Mittwoch, 8. Juli 2009

Wie steht es um die deutsche Waffenkultur?


Vor einigen Monaten hatte ich eine Diskussion über den Nachbau einer belgischen Salonpistole. Dabei hat mir ein anderer Forennutzer empört entgegengehalten: „Die ist ja häßlich wie die Nacht.“ Aus einer rein ästhetischen Perspektive heraus mag dies stimmen. Ich habe ihm damals geantwortet, daß dieser Waffentyp in diesem Design eben Teil unseres europäischen Kulturerbes ist. Allein deshalb verdiene sie freundliche Beachtung. Im Deutschen Waffenjournal wurde vor einigen Jahren ein längerer Aufsatz zu diesen Salonpistolen publiziert (Heft 9/1994, S. 1310 ff.). Nachfolgend werden daraus die ersten drei Absätze zitiert, um zu verdeutlichen, in welchem historisch-kulturellen Kontext diese Waffen zu sehen sind:
"[…]

Ein Sonntag vor knapp 150 Jahren im württembergischen Stuttgart. Herr Epple, höherer Beamter am königlichen Hof, ist mit seiner Frau bei Familie von Grafeneck zu Gast. Nach dem ausgedehnten Mittagessen begeben sich die Herren und die beiden Söhne des Gastgebers in den Salon. Bald dreht sich das Gespräch um ein vor wenigen Tagen stattgefundenes Duell, bei dem es zum Glück nur eine leichte Verwundung gegeben hatte. Herr von Grafeneck ist als Offizier für ein Duell gerüstet. Im Wandschrank verwahrt er seinen Degen und einen Kasten mit Duellpistolen. Mit großem Interesse betrachtet sie Herr Epple, muß er doch als Akademiker ebenfalls damit rechnen, in einen oft aus nichtigem Anlaß vom Zaune gebrochenen Ehrenhandel verwickelt zu werden.

Neben den Duellpistolen liegt ein kleineres Kästchen aus schönem Wurzelmaserholz. Herr von Grafeneck entnimmt ihm eine mittelgroße Pistole, die wegen des fehlenden Hahns und der ansprechenden Form recht elegant aussieht. Auch die Ladewerkzeuge für den innenliegenden Mechanismus, eine Zündhütchenschachtel und eine Dose mit kleinen Rundkugeln legt er auf den Rauchtisch. Dann stellt er das Kästchen auf eine Kommode an der jenseitigen Wand des Salons und klappt aus ihm einen eisernen Kugelfang hoch. Das Schießen kann beginnen. Trifft man die Platte im Zentrum des Kugelfangs, klappt eine kleine Frauenfigur aus Karton hoch. Mit einer Kordel läßt sie sich wieder zurückziehen. Für die Knaben ist die Pistole zu schwer. Sie haben eine eigene, kleinere Waffe, die ihr Vater zusammen mit dem Kästchen beim Stuttgarter Hofbüchsenmacher Pfeuffer für sie gekauft hat. Natürlich schießen die Erwachsenen besser, doch auch die Knaben treffen auf die zehn Schritt immer wieder das Zentrum.

So könnte sich eine Begebenheit zugetragen haben, die mit dem Thema dieses Artikels, den Salonpistolen, verbunden ist. Leute, denen das Schießen „Spaß“ machte – sei es bei der Jagd oder auf dem Schießplatz – wollten gerne diesem Vergnügen auch zu Hause nachgehen. Der starke Knall und der Pulverdampf ließen jedoch den Gebrauch von Feuerwaffen in Haus und Garten nicht zu. So behalf man sich mit einer kleinen Armbrust in Pistolenform oder schoß mit frühen Formen von Luftpistolen.

[…]"
Der soeben zitierte Text vermittelt uns einen schönen Einblick in die bürgerliche deutsche Waffenkultur des 19. Jahrhunderts. Was hat es überhaupt mit dieser ominösen „Waffenkultur“ auf sich? Eine interessante Definition (die sich von der Engführung auf Wikipedia unterscheidet) hat dieser Blogger geprägt:
"A culture where guns are recognised as tools, respected but not feared. Where criminals are punished, but the ordinary citizen is trusted."
Also das genaue Gegenteil von dem, was derzeit durch den Großteil der deutschen Medien vermittelt wird. Ich würde diese Definition gerne ein wenig erweitern und zusätzlich den Aspekt der Normalität einführen. Waffenkultur ist somit eine Kultur, in der Waffen aller Art als unbelebte Gegenstände gelten, die mit der notwendigen Sachkunde und mit Verantwortungsbewußtsein zu handhaben sind und die in der Gesamtgesellschaft als grundsätzlich normal akzeptiert werden. Darin ist jeglicher Umgang mit Waffen eingeschlossen, sei es der bloße Besitz, die Verwendung zum Sport oder zur Jagd, das themenorientierte Sammeln oder der Selbstschutz.

Seit es Backyard Safari gibt, ist es eines meiner wichtigsten Anliegen, Waffen als Alltagsgegenstände darzustellen. Zu diesem Zweck werde ich jetzt in diesem Blog ein neues Schlagwort „Waffenkultur“ einführen und die entsprechenden Artikel damit kennzeichnen. Es gilt, der Verirrung des Zeitgeistes, wonach Waffen an sich böse und gefährlich seien – und demzufolge auch die Personen, die mit ihnen umgehen –, entgegenzutreten. Wir Legalwaffenbesitzer sind weder krank noch unnormal, sondern stehen in den besten Traditionen des Abendlandes! Oder, wie es der SPD-Bundestagsabgeordnete Wiefelspütz formuliert hat: Jagd und Schießsport gehören einfach zur deutschen Kultur.

Ein weiterer Aspekt der Waffenkultur ist die Frage, wie viele Personen in einer Gesellschaft überhaupt Waffen besitzen oder zumindest Waffenbesitzer aus eigener Anschauung kennen. Je weniger das sind, desto „unnormaler“ werden Waffenbesitzer erscheinen und desto leichter fällt es den Waffengegnern, öffentliche Unterstützung für ihre Gesetzesvorhaben zu mobilisieren, da weniger Menschen von diesen Verboten betroffen sind. Langfristig festigt also jedes in Deutschland verkaufte Luftgewehr unsere Positionen.
Besonders schön kann man diesen Zusammenhang an dem gerade in Schottland geplanten „Airgun Ban“ erkennen. In diesem Teil des Vereinigten Königreiches geht es um schätzungsweise 400.000 Druckluftwaffen. Zum Vergleich: Vom „Handgun Ban“ des Jahres 1997 waren im gesamten Land „nur“ ca. 50.000 Bürger betroffen. Allein diese Zahlen verdeutlichen, daß das Ansinnen der Scottish National Party auf weitaus stärkeren Widerstand stoßen dürfte als seinerzeit die Pläne von Tony Blair. Luftgewehre sind in Großbritannien eben weiter verbreitet und damit gesellschaftlich eher akzeptiert als Kurzwaffen für Patronenmunition.

Folglich steht die Waffenkultur in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Waffenrecht. Beide beeinflussen sich gegenseitig, wobei die Waffenkultur der entscheidende Faktor ist. Fehlt in einer Gesellschaft die Waffenkultur oder geht sie zugrunde, dann wird – über kurz oder lang – ein besonders restriktives Waffenrecht die Folge sein (Beispiel: GB). Existiert hingegen eine ausgeprägte Waffenkultur, dann wird selbst ein strenges Waffengesetz nicht allzu einschneidend angewandt werden, da es in der Gesellschaft nicht als Mittel um eines höheren Zweckes willen, sondern als Selbstzweck angesehen wird (Bsp.: Frankreich, Rußland).

Zur Waffenkultur gehört allerdings auch die Pflege der eigenen (regionalen) Traditionen. Nichts gegen das Westernschießen, aber mit Mitteleuropa und dessen Geschichte hat es nur wenig zu tun. Da sind z.B. Reenactments der napoleonischen Epoche oder des Deutsch-französischen Krieges besser geeignet, uns unserer Traditionen bewußt zu werden und dies auch in der Öffentlichkeit entsprechend zu kommunizieren. Deshalb lieber eine Salonpistole aus Lüttich als einen Vorderlader aus Harpers Ferry. ;-) (Wie weit wir uns z.T. schon von unseren eigenen Wurzeln entfern haben, mag man beispielhaft daran ablesen, daß die o.g. Salonpistole in einem deutschen Waffenkatalog schon einmal als Saloonpistole bezeichnet worden ist.) Daher ist es auch richtig, wenn ein sächsischer Field-Target-Wettkampf Stülpner-Pokal und nicht Buffalo-Bill-Cup heißt, obwohl auch der letztgenannte Name einen gewissen Reiz hätte.

Um nicht mißverstanden zu werden: Das ist kein Aufruf zu nationalistischer oder provinzieller Engstirnigkeit! Ganz gewiß nicht. Allerdings haben die letzten Monate gezeigt, wie schwer es ist, bestimmte Disziplinen, die ursprünglich aus einem anderen kulturellen Kontext stammen, gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit zu vertreten. Daher erscheint es mir geboten, die eigenen, wenn vielleicht auch etwas exotisch wirkenden Traditionen in der Argumentation stärker zu betonen. Dann würde auch vielen unbedarften Mitbürgern klarer werden, warum der baden-württembergische Justizminister Goll mit seiner These, Großkaliberschießen sei Wildwest (und somit fremd und pöse), daneben liegt.

Aber schimmert da nicht doch ein ganz klein wenig Antiamerikanismus durch? Könnte sein, jedoch wäre er zweifelsohne die Folge entsprechender Einstellungen in der deutschen Gesellschaft. Die amerikanische Waffenkultur wird hierzulande weithin abgelehnt und die NRA ist ein beliebtes Haßobjekt. Mir sind sogar deutsche Politologen (darunter Lehrstuhlinhaber) bekannt, die die NRA unverblümt als rechtsextreme Organisation titulieren. Schon deshalb wäre es kontraproduktiv, alles aus den USA „eins zu eins“ übernehmen zu wollen. Natürlich spielen die Vereinigten Staaten weltweit auch im Waffenbereich eine führende Rolle, die ich keineswegs kleinreden will. Dies entbindet uns jedoch nicht von der Aufgabe, hier und heute, in unserem eigenen Land mit seinen spezifischen Bedingungen, die deutsche Waffenkultur weiterzuentwickeln.

Eine Trennung entlang der Verbandsgrenzen wäre hierbei alles andere als hilfreich. Es wäre fatal, würde man den DSB zu einer als angestaubt und versoffen gedachten Traditionspflege verdonnern, während in anderen Verbänden Weltoffenheit und Pluralismus als Verleugnung der eigenen, jahrhundertealten Traditionen mißverstanden würden. Nur gemeinsam sind wir stark! Und die Aufgaben der Zukunft stellen sich allen gemeinsam. Wie dringlich dies ist, kann man daran erkennen, daß mittlerweile sogar die traditionellen Schützenfeste unter Beschuß stehen.

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