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Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Bestürzung habe auch ich den schrecklichen Amoklauf eines Schülers im baden-württembergischen Winnenden zur Kenntnis nehmen müssen. Die Betroffenheit über diese Tat ist indes seit einigen Tagen dem Erstaunen und auch einer gewissen Verärgerung gewichen. Anlaß dafür ist die beispiellose, mit Desinformation, Haß und Niedertracht angefüllte Medienkampagne, die im Augenblick gegen legale Waffenbesitzer im allgemeinen und Sportschützen im besonderen geführt wird.
Die Zeitschrift „Der Spiegel“ hat nun am Samstag berichtet, daß Ihr Kollege aus Bremen, Herr Innensenator Mäurer, ein Positionspapier erstellt habe, in dem weitreichende Verschärfungen des Waffengesetzes gefordert werden. Besagtes Papier soll bereits am kommenden Dienstag auf einem Arbeitstreffen der Staatssekretäre von Bund und Ländern beraten werden. Seit der Lektüre des Spiegel-Artikels befürchte ich, daß sich absonderliche Positionen bezüglich des Waffenrechts nicht nur bei Kleinparteien wie Grünen oder Linken, sondern auch bei den großen Volksparteien breitmachen. Gestatten Sie mir als Betroffenem bitte, daß ich zu einigen Punkten kurz Stellung nehme und Ihnen einige Fragen vortrage.
Im „Spiegel“ ist z.B. davon die Rede, daß sog. Softair- und Paintballwaffen verboten werden sollen. Abgesehen davon, daß diese Waffenarten in der Kriminalitätsstatistik kaum in Erscheinung treten und die derzeitigen Regelungen (insbesondere § 42a WaffG) völlig ausreichen, um den Belangen der öffentlichen Sicherheit Rechnung zu tragen, stellt sich – zumindest mir – die Frage, wie ein solches Verbot gesetzgebungstechnisch sauber umgesetzt werden soll. Denn das deutsche WaffG knüpft an den technischen Begriff der kalten Gase an, die von Druckluftwaffen verwendet werden. Technisch gesehen sind die inkriminierten sog. Softair- und Paintballwaffen mithin nichts anderes als Luftgewehre bzw. Luftpistolen. Ein Verbot dieser nur umgangssprachlich, nicht jedoch technisch und rechtlich definierten „Typen“ Softair und Paintball würde also zwangsläufig alle Druckluftwaffen treffen, die bisher bei einer Mündungsenergie unter 7,5 Joule „frei ab 18 Jahren“ waren. Damit hätte der Gesetzgeber wirklich „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“! (Insoweit ist überdies die EG-Spielzeugrichtlinie zu beachten.)
Es wird ferner diskutiert, daß künftig Schußwaffen – alle oder „nur“ die WBK-pflichtigen? – zentral gelagert werden sollen. Jedem vernünftigen Menschen dürfte allerdings klar sein, daß dieses Ansinnen untunlich ist. Für eine Lagerung bei Behörden (z.B. Polizeidienststellen) fehlt es nicht nur an den erforderlichen Liegenschaften und deren technischer Ausstattung, sondern auch am notwendigen Personal. Ebenso würde eine Lagerung auf den Schießständen, die regelmäßig in dünn besiedelten Gebieten gelegen sind, ganz erhebliche Kosten aufwerfen und zudem „ungebetene Besucher“ geradezu einladen. Herr Minister, wie schnell könnten bei einem Einbruch angemessen starke Polizeikräfte vor Ort sein, um einen (größeren) Diebstahl zu verhindern? Dieser Vorschlag wirft weitere, erhebliche Sicherheitsfragen auf: Dann hätten nämlich nur noch sehr wenige Personen Zugang zu Waffen und Munition. Was passiert, wenn gerade einer davon – was Gott verhüten möge! – diese Gelegenheit nutzen würde, um eingelagerte Waffen zu stehlen oder damit Straftaten zu begehen? Aus den genannten Gründen ist die dezentrale Lagerung der Waffen bei ihren Besitzern – im Rahmen der Regeln des § 36 WaffG sowie der AWaffV – auch aus Sicht der öffentlichen Sicherheit die beste Lösung.
Das gleiche gilt für die Aufbewahrung der Munition. Jede Schußwaffe, vom Luftgewehr bis zur Großkaliber-Scheibenbüchse für die 300-Meter-Disziplinen, hat eine bestimmte Munitionssorte, mit der sie am besten schießt. (Wenn Sie mir nicht glauben sollten, so werden Ihnen die Spezialisten Ihres SEK dies bestätigen.) Das heißt, jeder Waffenbesitzer muß die für seine Waffe ideale Munition herausfinden, selbige kaufen und bis zum Verbrauch lagern. Wie soll das zuverlässig funktionieren bzw. organisiert werden, wenn es – wie z.T. gefordert – nur noch eine zentrale Munitionsausgabe auf dem Schießstand gäbe? Wie soll bei Wettkämpfen auf fremden Schießständen verfahren werden? Was macht man mit den Jägern, die ihre Munition zwangsläufig im Revier mitführen müssen? (Aus den beiden eben genannten Gründen sind auch alle Ideen bezüglich GPS-gesteuerter Waffen abwegig.) Für manche Schußwaffen ist heute keine Fabrikmunition mehr erhältlich, weshalb die Besitzer gezwungen sind, ihre Patronen selbst zu laden. Wie würde damit umgegangen, wenn es zu den angedachten Beschränkungen im Munitionsbereich käme?
Von einem Teil der Presse ist überdies eine geradezu bizarr wirkende Debatte losgetreten worden, nämlich die über die Gesamtzahl der in Deutschland legal besessenen Schußwaffen. Dabei werden in schrillen Tönen Horrorszenarien an die Wand gemalt und es wird mit immer neuen Millionenzahlen operiert, als ob sich damit eine „latente Gefahr“ belegen ließe. Tatsache ist jedoch, daß der Täter in Winnenden nur eine, eine einzige Pistole benutzt hat – und nicht zwei, fünf oder zehn. Schon deshalb geht diese Diskussion an eventuell vorhandenen Problemen vorbei. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, worin der angebliche kausale Zusammenhang zwischen der Anzahl der Waffen, die ein Bürger legal besitzt, und der öffentlichen Sicherheit bestehen soll. Es gibt Millionen von rechtschaffenen Bürgern, die, obwohl sie zahlreiche Waffen besitzen, keinerlei Straftaten damit begehen. Den kriminellen Zeitgenossen hingegen genügt eine einzige, um Schaden anzurichten, so nicht nur in Winnenden geschehen, sondern auch in Lauf an der Pegnitz beim Amoklauf einer jungen Polizeibeamtin im Januar 2009.
Im Zusammenhang damit erlaube ich mir, auf die Forderung Ihres Berliner Kollegen, Herrn Innensenator Körting, einzugehen, wonach Jäger in Zukunft nicht mehr als drei Langwaffen bewilligt bekommen sollen. Herr Senator Körting ignoriert hier die Tatsache, daß unterschiedliche Wildarten auch unterschiedliche Waffen und Kaliber erfordern. Mit dem von ihm weiters angedachten Verbot von Kurzwaffen würde er den Jägern zudem die Fangschußwaffen nehmen, welche sie für die waidgerechte Jagdausübung benötigen.
Eine Personengruppe ist in den letzten Wochen weithin unbeachtet geblieben: die Waffen- und Munitionssammler mit einer „roten“ Waffenbesitzkarte gem. § 17 WaffG. Wenn in den letzten Tagen schon die angeblich gewaltigen „Waffenarsenale“ der Sportschützen und Jäger Anlaß zu medialer Empörung waren, was soll dann erst aus den mit sehr viel Engagement zusammengetragenen kultur- und technikgeschichtlichen Waffensammlungen werden, die meist Dutzende, bisweilen sogar über hundert Stücke umfassen? Sollen die auch zentral gelagert werden? Oder würden die Sammler enteignet und dafür staatliche Museen eingerichtet? Oder würde alles beim alten bleiben? Letzteres wäre im Falle von entsprechenden Verschärfungen für andere Waffenbesitzer allerdings nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 I GG; Art. 7 I Verf LSA) zu vereinbaren.
Des weiteren war in den vergangenen Tagen immer wieder zu hören, daß sich Sportwaffen angeblich substantiell von als „Mordwaffen“ titulierten Schußwaffen unterschieden würden, wobei es sich bei letzteren um solche Geräte handeln soll, die primär für die Verwendung bei Behörden entworfen worden sind. (In diesem Kontext ist interessant, daß einige Journalisten kein Problem damit haben, Soldaten und Polizisten auf diesem Weg implizit als „Mörder“ zu beschimpfen – ohne, daß sich dagegen öffentlicher Widerspruch regt. Herr Minister, bitte stellen Sie sich vor unsere Polizei!)
Diese Differenzierung ist, waffentechnisch und waffengeschichtlich betrachtet, schlichtweg falsch! Die Konstrukteure von Handfeuerwaffen haben sich nur höchst selten auf ein spezifisches Anwendungsgebiet festgelegt. So wurde z.B. das 98er System von Mauser schon kurz nach seiner Einführung bei diversen Streitkräften auf der ganzen Welt auch für Jagd- und Scheibenbüchsen verwendet. Die heute z.T. lautstark beklagte Verwendung von „Militärwaffen“ im Schießsport ist somit keine „Marotte“ von ein paar Außenseitern, sondern, historisch gesehen, die Normalität. (Entsprechende Beispiele sind Legion.) Zudem erhebt sich die Frage, ab wann eine „Militärwaffe“ denn den Status einer „besonders bösen“ Waffe erhält? Trifft das auch auf das alte Steinschloßgewehr aus den napoleonischen Kriegen zu? Oder auf einen zum Scheibenschießen noch heute gern genutzten „Schwedenmauser“ Modell 1896? Und eine der präzisesten Sportpistolen des 20. Jahrhunderts, die SIG P 210, ist ursprünglich als Ordonnanzwaffe für die Schweizer Armee entwickelt worden. Andererseits erfreuen sich ausgerechnet die vermeintlich „typisch sportlichen“ Kleinkaliberpistolen bei israelischen Nachrichtendiensten großer Beliebtheit.
Wie Sie sehen, ist eine strikte Unterscheidung von „reinen“ Sport- und „reinen“ Militärwaffen künstlich und de facto unmöglich, denn sie läßt sich weder historisch, noch technisch, noch juristisch sauber definieren. Der tiefere Grund einer derartigen Forderung liegt m.E. entweder – wie bei den Grünen – in einem ideologisch begründeten Pazifismus oder in einer irrationalen Angst vor Waffen aller Art (Hoplophobie).
Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich ersuche Sie höflichst, Ihren gesamten Einfluß auf Bundesebene geltend zu machen, um die ganz erheblichen Nachteile und Grundrechtseinschränkungen abzuwenden, die sich für die deutschen Legalwaffenbesitzer ergeben würden, falls die Vorstellungen des Herrn Senator Mäurer Gesetzeskraft erlangen sollten. Die übergroße Mehrheit der betroffenen Bürger hat in der Vergangenheit keine Verbrechen begangen, und angesichts des unerheblichen Anteils von legal besessenen Schußwaffen an der Kriminalstatistik (wobei dort Waffen aus Behördenbeständen inkludiert sind) ist auch für die Zukunft kein gegenläufiger Trend zu befürchten. Wegen der Wahnsinnstat eines einzelnen dürfen nicht ganze Bevölkerungsgruppen in Kollektivhaftung genommen werden. Das stände in eklatantem Widerspruch zu unserer abendländischen Rechtstradition.
Des weiteren bitte ich Sie, unter Berücksichtigung des Staatszieles Sport (Art. 36 I Verf LSA), alles dafür zu tun, daß der hierzulande seit Jahrhunderten gepflegte Schießsport eine Zukunft auch über das Jahr 2009 hinaus hat. Das betrifft alle vom Bundesverwaltungsamt nach gründlicher Prüfung anerkannten Schießsportverbände und ihre Disziplinen (vgl. § 15 WaffG). Und bitte widerstehen Sie populistischen Forderungen zweifelhafter Provenienz, die keinen meßbaren Sicherheitsgewinn versprechen oder unverhältnismäßig sind! Als Innenminister sind Sie schließlich für die öffentliche Sicherheit, nicht jedoch für die öffentliche Meinung verantwortlich. Ich möchte – gerade auch wegen der Unrechtserfahrungen in der DDR – heute in einem Rechtsstaat leben, nicht jedoch in einem von emotionaler Politik, hektischem Aktionismus und symbolischer Gesetzgebung geprägten Maßnahmestaat.
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