmied; ISBN: 5-224-05163-0). Die Autoren berichten ausführlich aus dem Leben des bekannten Konstrukteurs, angefangen von seiner Kindheit und Jugend bis zu seinem jetzigen Rentnerdasein. Dabei werden auch Einblicke in die Büros und Werkhallen von Izhmash gewährt und es finden sich Darstellungen vieler seiner Waffen inkl. Prototypen. In Deutschland kann man das Buch über den örtlichen Buchhandel oder, falls dort nicht möglich, beim Berliner Versandhändler
Kurier der Zarin bestellen.
2. Rußland, SowjetunionDamit sind wir beim zweiten Teilgebiet angelangt, also bei Büchern, die Rußland oder die Sowjetunion zum Thema haben, ohne dabei im engeren Sinne waffen- oder militärgeschichtlich zu sein.
Da ist zunächst der am oben schon erwähnten Gemeinschaftsstand gezeigte Bildband
"Okna TASS 1941 - 1945" zu nennen (dt.: Das Fenster der TASS 1941-1945; Moskau 2007, ISBN: 978-5-93882-034-0). Darin werden die von der sowjetischen Nachrichtenagentur
TASS während des Zweiten Weltkrieges verbreiteten Propagandaplakate in Bild und Text vorgestellt.
Dieselbe Richtung schlagen die folgenden Bücher ein. In einem mir unbekannten Verlag sind zwei Bände von Albert Pflüger unter dem Titel
"Vorwärts zum Sieg! Illustrierte sowjetische Feldpost des 2. Weltkrieges" erschienen (vgl.
hier und
hier). Wer sich für zeitgenösische sowjetische Feldpostkarten interessiert, dürfte darin fündig werden.
Bei
Basisdruck in Berlin ist bereits vor neun Jahren
"1940 - Stalins glückliches Jahr" von Wladislaw Hedeler und Nadja Rosenblum erschienen. Ein interessantes Panorama aus der Zeit des "Hochstalinismus", das sowohl die Haupt- und Staatsaktionen als auch das Altagsleben der Sowjetbürger in jenem Jahr behandelt.
Blenden wir zurück ins 19. Jahrhundert. Der oben bereits erwähnte
BS-Verlag hat im vergangenen Jahr eine
Krusenstern-Biographie von Erwin Seppelt herausgebracht (
"Adam Johann von Krusenstern - Ein Porträt"; ISBN: 978-3-867856-073-5). Darin wird der Lebensweg des baltendeutschen Seeoffiziers nachgezeichnet, der die erste Weltumseglung eines russischen Schiffsverbandes leitete und später zum Admiral aufstieg. (Dieses Buch war mein persönliches Mitbringsel von der Buchmesse und ich denke, daß die 10 € gut angelegt sind. :-))
Einem anderen Kapitel der deutsch-russischen Beziehungen im 19. Jh. widemt sich Bettina Altendorf in
"Die russischen Sänger des Königs und die Kolonie Alexandrowka in Potsdam", erschienen im Berliner
Bäßler-Verlag. Der Titel sagt es schon aus, es geht um die Geschichte der in der Potsdamer
Siedlung Alexandrowka nach den Befreiungskriegen angesiedelten russischen Familien.
Der Bäßler-Verlag hat auch ein architekturgeschichtliches Werk vorgestellt. Im Sammelband
"The Soviet Heritage and European Modernism" wird die moderne sowjetische Architektur, insbesondere aus den 1920er bis 1950er Jahren, behandelt.
Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im heutigen Rußland werden von
Kai Ehlers in
"Russland - Herzschlag einer Weltmacht" thematisiert. Bisher kannte ich Ehlers vor allem als in der RF lebenden Journalisten, dessen Artikel allerdings von sehr wechselnder Qualität waren. Nach einem ersten Querlesen scheint mir dieses Buch jedoch recht gut zu sein (was vielleicht auch am zusätzlichen Platz liegt, auf dem er seine Gedanken ausführen kann), weshalb es sich einen Platz auf meiner kurz- bis mittelfristigen Leseliste gesichert hat.
Der zur Suhrkamp gehörende
Verlag der Weltreligionen hat eine interessante Einführung in die Welt der orthodoxen Kirchen vorgelegt:
"Im Geist des Ostens leben - Orthodoxe Spiritualität und ihre Aufnahme im Westen" von Martin Tamcke. Ich denke, dieser Band ist - ebenso wie die schon etwas ältere Abhandlung von Rolf Kemp:
"Kerzen, Chöre und Ikonen" - gut geeignet, um dem interessierten deutschen Leser die fremdartig erscheinende Religiösität und Entwicklung der
Ostkirchen näherzubringen.
Im belletristischen Bereich haben sich die Bücher
"Metro 2033" und der Nachfolgeband
"Metro 2034" von
Dmitri A. Gluchowskij offenkundig zu Bestsellern entwickelt, die ich nicht unerwähnt lassen möchte, da Gluchowskij in Leipzig auch persönlich präsent war und gestern eine Lesung durchgeführt hat. Ich selbst bin noch immer nicht mit "Metro 2033" fertig, was wohl auch noch eine Weile dauern wird, denn Science-Fiction und Fantasy sind nicht so
mein Fall.
Wem das alles zu hoch und zu anstrengend ist, der sei auf
"Das große Buch der russischen Küche" von Christina Brock hingewiesen, das im
Stocker-Verlag Graz erschienen ist, von dem übrigens auch Jagdliteratur feilgeboten wird.
In diesem Sinne wünsche ich "guten Appetit" und anregende Lektüreerlebnisse, auch wenn die Natur uns nach dem langen Winter gerade an die frische Luft lockt. Denn vom Eise befreit sind Strom und Bäche ... aber damit sind wir schon wieder bei Goethe. ;-)