Montag, 30. August 2010
Die großen Jäger
Wenn man das Führungspersonal der sozialistischen und kommunistischen Parteien betrachtet, so fällt auf, daß sich viele aus dieser Personengruppe als große Jäger inszeniert haben. Die Jagdleidenschaft der führenden DDR-Genossen wie Erich Honecker u.a., deren Jagdausübung oft alles andere als weidgerecht war, ist allgemein bekannt. In der Sowjetunion war es kaum anders. Angefangen hat es mit Lenin, der eigentlich Wladimir Uljanow hieß. Er war kein entrechteter und unterdrückter Bauer oder Proletarier, sondern stammte aus einer wohlhabenden Familie, der umfangreiche Ländereien gehörten. In seiner Jugend studierte er Jura und führte zwischenzeitlich auch das Leben eines müßigen Landbesitzers, denn seine Mutter hatte ihm ein eigenes Gut geschenkt, auf dem er lernen sollte, verantwortlich zu wirtschaften.
Dieser feudale Lebensstil ist Lenin später immer wieder vorgehalten worden - war der spätere Berufsrevolutionär doch stolz auf seine adelige Herkunft. Zudem galt er trotz seiner Begeisterung für den Marxismus nicht als liberaler und fortschrittlicher Landbesitzer (die es auch gab). Im Gegenteil, er bezog fast sein gesamtes Einkommen aus Pachtzahlungen und Zinsen und verklagte 1891 sogar seine kleinbäuerlichen Nachbarn. "Im Privatleben war Lenin der Inbegriff des herzlosen Gutsbesitzers, den seine Regierung eines Tages vernichten sollte" (Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes, S. 156).
(Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Vorsitzenden der Linkspartei Klaus Ernst sind sicher rein zufällig: "Wir predigen Wein, aber wir trinken ihn auch." ;-))
Uljanow fröhnte seit seiner Jugend einer weiteren Leidenschaft der Landjunker: der Jagd. Und es sagt viel über das Justizsystem des Zarenreiches, daß er, als er 1897 zu drei Jahren Verbannung verurteilt wurde, seine Jagdflinte nach Sibirien mitnehmen durfte. Nicht nur das, auch seinen Aufenthaltsort durfte er sich aussuchen und wählte das für sein mildes Klima bekannte Dorf Schuschenskoje. Seine Frau, Nadjeshda Krupskaja, durfte ihn begleiten, ebenso eine Kiste mit Büchern. Die einzigen Einschränkungen in der Verbannung des umstürzlerischen Rädelsführers waren die Postzensur und das Verbot, Schuschenskoje zu verlassen.
In dieser komfortablen Situation las Uljanow/Lenin viel und bildete sich theoretisch fort (trotz allem konnte er Kontakt zu seinen Genossen halten), er ging auch regelmäßig auf die Jagd. Und er sollte dieser Passion fast sein gesamtes Leben treu bleiben.
Einer seiner späteren Nachfolger, Leonid Breshnjew (der "zweite Iljitsch"), machte es ähnlich. Bei einem Treffens mit dem jugoslawischen Staatschef Josip Tito posierte er in Western-Manier mit Flinte sowie Revolver und großem Jagdmesser am Gürtel. Und während Lenin noch selbst in die Natur ging, um das Wild aufzustöbern, ließen sich Breshnjew & Co. später die Tiere bis vor die Laufmündung treiben.
Bleibt die Frage: Warum übt die Jagd gerade auf linke Berufspolitiker eine solche Faszination aus? Ist es das feudale, fast schon zaristisch zu nennende Flair, womit man in der angeblich klassenlosen Gesellschaft seine Sonderstellung herausheben kann? Gewissermaßen als Krönung der ohnehin schon privilegierten Nomenklatura?
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