Montag, 30. August 2010
Die großen Jäger
Wenn man das Führungspersonal der sozialistischen und kommunistischen Parteien betrachtet, so fällt auf, daß sich viele aus dieser Personengruppe als große Jäger inszeniert haben. Die Jagdleidenschaft der führenden DDR-Genossen wie Erich Honecker u.a., deren Jagdausübung oft alles andere als weidgerecht war, ist allgemein bekannt. In der Sowjetunion war es kaum anders. Angefangen hat es mit Lenin, der eigentlich Wladimir Uljanow hieß. Er war kein entrechteter und unterdrückter Bauer oder Proletarier, sondern stammte aus einer wohlhabenden Familie, der umfangreiche Ländereien gehörten. In seiner Jugend studierte er Jura und führte zwischenzeitlich auch das Leben eines müßigen Landbesitzers, denn seine Mutter hatte ihm ein eigenes Gut geschenkt, auf dem er lernen sollte, verantwortlich zu wirtschaften.
Dieser feudale Lebensstil ist Lenin später immer wieder vorgehalten worden - war der spätere Berufsrevolutionär doch stolz auf seine adelige Herkunft. Zudem galt er trotz seiner Begeisterung für den Marxismus nicht als liberaler und fortschrittlicher Landbesitzer (die es auch gab). Im Gegenteil, er bezog fast sein gesamtes Einkommen aus Pachtzahlungen und Zinsen und verklagte 1891 sogar seine kleinbäuerlichen Nachbarn. "Im Privatleben war Lenin der Inbegriff des herzlosen Gutsbesitzers, den seine Regierung eines Tages vernichten sollte" (Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes, S. 156).
(Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Vorsitzenden der Linkspartei Klaus Ernst sind sicher rein zufällig: "Wir predigen Wein, aber wir trinken ihn auch." ;-))
Uljanow fröhnte seit seiner Jugend einer weiteren Leidenschaft der Landjunker: der Jagd. Und es sagt viel über das Justizsystem des Zarenreiches, daß er, als er 1897 zu drei Jahren Verbannung verurteilt wurde, seine Jagdflinte nach Sibirien mitnehmen durfte. Nicht nur das, auch seinen Aufenthaltsort durfte er sich aussuchen und wählte das für sein mildes Klima bekannte Dorf Schuschenskoje. Seine Frau, Nadjeshda Krupskaja, durfte ihn begleiten, ebenso eine Kiste mit Büchern. Die einzigen Einschränkungen in der Verbannung des umstürzlerischen Rädelsführers waren die Postzensur und das Verbot, Schuschenskoje zu verlassen.
In dieser komfortablen Situation las Uljanow/Lenin viel und bildete sich theoretisch fort (trotz allem konnte er Kontakt zu seinen Genossen halten), er ging auch regelmäßig auf die Jagd. Und er sollte dieser Passion fast sein gesamtes Leben treu bleiben.
Einer seiner späteren Nachfolger, Leonid Breshnjew (der "zweite Iljitsch"), machte es ähnlich. Bei einem Treffens mit dem jugoslawischen Staatschef Josip Tito posierte er in Western-Manier mit Flinte sowie Revolver und großem Jagdmesser am Gürtel. Und während Lenin noch selbst in die Natur ging, um das Wild aufzustöbern, ließen sich Breshnjew & Co. später die Tiere bis vor die Laufmündung treiben.
Bleibt die Frage: Warum übt die Jagd gerade auf linke Berufspolitiker eine solche Faszination aus? Ist es das feudale, fast schon zaristisch zu nennende Flair, womit man in der angeblich klassenlosen Gesellschaft seine Sonderstellung herausheben kann? Gewissermaßen als Krönung der ohnehin schon privilegierten Nomenklatura?
Verwandte Beiträge:
Egalitäre Privilegien in der Sowjetunion
"Jagd in Steppe, Wald und Eis"
Das Laboratorium der Moderne
Stalin im heutigen Rußland
"Aufzeichnungen eines Jägers"
11.08.2009: Text des Tages
Samstag, 28. August 2010
28.08.2010: Videos des Tages
Russlandjournal.de bietet nicht nur einen (kostenlosen) podcast-basierten Sprachkurs an, sondern hat jetzt auch zwei Videos bei Youtube hochgeladen, in denen ein paar wichtige Worte und Redewendungen der russischen Sprache erklärt werden. Eine gute Idee, wie ich finde. :-)
Verwandte Beiträge:
Sprachkurs per Internet und Handy
Lesenswerte Rußland-Blogs
Verwandte Beiträge:
Sprachkurs per Internet und Handy
Lesenswerte Rußland-Blogs
Freitag, 27. August 2010
Schießsport in der ehemaligen UdSSR und Rußland
Dieser Artikel dient als Übersicht für die bereits erschienenen und schon geplanten Beiträge über den Schießsport in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten, insbesondere der Rußländischen Föderation.
1. Allgemeines
Zur Lage des Schießsports in Rußland
Luftpistolenschießen wird immer populärer
Exkurs zum sowjetischen Sportsystem
Schießsport im Fernsehen
Luftgewehrschützen in St. Petersburg
Dominante Marken
Deutsche Debatten und die Russen
Gute Ideen
Der Schießstand in Mytischtschi
Rückblende in die 30er
28.05.2011: Video des Tages
2. Personen
Anatolij Bogdanow
Jefim Chajdurow
Allan Erdmann
Ljubow Galkina
Moisej Itkis
Kira Klimowa (Interview)
Machmud Umarow
Lew Weinstein
Larissa Zuranowa (geb. Gurwitsch), Jurij Zuranow, Konstantin Zuranow
3. Aufsätze, Filme
Bogdanow: Das Training des Sportschützen
Umarow: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Weinstein: Schießen mit der Scheibenpistole
Weinstein: Der Sportschütze und der Tonus
Lehrfilm: Die Grundlagen des Pistolenschießens
4. Buchvorstellungen
Jurjew: Sportschießen
Umarow: Die Psyche des Schützen
Weinstein: Sportliches Schießen mit Faustfeuerwaffen
5. Wettkampfberichte
Die Russischen Schießsport-Meisterschaften 2010
Die Schützen-WM 1954
ISSF-Weltmeisterschaft 2010
6. Jagd, sonstiges
"Jagd in Steppe, Wald und Eis"
Die großen Jäger
Vier alte Sportgewehre
Mittwoch, 25. August 2010
Die Drangsalierung der Sportschützen
Die am 10. August zu Ende gegangene 50. Weltmeisterschaft der ISSF hat mich zum Nachdenken über die waffenrechtliche Lage des deutschen Schießsports angeregt, befinden wir uns doch seit fast eineinhalb Jahren unter Dauerfeuer von Volksentwaffnern in Politik und Medien. Die deutschen Schützen sind in einer fast schon extrem anmutenden Art und Weise waffenrechtlich reglementiert. Das betrifft nicht nur die strengen Regeln für den Erwerb und Besitz von Schußwaffen, sondern auch für zahllose andere Bereiche des Waffenrechts, die sich oft erst bei näherem Hinsehen erschließen.
Jürgen Kohlheim - Verwaltungsrichter a.D. und Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes - hat dafür in seiner 2009 abgegebenen Stellungnahme vor dem Bundestagsinnenauschuß treffende Worte gefunden, als er ausführte, daß von der vielbeschworenen Autonomie des Sports wegen der starken staatlichen Reglementierung des Schießsports keine Rede mehr sein könne. Nachfolgend möchte ich an drei Komplexen aufzeigen, welchen Schikanen die deutschen Schützen ausgesetzt sind. Ähnliches sucht man in anderen Sportarten (zum Glück noch) vergebens.
Bedürfnisprinzip
In § 8 WaffG ist das Bedürfnisprinzip verankert. Es entfaltet seine Wirkungen jedoch nicht nur hinsichtlich des Erwerbs erlaubnispflichtiger Schußwaffen, sondern reicht weit darüber hinaus. Wer möchte, sollte einmal der Volltext des Waffengesetzes und der Allgemeinen Waffenverordnung nach dem Wort "Bedürfnis" durchsuchen - er wird viele Treffer haben. Das Bedürfnisprinzip ist die Stellschraube im deutschen Waffenrecht, mit der man die Bürger fast grenzenlos schikanieren kann, die jedoch keine sicherheitsrelevanten Wirkungen entfaltet. Diese Aufgabe kommt nämlich den Kriterien der Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und persönlichen Eignung (§ 6 WaffG) zu.
Im folgenden werde ich mich auf eine Konstellation beschränken, nämlich den Transport WBK-pflichtiger Waffen durch Sportschützen. Einschlägig ist hier § 12 III Nr. 2 WaffG:
"Einer Erlaubnis zum Führen von Waffen bedarf nicht, wer [...] diese nicht schussbereit und nicht zugriffsbereit von einem Ort zu einem anderen Ort befördert, sofern der Transport der Waffe zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erfolgt".Auf den ersten Blick hört sich das nicht schlecht an. Die waffe darf weder schuß- noch zugriffsbereit sein - was das ist, wird in der Anlage erklärt und niemand wird etwas gegen diese Bestimmung einzuwenden haben. Doch der Knackpunkt liegt in dem geforderten vom Bedürfnis (vgl. § 8 WaffG) umfaßten Zweck bzw. dem damit bestehenden Zusammenhang.
Das Bedürfnis des Sportschützen ist logischerweise die Ausübung des Schießsports (vgl. § 14 WaffG). In § 15a I 1 WaffG werden wir darüber aufgeklärt, was unter diesem Sport zu verstehen ist:
"Sportliches Schießen liegt dann vor, wenn nach festen Regeln einer genehmigten Sportordnung geschossen wird."Die Schützen und ihre Organisationen dürfen also nicht darüber entscheiden, wie sie ihrem Sport nachgehen wollen, sondern es bedarf zuvor einer vom Bundesverwaltungsamt genehmigten Sportordnung oder einer Ausnahmegenehmigung (vgl. § 5 III AWaffV).
Zur Problematik der Sportordnungen unten mehr, jetzt bleiben wir beim Waffentransport durch Sportschützen. Dieser darf, wie allgemein anerkannt ist, auf dem Weg von und zum Schießstand, Büchsenmacher u.ä. erfolgen. Wie sieht es jedoch mit Schießveranstaltungen im Ausland aus? Dort wird natürlich auch Schießsport betrieben, aber eben nach eigenen Reglements, die weder von der dortigen Obrigkeit noch vom deutschen BVA abgesegnet worden sind.
Bei einer engen und besonders restriktiven Auslegung von § 13 III WaffG handelt es sich dabei nicht um Schießsport! Ergo hätte ein deutscher Schütze, der daran teilnehmen möchte, das Problem, daß er seine Waffe nicht bis zur Grenze transportieren darf. (Ab der Grenze gilt dann anderes Recht.) Tut er es dennoch, würde es sich bei diesem Transport um ein unerlaubtes Führen von Schußwaffen handeln, was gem. § 52 III Nr. 2 lit. a WaffG strafbar ist.
Ähnlich stellt sich die Lage für einen Schützen dar, der im Ausland nicht an einem organisierten Wettkampf teilnehmen will, sondern einfach seine Waffe mit in den Urlaub nehmen möchte, um dort die freie Zeit für ein intensives Training zu nutzen. Schließlich gibt es auch entsprechend spezialisierte Hotels. (Die Rechtsfragen des Grenzübertritts sowie den Europäischen Feuerwaffenpaß lassen wir hier einmal außer Betracht.)
Was will er denn dort trainieren? Wie soll die Beachtung der spezifisch deutschen Sportordnungen im Ausland sichergestellt werden? Auch hier wird der restriktive deutsche Beamte im Zweifelsfall "Halt!" rufen und die Auslandsreise unterbinden, da sie in der geplanten Form keinem vom Bedürfnis des § 8 WaffG umfaßten Zweck diene.
So entfaltet unser WaffG Wirkungen, die über die ganze Welt reichen. Glücklicherweise sind mir derart enge und böswillige Auslegungen bisher nicht bekannt geworden. Doch das könnte sich eines Tages ändern.
Sportordnungen
Kommen wir zu den soeben schon erwähnten Sportordnungen. In § 15a WaffG und, darauf aufbauend, § 5 AWaffV finden sich dazu detaillierte Regelungen. In Deutschland dürfen somit nicht die Sportler oder ihre Verbände bestimmen, wie der Sport betrieben werden soll. Das ist Aufgabe des Staates, auch wenn pro forma von einer Genehmigung der Sportordnung die Rede ist. Wie unsere politische Klasse wirklich denkt, zeigt die Formulierung von § 15a II 2 WaffG:
"Die Genehmigung einer Sportordnung muss im besonderen öffentlichen Interesse liegen."Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber geht davon aus, daß regelmäßig ein öffentliches Interesse daran bestehe, daß kein Schießsport betrieben werden darf. Ergo müssen diejenigen Untertanen, die so frech sind und diesen Sport dennoch ausüben wollen, ein "besonderes öffentliches Interesse" geltend machen, damit die Obrigkeit in ihrer unendlichen Gnade und Güte eine Ausnahme von der Regel macht.
Welche weiteren Auswirkungen haben nun die Sportordnungen? Eine haben wir oben schon behandelt, ein weiterer Fallstrick ist in § 9 I Nr. 2 AWaffV versteckt:
"Auf einer Schießstätte ist [...] das Schießen mit Schusswaffen und Munition auf der Grundlage der für die Schießstätte erteilten Erlaubnis (§ 27 Abs. 1 Satz 1 des Waffengesetzes) nur zulässig, wenn [...] geschossen wird [...] auf der Grundlage einer genehmigten Schießsportordnung, [...]"D.h. Schießen außerhalb der - natürlich vorher genehmigten - Sportordnung ist Sportschützen generell untersagt. Dabei geht es nicht etwa, wie man vielleicht zunächst denken könnte, um das Verbot des kampfmäßigen Schießens, denn das ist andernorts geregelt worden (§ 27 VII 1 WaffG). Vielmehr geht es um nichts anderes als die Schikanierung des Sportschießens. Ein sachlicher und vernünftiger Grund für diese Bestimmung, etwa hinsichtlich einer Förderung der öffentlichen Sicherheit, ist nicht ersichtlich.
Ein einfaches Beispiel, was die Problematik jedoch hervorragend illustriert: Franz-Xaver Müller-Schulze hat sich eine Luftpistole gekauft. Freudig begibt er sich auf den Schießstand des örtlichen Schützenvereins, um sie zu testen. Er trägt sich als Gastschütze ein und mietet eine 10-m-Bahn. Dort positioniert er eine alte 12er Ringscheibe vor dem Kugelfang und beschießt diese mit 24 Diabolos. Danach packt er seine Sachen zusammen und geht vergnügt nach Hause.
Ende gut, alles gut? Leider nein. Bei einer besonders engen und restriktiven Auslegung der soeben genannten waffenrechtlichen Bestimmungen war Müller-Schulzes Tun illegal, auch wenn es völlig harmlos ist. Erstens entsprach seine Luftpistole nicht den technischen Anforderungen der einschlägigen Sportordnung. Zweitens hätte er die in der Sportordnung festgelegten 10er Ringscheiben benutzen müssen. Drittens hat er die LP - entgegen der Sportordnung - im beidhändigen Anschlag gehalten. Und viertens hätte er nicht nur 24 Schuß abgeben dürfen, sondern mindestens die laut Wettkampfregeln geforderten 40 Diabolos verfeuern müssen.
Auch hier gilt: Glücklicherweise stört sich bisher niemand an Bürgern, die z.B. nur mit ihren Druckluftwaffen schießen wollen, ohne große sportliche Ambitionen zu haben - weder in den Vereinen noch in den Amtsstuben. Doch ganz strenggenommen ist es illegal.
Dagegen könnte man einwenden, daß solche Fälle doch über § 5 IV AWaffV ohne weiteres aufgefangen werden können. Doch setzt diese Bestimmung wiederum eine genehmigte Sportordnung voraus, in die dann Ausnahmen eingebaut werden müssen.
Dieses Ineinandergreifen von unterschiedlichen Regeln über technische Schießstandsicherheit, Sportordnungen und sonstigem vereins- bzw. verbandsinternem Recht führt in der Praxis bisweilen zu einem für den Einzelnen unentwirrbaren Knäuel von Vorschriften, deren Sinnhaftigkeit, Geltung und Rechtsgrundlage kaum hinterfragt wird.
Beispiel: Viele Druckluftwaffen-Schießstände des DSB weisen neben der Energiebegrenzung (die berühmten 7,5 Joule) zusätzlich eine Kaliberbegrenzung auf 4,5 mm auf. Warum? Laut WaffG ist die Mündungsenergie maßgeblich und das sollte auch für aus sicherheitstechnischer Sicht gelten. Eine Kaliberbegrenzung findet sich lediglich in der DSB-Sportordnung, doch gilt diese eigentlich für sportliche Wettkämpfe, nicht für die technische Zulassung eines Schießstandes durch die zuständige Behörde. Die Frage nach dem Grund konnte mir bisher niemand beantworten. Vermutlich haben wir es mit einem ungeschickten Konglomerat aus technischen Anforderungen des öffentlichen Rechts und sportlichen Anforderungen des (privaten) Vereinsrechts zu tun.
Wobei sich mir gerade die Frage stellt, ob man die Sportordnungen, so wie sie vom deutschen Waffenrecht ausgestaltet worden sind, überhaupt noch der Sphäre des Privatrechts zuordnen kann?
"Randsportart" und Ausnahme-Sport
Zum Komplex der Altersgrenzen im WaffG und insbesondere zu deren verfassungsrechtlichen Zulässigkeit hatte ich mich schon im November 2009 geäußert. Daraufhin schrieb mir ein Leser, daß dies in der Praxis kein Problem darstelle, denn die in § 27 IV WaffG bzw. § 3 III WaffG vorgesehenen Ausnahmegenehmigungen würden in der Regel ohne größere Probleme erteilt. Dem muß ich widersprechen. Es ist juristisch ein großer Unterschied, ob die Rechtsposition eines jugendlichen Sportschützen auf dem Gesetz selbst beruht, oder ob sie lediglich durch eine behördliche Ausnahme-Genehmigung geschaffen wurde. Letztere kann ohne viel Federlesens zurückgenommen bzw. widerrufen werden.
Dies ist eine der großen Entwicklungstendenzen des deutschen (und europäischen) Waffenrechts. An die Stelle gesetzlich verbriefter Rechte treten behördlich eingeräumte Ausnahmebewilligungen. So kann man eine zeitlang den status quo erhalten und die Legalwaffenbesitzer in der trügerischen Sicherheit wiegen, daß es schon nicht so schlimm sei. Doch sobald der politische Wille für ein Umsteuern vorhanden ist, braucht es nur ein paar Federstriche der Exekutive (nicht des Gesetzgebers!) - und für brave Bürger stürzen Welten ein.
Exemplarisch dafür steht das Verbot des Transports von Munition im Fluggepäck. Die EU-Verordnung 185/2010 hat diesen verboten, doch das deutsche BMI erteilte eine generelle Ausnahmegenehmigung für deutsche Flughäfen. So weit nicht schlecht, nur wie dauerhaft wird diese Erlaubnis sein? Und was nützt sie, wenn andere Staaten nicht mitmachen, sondern beim Verbot bleiben?
Die Jugendarbeit ist ein weiterer Bereich, an dessen rechtlicher Ausgestaltung sich die zunehmende Einengung der deutschen Sportschützen ablesen läßt. Einerseits verlangt § 15 I Nr. 4 lit. b WaffG, daß Schießsportverbände, die sich um die - de facto unbedingt notwendige - staatliche Anerkennung bemühen, Jugendarbeit und Nachwuchsförderung betreiben sollen. Andererseits wird eben diese Jugendarbeit immer weiter erschwert, indem die Altersgrenzen für das Schießen mit bestimmten Waffen angehoben werden (§ 27 III WaffG, ebenso § 14 I für den Erwerb). Seit der letzten WaffG-Änderung im Juli 2009 ist Personen unter 18 Jahren nicht einmal mehr das Vorderladerschießen gestattet.
Das führt bisweilen zu komischen Regelungen in den Sportordnungen. Beispiel: Einerseits wurden in mehreren Verbänden interessante neue Disziplinen für das Schießen mit Luftgewehren und -pistolen eingeführt, andererseits hat man sie auf Schützen unter 18 Jahren beschränkt. Der Grund hierfür dürfte auch in der (nicht unbegründeten) Befürchtung der Verbände liegen, daß sie sonst Gefahr laufen würden, ihre Disziplinen für WBK-pflichtige Waffen auszuhöhlen. Schließlich könnte ein Politiker sagen: "Ihr schießt dieses Programm doch mit der LP, wozu braucht ihr noch KK- oder (Gott sei bei uns) Großkaliberpistolen? Das sind ja alles Mordwaffen."
Die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der soeben erwähnten Ausnahmegenehmigungen sind ebenfalls nicht frei von Widersinnigkeiten. § 27 IV WaffG lautet:
"Die zuständige Behörde kann einem Kind zur Förderung des Leistungssports eine Ausnahme von dem Mindestalter des Absatzes 3 Satz 1 bewilligen. Diese soll bewilligt werden, wenn durch eine ärztliche Bescheinigung die geistige und körperliche Eignung und durch eine Bescheinigung des Vereins die schießsportliche Begabung glaubhaft gemacht sind."Wie, bitteschön, soll eine seriöse Bescheinigung über die schießsportliche Begabung eines Kindes oder Jugendlichen ausgestellt werden, wenn es diesem jungen Menschen vom selben Gesetz verboten wird, eine Waffe auch nur in die Hand zu nehmen, geschweige denn damit zu schießen (§ 2 I WaffG)?
Resümee
Das deutsche Waffenrecht wurde seit Jahren regelmäßig verschärft. Viele dieser Änderungen haben jedoch keinerlei Sicherheitsrelevanz. Vielmehr ging und geht es darum, das Sportschießen immer weiter in die Position einer gesellschaftlich unerwünschten Randsportart zu drängen, die noch für eine gewisse Zeit als Ausnahme-Sportart geduldet wird.
Insbesondere die Bestimmungen zur Jugendarbeit, die zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt ist, zielen darauf ab, die personelle Basis des Schießsports zu verkleinern. Potentielle Interessenten sollen durch absurd hohe Hürden und bürokratischen Aufwand vergrault werden, so daß sie sich ein anderes Hobby suchen. Wie bereits gesagt: Diese Hürden haben nichts mit den sicherheitsrelevanten Kriterien der Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung zu tun! Denn viele Restriktionen gelten nur für Sportschützen, nicht aber für Jäger. Bei letzteren hofft der Gesetzgeber offenbar auf eine soziale Selektion, also darauf, daß die Jagdausübung so aufwendig ist, daß sie sich nur relativ wenige Bürger leisten können.
Diese Entwicklung ist nicht nur das Werk linker Waffengegner; "bürgerliche" Politiker aus CDU und CSU waren maßgeblich daran beteiligt. Es gilt jetzt für die deutschen Sportschützen, den politischen Widerstand dagegen zu verstärken und sich auf einen langen Kampf einzustellen. Sonst wird unser Sport immer weiter ins Abseits gedrängt und man nimmt uns irgendwann sogar die Druckluftwaffen weg.
Verwandte Beiträge:
Ist die jüngste Verschärfung des Waffenrechts verfassungswidrig?
Neues zur Waffensteuer
Die Grünen wollen sogar Luftgewehre verbieten
Künasts Selbstentlarvung
"Das Schießen erzieht geistesgegenwärtige überlegene Menschen"
Montag, 23. August 2010
Die Brigaden des russischen Heeres
Eine der wesentlichen Neuerungen der seit Ende 2008 in Rußland laufenden Militärreform ist die Umstellung der Landstreitkräfte von der Divisions- auf die Brigadestruktur. Nominell wurde dies bereits vor einem Jahr abgeschlossen, doch waren die neuen Brigaden teilweise recht bunt zusammengewürfelt. Derzeit existieren: 39 Allgemeine Brigaden, 21 Raketen- und Artilleriebrigaden, 7 Brigaden der Truppenluftabwehr, 12 Fernmeldebrigaden und 2 Brigaden für funkelektronischen Kampf. Eine Übersicht über die Verbände und ihre Stationierungsorte ist hier und hier zu finden.
Im folgenden sollen uns die 39 Allgemeinen Brigaden interessieren, die mit ihren Infanterie- und Panzerbataillonen sowie Unterstützungseinheiten den Kern der Landstreitkräfte der Rußländischen Föderation bilden.
Bisher war eine Mot. Schützen- oder Panzerbrigade in der russischen Armee - wie zuvor auch in der Sowjetarmee - meist ein verstärktes Regiment mit 5 bis 6 Bataillonen Kampftruppen (Mot. Schützen und Panzer) plus Unterstützungstruppen. Die Gliederungen waren sehr variantenreich und hingen meist vom konkreten Einsatzraum und dessen Besonderheiten ab. Derartige Brigaden waren für Aufgaben vorgesehen, für die sich der Einsatz einer vollständigen Division nicht lohnte; sie waren immer "selbständig", d.h. in keine Division eingebunden. Letztere bestanden klassischerweise aus Regimentern sowie selbständigen Bataillonen und Kompanien.
Dies hat sich nun geändert, seit es keine Divisionen mehr gibt. In den letzten Jahren wurde, auch bei Übungen, mit den Brigaden experimentiert. Was seit Monaten gerüchteweise bekannt war, wurde im Juli von Generalstabschef Nikolaj Makarow bestätigt:
"[...]Die Landstreitkräfte sollen also "leichter" werden. Wer moderne Konzepte aus den NATO-Staaten, namentlich den USA, kennt, wird Parallelen feststellen (Stichwort: Stryker). Die neuen leichten Brigaden würden dann vermutlich über keine "organischen" Kampfpanzer mehr verfügen - ein Novum in der jüngeren russischen Militärgeschichte.
Die russische Armee stellt ab diesem Jahr „leichte Brigaden“ auf. Die neuen militärischen Formationen sollen statt auf Panzern und Schützenpanzern auf Fahrzeugen mit konventionellen Fahrwerken fahren und deshalb mobiler sein.
Das teilte Generalstabschef Nikolai Makarow am Mittwoch in Moskau mit. „Heute trennen wir unsere Brigaden in schwere (Raupenpanzer), mittelschwere (Schützenpanzer) und leichte (gepanzerte Militärfahrzeuge). Leichte Brigaden haben wir bislang nicht. Wir beginnen aber schon in diesem Jahr mit ihrer Aufstellung“, sagte der Generalstabschef.
Darüber hinaus sollen alle Brigaden im Rahmen des bis 2020 angelegten Rüstungsprogramms mit „vereinheitlichten Gleisketten- und Automobilplattformen“ ausgestattet werden. Das solle es ermöglichen, die Brigaden schneller über weite Entfernungen zu verlegen, sagte der General. Diese würden ohne schwere Militärtechnik verlegt, mit der sie schon vor Ort versorgt werden können.
[...]"
Dazu paßt auch das neuerwachte Interesse an leichten gepanzerten Radfahrzeugen. Ab 2011 sollen LMV M65 von Iveco in Lizenz produziert werden und die einheimischen Modelle Tigr und Wolk ergänzen. Und das, obwohl der LMV ein schlechteres Preis-Leistungsverhältnis haben soll (siehe dazu auch hier und hier).
Damit ist allerdings noch nichts über die genaue Struktur der Brigaden gesagt. Bisher werden sie wie gehabt von Obristen kommandiert. Obwohl vergleichbare Truppenkörper etwa in der NATO meist kleiner sind (aber nicht immer, siehe etwa Großbritannien [vgl. hier und hier]), haben sie bereits einen Ein-Sterne-General als Chef. Die Diskussion in Rußland geht auch um die Frage, welcher Dienstgrad die Brigaden führen soll. Bleiben sie so groß wie gehabt, dann werden es wohl künftig Generalmajore sein. Werden sie hingegen verkleinert (z.B. auf 3 Bataillone plus Unterstützungskräfte), kann man bei Obristen bleiben.
Bibliographie und weiterführende Links:
RIAN: Russlands Armee beginnt mit Aufstellung leichter Brigaden
N.N.: Shurygin Critique of Military Reform (Part 1)
N.N.: Battalion Travels Lighter in Mobilnost Redux
N.N.: Not Enough Officers in ‘New Type’ Brigades?
A. Chramtschichin: A na wsje pro wsje - wsjego 85 brigad postojannoj bojewoj gotownosti
Je. Kiseljewa / D. Belikow / I. Konowalow: "Tigry" kontschilis
Verwandte Beiträge:
Die Militärbezirke werden abgeschafft
Neue Organisation der russischen Streitkräfte
Aktuelles aus der russischen Waffenindustrie
"Wostok – 2010"
Krieg im Baltikum
Militärstruktur und Rüstungsprojekte in Rußland
Fotos: www.mil.ru, www.9may.ru.
Samstag, 21. August 2010
Die EM auf Eurosport - Zweiter Versuch
Nachdem Eurosport bereits für den 4. August vier Beiträge über die Europameisterschaft im Flintenschießen angekündigt, aber nicht ausgestrahlt hat (vgl. hier und hier), sollen zwei davon nun in der kommenden Woche über den Sender gehen. Der Deutsche Schützenbund berichtet:
"[...]
Die Europameisterschaften der Wurfscheibenschützen in Kasan (Russland) werden in einer Zusammenfassung in der kommenden Woche noch einmal im Fernsehen zu verfolgen sein. Der Sender EUROSPORT zeigt in jeweils 30-minütigen Sendungen die Entscheidungen der Damen und Herren.
Die exakten Sendezeiten lauten:
Montag, 23. August ab 17.30 Uhr
Mittwoch, 25. August ab 18.30 Uhr
Die Sendungen werden im Vormittagsprogramm von EUROSPORT noch einmal wiederholt:
Donnerstag, 26. August ab 8.30 Uhr
Freitag, 27. August ab 9.00 Uhr"
Verwandte Beiträge:
Am 4. August ist Flintentag
EM-Nachtrag
Foto: www.shooting-russia.ru.
Donnerstag, 19. August 2010
Boykottiert Anschütz!
Seit Dienstagabend tobt ein Sturm durch die deutschen Waffenforen. Durch das Öffentlichwerden eines bisher noch vertraulichen Prospektes wurde die Zusammenarbeit des rennomierten Sport- und Jagdgewehrherstellers Anschütz mit der berühmt-berüchtigten Sicherungsfirma Armatix bekannt. Anschütz arbeitet an sog. "smart guns", also Schußwaffen, die über eine elektronische Sicherung verfügen sollen. Nachdem es erste Vermutungen gab, es könnte sich um eine Fälschung handeln, hat Anschütz am Mittwochnachmittag das ganze mit folgender E-Mail, die auch ich erhalten habe, bestätigt:
"Sehr geehrte Damen und Herren,Damit sind sämtliche Zweifel an der Authentizität der PDF-Datei beseitigt. Der genannte Prospekt kann hier heruntergeladen werden. Bei Waffen-online, Co2air.de und Gun-Forum.de können die Diskussionen darüber nachgelesen werden. Auch werden dort die technischen und politischen Gründe erläutert, weshalb derartige Systeme Unfug sind und nicht die von Jochen Anschütz erhoffte Wirkung entfalten werden. Eine gute Zusammenfassung hat der Schützenverein Roland aus Bad Bramstedt auf seiner Webseite gegeben:
wir beziehen uns auf Ihre E-Mail und Anfrage zu unserem Projekt "Biathlon-Sportgewehr mit integriertem armatix Target Control" System. Wir freuen uns, dass Sie Ihre Anfrage direkt an uns gerichtet haben, um Näheres direkt aus erster Hand von ANSCHÜTZ zu erfahren. Gern geben wir Ihnen hierzu weitere Hintergrundinformationen.
Verbandsseitig sind Überlegungen aufgekommen, wie zum Beispiel der Biathlonschiesssport noch sicherer gemacht werden kann. Von verschiedenen Seiten wird zum Beispiel auch der Einsatz von ungefährlichen Laser-"Waffen" untersucht und getestet. Unter anderem sind uns diese neuen Entwicklungen natürlich auch bekannt geworden. Auch die Entwicklungen im modernen Fünfkampf (Laserpistole anstatt Luftpistole) sind uns bekannt.
Parallel dazu ist die Firma armatix auf uns zugekommen. Nach langen Gesprächen wurde letztendlich ein Versuchsprojekt aufgesetzt, die armatix Target Control Technik in ein Biathlongewehr einzubauen und die Funktionsweise zu testen.
Während der ISSF Weltmeisterschaft in Sportschießen 2010 in München haben wir als auch die Firma armatix ein Biathlongewehrmuster mit dieser Technologie vorgestellt. In diesen Zusammenhang gab es viel positives Feedback, insbesondere auch von Seiten verschiedener Verbandsfunktionäre auf nationaler und internationaler Ebene.
Wir sehen diese Technologie als einen möglichen Schritt, das Sportschießen für Kinder und Jugendliche im Anfängerbereich sicherer zu machen und im Zusammenhang mit dieser Technologie die eventuelle Möglichkeit der schrittweisen Aufhebung der Altersbegrenzung nach unten zu realisieren. Das würde bedeuten, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland vielleicht wieder ab 10 Jahren mit einer Kleinkaliberwaffe schießen können. Das zu erreichen, wäre ein schönes Ziel! Ich bin der Meinung, dass heutzutage aktiv verschiedene Wege gegangen werden müssen, um der Schrumpfung unseres Marktes eventuell entgegenwirken zu können. Diese Entwicklung und die immer stärkeren rechtlichen Beschränkungen verfolge ich mit Sorge.
Natürlich ist dieses Ziel ein langer und mühsamer Weg, bei dem es die Hilfe und die Zusammenarbeit aller bedarf: Mit uns als Industrie und Hersteller, mit Verbänden wie Jägern und Sportschützen und vor allen Dingen auch mit der Presse und den Medien.
Es ist eigentlich wie in jeder Sportart: Je früher ich als Kind mit der jeweiligen Disziplin beginne, umso besser bin ich im Junioren- und Erwachsenenalter. Das bedeutet, dass wir auch in den nächsten Jahren noch Sieger im Sportschießen und Biathlon bei Europa-, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen stellen können.
Weiter haben wir mit diesem System ein Argument gegenüber Eltern, Waffengegnern und -kritikern, die auf Grund von Ängsten vor den Gefahren, welche angeblich mit dem Sportschießen und dem Privatbesitz von Waffen verbunden sind, diese zu nehmen.
Es ist nicht unser Ziel, alle Waffen mit diesen armatix System auszurüsten. Es soll rein als Alternative oder Option für das Anfängerschießen im Kinder- und Jugendbereich gelten und damit einen erhöhten Grad der Sicherheit schaffen. Mit dem auf der WM in München gezeigten Prototyp und der daraus resultierenden Informationsbroschüre wollten wir die erste Resonanz vor internationalem Publikum, Brachenkennern und Schützen einholen und die war sehr positiv.
Die Informationen in der auf der WM ausgelegten Broschüre und der darin enthaltene und dargestellte Jagdbereich sind bisher nur eine Idee, die als Grundlage für Diskussionen dienen sollte. Eine offizielle Broschüre als PDF-Datei wurde von uns bisher noch nicht veröffentlicht !!!
In diesem Sinne bedanken wir uns auch bei Ihnen über Ihre Stellungnahme. Ihre Meinung, egal ob positiv oder negativ, ist uns auch wichtig. Gerne nehmen wir Ihre Wünsche, Bedenken, Ideen und Meinungen auf, um bei zukünftigen Projekten sowie Weiterentwicklungen diese einfließen zu lassen.
Sie wissen, wie sehr der Privatbesitz von Waffen hier in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern des Weltmarktes in der Kritik steht. Viele nationale und internationale Hersteller der Branche und Sportverbände suchen daher nach Alternativen und Technologien, die den Kritikern Gegenargumente liefern. Und ich denke, mit der Target Control haben wir eventuell eine solche Alternative, um weiterhin mit "scharfen Waffen" schießen zu dürfen.
Die Sportveranstaltung "Biathlon auf Schalke" wird das nächste Mal wahrscheinlich schon mit Laserwaffen ausgetragen werden...... Diese kommen nicht aus dem Hause ANSCHÜTZ.
Freundliche Grüße aus Ulm
J.G. ANSCHUTZ GmbH & Co. KG
Jochen Anschütz
Geschäftsführer"
"[...]Alsbesonders perfide empfinde ich, daß Anschütz einerseits den Weg für weitere Verschärfungen des Waffenrechts ebnet (vielleicht in der Hoffnung, sich so ein faktisches Monopol zu schaffen?), sich aber andererseits als Retter des Sportschießens ausgibt und von seinen Kunden Respekt verlangt. Vor allem die bisherigen Käufer von Anschütz-Waffen werden ins Gesicht geschlagen, traut ihnen das Ulmer Unternehmen doch offenbar nicht zu, verantwortungsvoll damit umzugehen.
Die fadenscheinlichen Begründungen für die Notwendigkeit dieses Systems sollten eigentlich jedem auffallen - z.B.: "Verbandsseitig sind Überlegungen aufgekommen, wie zum Beispiel der Biathlonschiesssport noch sicherer gemacht werden kann." Hä? Biathlon ist unsicher? Wieviele Verletzte oder Tote gab es denn letzte Saison?
Aber auch über den Hinweis auf die Möglichkeit, das Jugendtraining zu unterstützen, kann man eigentlich nur lachen... Was ist denn sicherer? Ein Jugendlicher, der durch eine Aufsichtsperson an den verantwortungsvollen Umgang mit Schusswaffen herangeführt wird oder ein junger Schütze, der daran gewöhnt ist, daß das Ding in seiner Hand sowieso nur funktioniert, wenn irgendeine Elektronik die Waffe freigibt? Was macht dieser Jugendliche denn, wenn er mal sein erstes KK-Gewehr in der Hand hält? Ich mag da gar nicht daran denken....
Eine berechtigte Frage stellte ein User bei Waffen-Online sinngemäß: "Wo war denn Herr Anschütz, als die Altersbeschränkungen für das Jugendtraining beschlossen wurden? Da wäre eine Möglichkeit gewesen, sich als starker Partner für die Interessen der Nachwuchsförderung im Schießsport zu erweisen..."
Angenommen das Waffengesetz würde eine solche Sicherungsfunktion fordern, hätte ich an einem solchen Vorhaben nichts zu meckern, da jede Firma Geld verdienen und seine Stellung am Markt behaupten muss. Aber nichts da! Hier hat eine Firma Geld gewittert und versucht nun - ohne eine Forderung des Gesetzgebers - einen Fuß in die Tür zu bekommen und arbeitet schleichend und vorauseilend gegen seine eigene Kundschaft.
Um es zusammenfassend auf den Punkt zu bringen: Die Firma Anschütz präsentiert uns hier ein Produkt, das die Lösung für ein Problem ist, welches sie selbst ersonnen haben! Dabei scheuen sie nicht davor zurück, mit Firmen zusammenzuarbeiten, die man guten Gewissens als die Totengräber des freiheitlichen und legalen Waffenbesitzes in Deutschland nennen kann.
[...]"
Was ist jetzt zu tun? Da wir in einer Marktwirtschaft leben, sollten Unternehmen - in diesem Fall Anschütz - auf die Signale ihrer Kundschaft reagieren. Und die Kundschaft will von Anschütz nicht für dumm verkauft werden. Deshalb gibt es nur ein Mittel, um das Management von seiner fehlgeleiteten Politik zu überzeugen: ein Boykott. Vom heutigen Tage an soll kein Euro mehr in die Kasse dieser Firma fließen, die die Interessen ihrer Kunden leichtfertig verraten hat. Sollen sie doch von ihren dreißig Silberlingen leben und sich am Jahresende die Folgen ihrer absurden Ideen auf Heller und Pfennig ausrechnen. Kein deutscher Legalwaffenbesitzer, der noch einen Funken Ehre im Leib hat, kann es sich jetzt noch erlauben, mit Anschütz Geschäfte zu machen.
Dieser Boykott soll solange aufrecherhalten werden, bis sich Anschütz vollständig, vorbehaltlos und glaubhaft von jeglicher Kooperation mit Armatix distanziert hat.
Ich halte es jedoch für untunlich, diesen Boykott auf andere Unternehmen, die mit Anschütz zusammenhängen, auszuweiten. So besitzt Anschütz nur 51 % der Anteile von Steyr Sportwaffen in Österreich. Ein Boykott dieser Firma würde also auch andere treffen; zudem wäre es hilfreich, wenn Anschütz seine Umsatzeinbrüche nicht etwa auf eine geringere Gesamtnachfrage nach Sportwaffen zurückführen könnte, sondern auch bilanziell eindeutig wäre, daß nur Anschütz Ulm, nicht jedoch die gesamte Branche, verloren hat.
Nur so ist das Signal wirklich verständlich. Ich habe nämlich den Eindruck, daß Geschäftsführer Jochen Anschütz extrem naiv und unbeholfen ist und so ein deutsches Traditionsunternehmen gegen die Wand fährt. Da barucht es starke Signale, um ihn aus seinen Träumen aufzuwecken und in die deutsche Realität des Jahres 2010 zurückzuholen.
Für geradezu albern halte ich allerdings Ideen, Anschütz-Waffen, die man bereits besitzt, deshalb zu zerstören. Die alten Gewehre können ja nichts für die verfehlte Politik des jetzigen Managements. Es geht nicht um eine allgemeine Abstrafung von Anschütz, sondern um ein ökonomisches Signal an diese Firma, welches lautet: So nicht!
Und falls jetzt jemand Bedenken äußern sollte, daß ein Boykottaufruf unzulässig sei, dem kann ich zwei einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entgegenhalten. In den Fällen Lüth und Blinkfüer wurden diese Fragen hinreichend geklärt. Es bleibt also dabei: Boykottiert Anschütz und kauft dort weder Neuwaffen noch Zubehör! In Deutschland gibt es noch mehr Waffenhersteller, die politisch anders agieren, deren Produkte sich jedoch mit denen von Anschütz messen können.
Verwandte Beiträge:
Neues zur Waffensteuer
Künasts Selbstentlarvung
Die Grünen wollen sogar Luftgewehre verbieten
Bericht aus Berlin III
"Das Schießen erzieht geistesgegenwärtige überlegene Menschen"
Hubertus Knabe paktiert mit der PDS
Grafik: Bopper.
Labels:
Deutschland,
Schießsport,
Waffengegner,
Waffenmarkt,
Waffenrecht
Mittwoch, 18. August 2010
Langsam kommt Bewegung in den Markt
Am 1. April 2008 ist in Deutschland § 42a WaffG in Kraft getreten und mit einem Schlag wurde es unmöglich, geschätzte 97 % der auf dem Markt befindlichen Taschenmesser legal zu führen. Weite Teile der hiesigen Messerindustrie haben diese Neuregelung ignoriert und weiter fleißig ihre Einhandmesser verkauft. Doch langsam bessert sich die Lage und es kommen Zweihandmesser in modernem Design auf den Markt.
Führend ist dabei der Messerdesigner Dietmar Pohl - und zwar nicht nur bei seinen früheren Arbeitgebern, sondern auch in seiner eigenen Firma. Die bringt nun mit dem Modell Bravo One Outdoor ein reines Zweihandmesser auf den Markt. Im Gegensatz zu Pohls großen Klappmessern der "Alpha"-Serie ist dieses kleiner dimensioniert und somit uneingeschränkt EDC-tauglich. Das Bravo One entspricht ziemlich exakt meinen Anforderungen an ein solches Alltagsmesser. Einzig der Preis von voraussichtlich etwa 130 € ist ein wenig hoch, aber damit werde ich leben können. (BTW: Liest Pohl hier vielleicht mit? ;-)) Einziger Wermutstropfen: Das Messer soll erst im Herbst lieferbar sein.
Für die Zukunft sollte Pohl auch über andersfarbige Griffe (z.B. sandfarben) und weitere Klingenvarianten für die "Bravo"-Reihe nachdenken.
Hoffentlich ziehen andere namhafte Hersteller bald nach, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Leider sieht es etwa bei der Fa. Böker insofern eher schlecht aus. Auch der neueste Katalog strotzt vor Einhandmessern. Selbst das Modell Exskelibur, welches ich eigentlich für eines der wenigen modernen Zweihandmodelle gehalten hatte, wird im neuen Böker-Katalog als Einhandmesser mit Daumenöffnung beworben. :-( Reinrassige Zweihandmesser scheinen hingegen die neuen Modelle Haddock und Cox zu sein - doch muß man deren eigenwilliges, von einem Dänen entworfenes Design schon mögen und mit Preisen von 160 bzw. 180 € sind sie alles andere als billig.
Also, verehrte deutsche Messerindustrie: Wir warten immer noch.
Verwandte Beiträge:
Wo bleiben die Zweihandmesser?
Eine armselige Vorstellung
Der "Waffenhammer"
Meine neuen EDC-Messer
13.09.2009: Bilder des Tages
Mein drittes Victorinox-Messer ...
Foto: www.pohlforce.de.
Montag, 16. August 2010
Zuwachs und ein Abgang
Ein, zugegeben, mehrdeutiger Titel. ;-) Zuwächse kann ich hinsichtlich meiner Leistungen mit der Luftpistole vermelden. Im bis dato besten 40-Schuß-Programm, geschossen am 7. August, kam ich auf 322 Ringe; die besten 10er Serien lagen bei 85 Ringen. Das ist gewiß nicht überwältigend, aber für meine bescheidenen Anfänge doch schon viel. Die Leistungsentwicklung seit der Umstellung auf die internationale LP-Scheibe und zugleich den neuen FWK ist im obigen Diagramm dargestellt (die Ausschläge nach unten haben etwas mit meiner psychischen Form an den betreffenden Tagen zu tun).
Kurzfristig steht die Bestellung eines Rink-Formgriffes für meine IZh-46 an, damit ich mit der LP endlich besser klarkomme.
Kommen wir zu dem Abgang, den ich zu vermelden habe. Nach langem Zögern habe ich am Freitag via Egun mein HW 80 K verkauft und einen überraschend guten Preis erzielt. Das Luftgewehr war schön und ich werde wohl auf absehbare Zeit keine Waffe mehr besitzen, die so schön ist. Doch die Ästhetik alleine hilft nur bedingt weiter, auch wenn Dostojewskij einmal schrieb, daß Schönheit die Welt erlösen werde. Für ein LG in dieser Konfiguration hatte ich einfach keine Verwendung mehr: Einen Knicker habe ich mit dem HW 95 bereits, für Field Target und Benchrest präferiere ein prellschlagfreies Gewehr und nur für das Schießen mit Diopter hätte ich noch einmal 100 € in eine solche Zieleinrichtung investieren müssen. Kurzum, das HW 80 stand nur noch im Schrank und war, ökonomisch gesprochen, totes Kapital. Nun wurde selbiges verflüssigt.
Das hat mich in der vergangenen Woche dazu gebracht, über meinen mittelfristig absehbaren Luftgewehrbedarf nachzudenken. Da ich diese derzeit nicht sammeln möchte (hier stehen bzw. liegen schon genug Bücher und Messer herum ;-)), soll jedes LG eine bestimmte Funktion erfüllen. Einzige Ausnahme sind meine CO2-Waffen aus Rußland, die ich vor allem als Sammlerstücke und weniger als Gebrauchsgegenstände betrachte.
Das HW 95 dient mir als universelle "Haus- und Hofflinte" und wird auch mit am häufigsten genutzt. Das Thema Universalgewehr wäre damit abgehakt.
Zweitens braucht es ein LG mit Diopter. Die ISSF-Weltmeisterschaft hat mich daran erinnert, daß ich mich mehr im Schießen mit einer derartigen Waffe üben muß - in allen drei Anschlagsarten, versteht sich. Zu diesem Behufe konnte ich ebenfalls am Freitag ein älteres, aber gut erhaltenes und schönes Anschütz 250 erwerben, das sich jetzt schon auf dem Weg hierher befinden sollte. Keine moderne Matchwaffe, ich weiß, aber für meine Zwecke sollte es genügen. Lediglich die wohl schwierige Ersatzteilversorgung bereitet mir einige Sorgen.
Drittens will ich endlich das Field-Target- und Benchrestschießen intensiver in Angriff nehmen. Dazu hatte ich zunächst an ein Preßluftgewehr im Kaliber 4,5 mm gedacht. Doch dessen Kosten rechtfertigen einen Erwerb wohl kaum, denn ich befürchte, daß ich es nicht allzu oft verwenden werde. Mithin halte ich nunmehr Ausschau nach einem Vorkomprimierer von einem der einschlägigen deutschen Hersteller (Feinwerkbau, Walther, Anschütz), der mit möglichst geringem Aufwand hergerichtet werden soll. Das bezieht sich vor allem auf die Montage eines Zielfernrohrs.
Mittel- bis langfristig kann ich freilich nicht von Federdruckgewehren aus dem Hause Weihrauch lassen. Der Unterhebelspanner HW 97 K ist bekanntlich Kult und wird irgendwann auch einmal in meinem Arsenal zu finden sein - dann allerdings im interessanten Kaliber 5,0 mm, von dem ich mich trotz der Trennung vom HW80 nicht verabschiedet habe.
Ein Bild, was nicht mehr aktuell ist. Demnächst gibt es ein Update.
Verwandte Beiträge:
Junyj Pistoletschik
Neuer LP-Fernwettkampf
Veränderungen in meinem Arsenal
Neuerungen und Enttäuschung
Das neue HW95 - oder: Wie ich meinem HW80 untreu wurde
Weihrauch-Parade
Labels:
Druckluftwaffen,
Luftgewehr,
Luftpistole,
Schießsport
Samstag, 14. August 2010
EM-Nachtrag
Für den 4. August hatte Eurosport die Ausstrahlung von vier Berichten über die Europameisterschaft im Wurftaubenschießen 2010 angekündigt, die im Juni in Kasan stattgefunden hat. Nur gekommen ist am 04.08. leider nichts. :-( Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt. Doch einer der Berichte über das sog. Top-Gun-Event ist mittlerweile auf der Webseite der Europäischen Schießsportkonföderation zu finden, ebenso wie Bildergalerien von der EM. Somit bleiben den Schützen wieder einmal nur die Onlinemedien. Trotzdem wünsche ich viel Spaß!
Verwandte Beiträge:
Am 4. August ist Flintentag
Verwandte Beiträge:
Am 4. August ist Flintentag
Freitag, 13. August 2010
Neue Organisation der russischen Streitkräfte
Was im Juni noch Gerüchte und Vorabinformationen waren, ist nun offiziell: Die Streitkräfte der Rußländischen Föderation erhalten ab dem 1. Dezember 2010 eine neue schlankere Führungsorganisation. Die bisherigen Militärbezirke aufgelöst und statt dessen vier teilstreitkraftübergreifende Operativ-strategische Kommandos (OSK) gebildet.
Der Chef eines OSK wird sämtliche Truppenteile der Land- und Luftstreitkräfte, der Luftverteidigung und der Marine in seinem Verantwortungsgebiet führen. Lediglich die Strategischen Raketentruppen, die strategischen Bomber und U-Boote sowie die Kosmostruppen werden weiterhin unter dem Kommando des Generalstabs bleiben. Ebenso wie die Luftlandetruppen (WDW), die als Reserve des Oberkommandos gelten. Somit bleibt abzuwarten, wie die WDW künftig organisiert sein werden, da die bisherige Doppelstruktur mit zentral und territorial unterstellten Verbänden (Luftlandedivisionen und Luftsturmbrigaden) vorerst fortgesetzt wird.
Darüberhinaus wird das OSK auch für die paramilitärischen Formationen anderer Ministerien und Behörden operativ verantwortlich sein. Das sind namentlich die Inneren Truppen des MWD, die Zivilschutztruppen und die Grenztruppen. Hier bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelung, die einen neuen (und nicht unbedingt sinnvollen) Dualismus zwischen Verteidigungsministerium und der jeweiligen Fachbehörde schafft, auswirken wird.
Das OSK West wird seinen Sitz in St. Petersburg haben und den Moskauer und Leningrader Militärbezirk (MB), die Baltische Flotte und den Besonderen Kaliningrader Bezirk umfassen. Kommandeur: Generaloberst Arkadij Bachin.
Das OSK Süd hat sein Hauptquartier in Rostow am Don. Es wird gebildet aus dem Nordkaukasischen MB, den westlich der Wolga gelegenen Teilen des Wolga-Ural-MB, der Schwarzmeerflotte und der Kaspischen Flotille gebildet. Kommandeur: Generalleutnant Alexander Galkin.
Das OSK Mitte mit Stab in Jekaterinburg wird die übrigen Teile des bisherigen Wolga-Ural-Militärbezirks sowie die westlichen Teile des Sibirischen MB bis zum Baikalsee umfassen. Kommandeur: Generalleutnant Wladimir Tschirkin.
Das vierte OSK Ost (Sitz: Chabarowsk) besteht aus den östlichen Teilen des Sibirischen MB, dem Fernöstlichen MB, der Pazifikflotte und dem Besonderen Gebiet Kamtschatka. Kommandeur: Admiral Konstantin Sidenko.
Das war nur eine Kurzfassung, ausführlicher (inkl. Karten) habe ich mich damit schon vor zwei Monaten befaßt.
Die hinter den OSK stehende Idee ist zwar nicht neu, dergleichen war von sowjetischen und russischen Offizieren schon vor Jahrzehnten angedacht worden. Jetzt wird dieser Ansatz jedoch endlich durchgreifend umgesetzt, was im Ergebnis zu einem Bedeutungsverlust für die zentralen Kommandobehörden in Moskau führen wird.
Ilja Kramnik schreibt dazu:
"[...]Nachtrag: Am Mittwoch wurde auf einer Pressekonferenz mitgeteilt, daß die Heeresflieger - auf dem Umweg über die OSKs - wieder aus dem Kommando der Luftstreitkräfte ausscheiden werden, dem sie seit 2002 unterstehen.
Dem bisherigen System der Militärbezirke, das seit fast 150 Jahren bestand, hatte auf anderen Prinzipien beruht. Dem Befehlshaber eines Militärbezirks waren die auf dem entsprechenden Territorium stationierten Landtruppen unterstellt. Seine Vollmachten erstreckten sich aber nicht auf andere Teilstreitkräfte außer der Frontflieger, die manchmal als Test den Befehlshabern der Militärbezirke unterstellt wurden.
Die Kommandostrukturen (außer den Seestreitkräften) wurden nur während der Kriegshandlungen auf operativer Ebene vereinigt, wenn den Frontbefehlshabern alle an der Frontlinie operierenden Kräfte unabhängig von der Teilstreitkraft unterstellt waren, außer es handelte sich um wenige Sondereinsatztruppen und die Fernfliegerkräfte, die unmittelbar dem Hauptquartier des Obersten Befehlshabers unterstellt waren. Das Zusammenwirken mit der Kriegsmarine erfolgte durch die operative Unterstellung der Flottenkräfte dem operativen Kommando der an einer Seeküste operierenden Front (oder einer in der Nähe von großen Strömen bzw. Gewässern, wo Kriegsflottillen bestanden, operierenden Fronten) oder durch die Koordinierung von Aktivitäten durch übergeordnete Stellen.
In der Nachkriegszeit wurde die Gründung von vereinigten Stäben angesichts der erweiterten Möglichkeiten der Luftwaffe sowie der Marine im Kampf gegen auf dem Land stationierte Kräfte sowie dank dem Entstehen von neuen Verwaltungssystemen, die die Koordinierung der Aktivitäten verschiedener Teilstreitkräfte ermöglichten, ziemlich üblich im Westen. Jetzt wurde dieses System auch in Russland als zweckmäßig anerkannt.
Die geographische Aufteilung der neuen Militärbezirke ist durch die wichtigsten Richtungen der möglichen Kampfhandlungen der russischen Streitkräfte bedingt. Dem Westlichen Militärbezirk gehören Vereinigungen an, die traditionell für die Aktivitäten auf dem europäischen Kriegsschauplatz und in nahe gelegenen Gewässern bestimmt waren. Der Südliche Militärbezirk ist für den Kaukasus, das Schwarze und das Kaspische sowie für das Mittelmeer und den westlichen Teil des Indischen Ozeans zuständig.
In den Aufgabenbereich des Militärbezirks Zentrum gehört außerhalb Russlands ganz Zentralasien von Kasachstan bis zum Hindukusch. Der Östliche Militärbezirk verteidigt die östlichen Grenzen Russlands und operiert im Stillen Ozean und im Asiatisch-Pazifischen Raum.
Die neue Verwaltungsstruktur soll bis zum 1. Dezember dieses Jahres stehen. Einzelne Elemente wurden beim jüngsten Manöver „Wostok 2010" getestet. Der Aufbau von Kommandos ist die Abschlussphase des Übergangs der Streitkräfte zum dreistufigen Verwaltungssystem: vereinigtes strategisches Kommando - operatives Kommando - Brigade. In der ersten Phase wurden bereits im Rahmen der alten Verwaltungsstruktur neue Brigaden gebildet. Dann wurden die Armeestäbe in operative Kommandostäbe umgewandelt. Jetzt sind die Stäbe der höchsten Ebene an der Reihe.
Die neuen Kommandos werden die Truppen nicht nur in Russland, sondern auch außerhalb des Landes befehligen. Jedes Kommando hat seinen eigenen Zuständigkeitsbereich, und in diesen Grenzen wird der Stab des Vereinigten strategischen Kommandos für alle Teilstreitkräfte verantwortlich sein.
Eine unabhängige Kommandostruktur werden nur die strategischen Raketentruppen behalten, die ausschließlich dem Obersten Befehlshaber unterstellt sind.
Gleichzeitig mit dem Aufbau der vereinigten Kommandos wurde in der russischen Armee eine andere Reform vollzogen: Eine einheitliche Struktur der materiellen und technischen Versorgung ist gebildet worden. In ihr werden die Rückwärtigen und die Rüstungsdienste zusammengelegt, die sowohl für die Versorgung der Truppen mit Brennstoff, Lebensmitteln und anderem Nachschub als auch für die Zustellung von Waffen und Munition zuständig sein wird. Zuvor waren für diese Aufgaben verschiedene Dienste verantwortlich gewesen. Jetzt wird sich der für Rüstung zuständige Vizeverteidigungsminister ausschließlich mit der Entwicklung, Einführung und Produktion von neuen Waffen- und Rüstungsarten befassen.
Eine Reform des Verwaltungssystems der Armee, insbesondere der Aufbau von teilstreitkräfteübergreifenden Kommandos statt bisheriger Militärbezirke war schon längst nötig, aber der Mechanismus zu ihrer Umsetzung ruft viele Fragen hervor. Die erste und wichtigste lautet: Sind russische Offiziere, vor allem Generäle, wirklich imstande, diese Vereinigungen mit unterschiedlichen Teilstreitkräften zu managen?
Die zweite Frage: Können diese Vereinigungen auf die vielfältigen Gefahren operativ reagieren, die in ihren großen Zuständigkeitsgebieten auf dem Landesgebiet und außerhalb des Landes entstehen können? Vor allem gilt das für die Flottenführung, wenn sich russische Schiffe in entlegenen Gebieten des Kriegsschauplatzes (im Indischen Ozean, im Mittelmeer und anderen strategisch wichtigen Gebieten) befinden.
Damit die Verwaltung effektiv arbeitet, soll die Rolle der Marineoffiziere in den teilstreitkräfteübergreifenden Kommandos rapide zunehmen, denn sonst würde sich die Kriegsflotte aus der selbständigen Teilstreitkraft de facto in eine „Marineabteilung der Armee" verwandeln, so dass sie den Großteil der Aufgaben nicht erfüllen könnte.
Fragezeichen entstehen auch hinter der Versorgung der Truppen und Stäbe mit modernen Führungs- und Kommunikationsanlagen. Ohne entsprechende technische Möglichkeiten wird die Umstrukturierung der Truppenvereinigungen so gut wie erfolglos bleiben. Und was noch schlimmer ist: die Lenkbarkeit der Truppen, die ohnehin nicht ideal ist, wird noch schlechter.
Man muss feststellen, dass sowohl die militärische als auch die zivile Führung des Verteidigungsministeriums den Mangel an modernen Führungs- und Kommunikationssystemen als eines der größten Probleme der Armee betrachtet. Staatschef Medwedew verfügte vor kurzem, die Stäbe mit neusten Führungs- und Kommunikationsmitteln in den kommenden zwei oder drei Jahren auszustatten.
Die Probleme bei der Ausbildung der Offiziere und deren Fähigkeit, die teilstreitkräfteübergreifenden Vereinigungen zu führen, können nicht über Nacht gelöst werden. Es werden noch Jahre vergehen, bis die neue Verwaltungsstruktur funktioniert. Diese Jahre werden die schwierigsten für die russischen Streitkräfte sein.
Auch die Probleme bei der Ausrüstung der Armee lassen sich nur schwer lösen. Die Waffen, die vor 20 bzw. 30 Jahren hergestellt wurden und schon veraltet sind, sind auch ein Hindernis bei der Entwicklung eines effektiven Kampfmechanismus. In diesem Sinne können die Hoffnungen nur mit dem neuen staatlichen Rüstungsprogramm von 2011 bis 2020 verbunden werden, falls es erfolgreicher als die vorigen Programme erfüllt wird.
[...]"
Bibliographie und weiterführende Links:
I. Kramnik: Medwedew verpasst Armee neue Kommandostruktur
N.N.: Na tschetyrjech wetrach
N.N.: General Staff Chief Makarov’s Press Conference
N.N.: OSK Commanders Will Directly Control Navy and Air Forces
N.N.: Interim OSK Commanders Named
N.N.: Frontal, Army Aviation to OSK Commanders
A. Chramtschichin: Tschetyrje wektora rossijskoj oboronoj
Verwandte Beiträge:
Die Militärbezirke werden abgeschafft
"Wostok – 2010"
Militärstruktur und Rüstungsprojekte in Rußland
Krieg im Baltikum
Kein Luftzwischenfall über der Ostsee
Spetsnaz: Neue Serie über russische Spezialeinheiten
Sicherheitspolitische Debatten in der RF
Fotos: www.mil.ru.
Labels:
Dragunow,
Militär,
Politik,
Russland,
Scharfschützen
Mittwoch, 11. August 2010
WM-Eindrücke VI
Alle schönen Ereignisse gehen einmal zu Ende - und die 50. ISSF-Weltmeisterschaft macht keine Ausnahme von dieser Regel. Morgen werden mehrere tausend Gäste aus aller Welt wieder abgereist sein und viele schöne Erinnerungen an das "Schützenland" Deutschland mitnehmen. Die Realität in der BRD anno domini 2010 sieht freilich düsterer aus: Die Waffengegner formieren sich und möchten uns und unserem Sport am liebsten den Garaus machen. Wir werden als "Mordschützen" diffamiert und man will uns gern auf kaltem Wege enteignen. Die nächsten Auseinandersetzungen über das Waffenrecht stehen unmittelbar bevor. Nutzen wir also noch einmal die Gelegenheit, um auf die WM zurückzublicken, auch wenn Teile der deutschen Medien alles dafür getan haben, sie zu verschweigen, um das Sportschießen aus dem öffentlichen Bewußtsein zu drängen.
Beginnen wir mit den Entscheidungen des gestrigen Tages. Im Skeet der Männer gab es ein langes und spannendes Finale mit drei shoot-offs. Gold ging schließlich an den 39jährigen Walerij Schomin aus Rußland (149 Treffer), der damit die dritte Einzelmedaille eines erwachsenen russischen Flintenschützen bei dieser WM erang. Auf Platz 2 kam der Italiener Ennio Falco, Bronze gewann Georgios Achilleos, einer von zwei Zyprioten unter den sechs Finalisten. Bester Deutscher war Ralf Buchheim, der mit seinem 7. Platz im Wettkampf den Finaleinzug knapp verpaßt hat.
Im Mannschaftswettkampf der Männer konnte Zypern Gold gewinnen; das deutsche Juniorenteam kam in seiner Wertung auf den Bronzeplatz.
Die Leistungsdichte war bei dieser WM generell enorm, doch im Skeet war sie besonders groß. Respekt!
Im 300-m-Dreistellungskampf der Frauen gewann die deutsche Schützin Eva Friedel Bronze, Sonja Pfeilschifter kam auf Rang 4. Die anderen Medaillen holten sich, wie kaum anders zu erwarten, zwei Skandinavierinnen. ;-) In der Mannschaftswertung gewann Polen - mit neuem Weltrekord - Gold, die USA Silber und Deutschland Bronze.
In derselben Disziplin sah es bei den Männern kaum anders aus, nur daß sich hier die deutschen Schützen nicht nach vorne kämpfen konnten; Christian Dressel wurde als bester Deutscher 21.
Kommen wir zur Laufenden Scheibe (50 m). Hier kam Maxim Stepanow aus Rußland in der Erwachsenenwertung auf Rang 2 und konnte somit seine zweite Einzelmedaille dieser WM gewinnen. Gold ging an den Schweden Emil Martinsson (590 Ringe); bester deutscher Starter war Tobias Schönsteiner (18.). Bei den Junioren sah es ähnlich aus: Jurij Dowgal konnte mit 586 Ringen seine Medaillensammlung um eine goldene erweitern, auf Platz 2 kam der Finne Sami Heikkila und Alexander Naumenko, ebenfalls aus der RF, errang Bronze. Bester Deutscher war Sebastian Zeh (9.). In den Mannschaftswertungen konnten sowohl die Männer als auch die Junioren aus der RF Gold gewinnen.
Die Ergebnisse aller WM-Wettkämpfe sind hier noch einmal in einer PDF-Datei einsehbar. Interessant ist, daß während dieser WM 27 Weltrekorde aufgestellt oder zumindest egalisiert werden konnten. Welche dies im einzelnen sind, ist hier ersichtlich. Wie schon mehrfach geschrieben: In München waren Spitzenschützen am Start (auch aus so exotischen Ländern wie etwa dem Iran) und sie haben zumeist ganz hervorragende Leistungen vollbracht, auch wenn es nicht zu einer Medaille gereicht hat. Da kann ich als Amateur nur meine Anerkennung aussprechen.
Sport-politisch interessanter sind die ersten 69 Quotenplätze für die Olympischen Sommerspiele 2012, die auf der WM vergeben wurden. So gehen z.B. jeweils 9 Plätze nach China und Rußland, 5 an die USA und je 4 nach Deutschland und Serbien.
Auch ganz lohnenswert ist ein Blick auf den nach Staaten geordneten Medaillenspiegel. Die Plätze 1 bis 10: China (52 Medaillen), Rußland (46), USA (24), Italien (15), Ukraine (23), Schweiz (10), Südkorea (17), Deutschland (21), Frankreich (12), Polen (6) usw. usf.
Bei aller gebotenen Vorsicht gegenüber Simplifizierungen, aber die deutschen Schützen scheinen insgesamt ein paar kleinere Probleme zu haben. Die Medaillenausbeute paßt nicht recht zur - bisher glücklicherweise noch vorhandenen - Verankerung des Schießens in breiten Bevölkerungskreisen und zu unserem internationalen Image als "Mekka des Schießsports".
Aus Sicht der Rußländischen Schützenunion war diese WM hingegen ein großer Erfolg. Um so mehr, wenn man bedenkt, unter welchen z.T. stark eingeschränkten materiellen Bedingungen in Rußland und der Ukraine der Schießsport betrieben wird (siehe auch hier und hier). Die Ergebnisse der Schützen aus den Nachfolgestaaten der UdSSR können sich jedenfalls sehen lassen und bringen hoffentlich die Unkenrufe in der Heimat zum Schweigen.
Eines hat diese Meisterschaft aufs neue bestätigt: Die chinesischen Schützen sind nur sehr schwer zu schlagen, obwohl es einige Male gelungen ist. Und sie kommen aus einem Land, in dem sogar der Privatbesitz von Airsoftwaffen verboten ist. Das sollte zu denken geben.
Was bleibt von dieser Weltmeisterschaft? Aus Sicht eines räumlich distanzierten Betrachters, wie ich es war, vor allem die positive Atmosphäre und die hierzulande seltene Möglichkeit, den Schießsport in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Dazu können auch die WM-Teilnehmer beitragen, sympathische junge Menschen wie zum Beispiel Barbara Lechner, Peter Sidi, Zorana Arunovic, Dmitrij Romanow, Kira Klimowa, Viktoria Tschajka, Eva Friedel, Leonid Ekimow, Kim Rhode, Alexej Klimow, Matthew Emmons und seine Frau Katerina, Danka Bartekova und ihre Zwillingsschwester Lenka, Dmitrij Romanow, die Brüder Andreas und Michael Heise, Olga Kaweschnikowa u.v.a. Sie sind normale Zeitgenossen und seriöse Sportler und widerlegen so, allein durch ihr Beispiel, die Horrormärchen von den "gestörten Waffennarren", bei denen es sich doch nur um absonderliche Gestalten handeln kann.
Gestern abend wurde schließlich in München die ISSF-Flagge eingeholt und an Spanien übergeben, wo in vier Jahren die nächste große Weltmeisterschaft der ISSF im Sportschießen stattfinden wird. Das nächste Großereignis mit internationaler Bedeutung wird die Olympiade 2012 sein.
Verwandte Beiträge:
Heute beginnt die Weltmeisterschaft
Erste WM-Eindrücke
WM-Eindrücke II
WM-Eindrücke III
WM-Eindrücke IV
WM-Eindrücke V
Rückblende: Die Schützen-WM 1954
Fotos: ISSF, www.shooting-russia.ru.
Labels:
China,
Deutschland,
Flinte,
Gewehr,
Russland,
Schießsport,
Ukraine,
USA,
Veranstaltung
Abonnieren
Posts (Atom)