Einige Besucher werden sich fragen, weshalb ich in den letzten Tagen so wenig geschrieben habe. Der Grund ist ganz einfach: Neben meinen dienstlichen Pflichten habe ich es vorgezogen, die Freizeit mit Lesen zu verbringen. Ausnahmsweise keine Fachliteratur, sondern eher belletristische Werke. Darunter - zu meinem Erstaunen - auch ein Fantasy- bzw. Science Fiction-Roman (wo hier die Grenzen verlaufen, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen). Ich hatte mich zeitlebens von solchen Büchern und Filmen ferngehalten. Gewiß, in meiner Jugend war Star Trek Kult, dennoch konnte ich dergleichen bisher nichts abgewinnen.
Bis ich vor zwei Wochen in einer Buchhandlung zufällig auf die "Wächter des Tages" von Sergej W. Lukjanenko gestoßen bin. Das Buch ist der zweite Band einer vierteiligen Romanreihe und wurde auch verfilmt (und zwar ziemlich erfolgreich). Ich hatte nach einem Buch gesucht, daß unterhaltsam und leicht lesbar, aber auch nicht völlig abgedreht sein sollte. Ein Buch zur Entspannung also, bei dessen Lektüre man sich in eine Phantasiewelt hineinbegeben kann, ohne (wie bei einem historischen Roman) ständig auf die Korrektheit der Darstellung achten zu müssen.
Inhaltlich geht es um den Kampf der "Lichten" gegen die "Dunklen", der Nachwache gegen die Tagwache - und um die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen den beiden Mächten, wobei allerlei Zauberer, Hexen, Vampire und weitere Zwielichtgestalten auftreten. Der Ort der Handlung ist hauptsächlich das Moskau des Jahres 1999. Über die Handlung ist hier schon einiges geschrieben worden, weshalb ich mich darüber nicht weiter verbreiten will.
Trotz seiner phantastischen Natur gelingt es Lukjanenko, in "Wächter des Tages" zahlreiche kleine Randbemerkungen über die rußländische Gesellschaft der 1990er Jahre einzustreuen. (Das Buch ist 1998 erschienen.) Dies wirkt jedoch ganz natürlich, nicht gekünstelt oder gar erzwungen; es gibt also keine beflissene und oberflächliche Zeitkritik.
Ich muß gestehen, daß mir persönlich die individualistische, fast schon liberal zu nennende Ethik der Tagwache erheblich mehr zusagt als die Menschheitsbeglückungsphantasien der "Lichten" von der Nachtwache. Aber das ist wohl eine Geschmacksfrage ...
Überdies kenne ich keinen zeitgenössischen Roman, in dem die Figuren derart intensiv über Texte und Stimmungen von Liedern nachdenken. Die Erzählung geht schon sehr tief, ohne dabei allerdings dem Leser eine eigene Entscheidung abzunötigen, wie es etwa in manchen von Dostojewskijs Werken der Fall ist. Als Leser ist man bei Lukjanenko Beobachter, nicht Teilnehmer.
Schließlich gilt es, die Übersetzerin Christiane Pöhlmann zu loben. Es ist ihr gelungen, Lukjanenkos Vorlage in ein gut und schnell lesbares Deutsch zu übertragen, ohne daß dabei gewisse sprachliche Eigentümlichkeiten des Originals verlorengegangen wären.
Fazit: Das richtige Buch, um im Sommer abzuschalten und zu entspannen. Und es macht Lust auf eine Fortsetzung mit einem weiteren der drei Bände.
Bild: Gewitter über der Twerskaja-Straße mit ihrer typischen Architektur aus der Stalin-Zeit. An dieses Foto mußte ich spontan denken, als ich die Beschreibung des Büros der Tagwache gelesen habe. ;-)
Weiterführende Links:
Im Zwielicht (deutsche Webseite von Sergej Lukjanenko)
Mittwoch, 5. August 2009
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