Seit etwa drei, vier Jahren ist Rußland wieder stärker in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit gerückt. Im Fernsehen werden nicht mehr nur die ewig gleichen Reportagen über die kalte Taiga, den Wodka und Obdachlose, sondern auch politische Berichte gesendet. Und die großen Tageszeitungen haben die Verantwortung für Kommentare über die russische Politik zunehmend von den Moskau-Korrespondenten hin zu den deutschen Redaktionen verlagert. Zudem sind viele, oft populärwissenschaftlich angehauchte Monographien aus der Feder von mehr oder weniger sachkundigen Experten (bzw. solchen, die sich dafür halten) erschienen.
Ein ausgewiesener Experte (und daher zu einer Äußerung berufen) ist der österreichische Politologe, Hochschullehrer und Blogger Gerhard Mangott, dessen im Frühjahr erschienenes Buch „Der russische Phönix – Das Erbe aus der Asche“ hiermit angezeigt werden soll. Mangotts Forschungsschwerpunkte liegen auf den internationalen Beziehungen im allgemeinen und der Sicherheitspolitik im besonderen. In wissenschaftstheoretischer Hinsicht würde ich ihn bei den Realisten verorten.
Mangotts Darstellung der jüngsten rußländischen Geschichte beginnt während des Auseinanderbrechens der Sowjetunion und endet im Jahre 2008 mit der Analyse der Politik des neuen Präsidenten Medwedew. In der Sache geht es ihm nicht um ein Sittengemälde oder um eine allgemeine Gesellschaftsgeschichte, sondern – in klassischer Manier – um die Innen- und Außenpolitik und die damit zusammenhängenden ökonomischen und sozialen Aspekte. Dabei ist ihm eine kompakte und gut lesbare Abhandlung gelungen, die trotzdem geeignet ist, auch dem im Stoff stehenden Leser zahlreiche neue Einsichten zu vermitteln.
Das Buch zeichnet sich vor allem durch seinen konstruktiv-kritischen Ansatz aus. Mangott nennt die Probleme der Putin-Ära deutlich beim Namen, ohne dabei – wie viele andere – in eine Verklärung der Regierungszeit Boris Jelzins zu verfallen. So werden etwa die Ereignisse vom September 1993 (aus denen die heutige Staatsordnung erwachsen ist) zutreffenderweise als Jelzin-Putsch eingeordnet. Auch andere „heiße Eisen“ wie der Kaukasus oder die Frage der Energiesicherheit werden ausführlich erörtert. Dabei kommt Mangott zu schlüssigen Ergebnissen, die dem deutschsprachigen Durchschnittsleser aber ein wenig ungewöhnlich erscheinen könnten, da sie hierzulande in den Mainstreammedien kaum vorkommen.
Deshalb ist „Der russische Phönix“ auch eine echte Kaufempfehlung. Eine derartige Kombination aus hervorragender Sachkenntnis, glasklarer Argumentation und differenzierender Analyse, die nicht von ideologischen Voreingenommenheiten getrübt wird, ist derzeit nur selten zu finden. (Es gibt sogar Autoren – Beispiel: Michael Stürmer –, die Bücher über Rußland schreiben, ohne überhaupt der Sprache mächtig zu sein oder über imtimere Kenntnisse des Landes zu verfügen.)
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Donnerstag, 2. Juli 2009
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