Sonntag, 27. Dezember 2009

27.12.2009: Video des Tages

Den heutigen "Tag des Retters" möchte ich zum Anlaß nehmen, meinen Kollegen aus dem Katastrophenschutzministerium der RF zu gratulieren. Die dort arbeitenden Profis sind während des Elbehochwassers 2002 auch in Deutschland zum Einsatz gekommen (ebenso wie übrigens Kräfte der Schweizer Armee).
Und im Vergleich zur zersplitterten Struktur des deutschen Bevölkerungsschutzes ist man in Rußland viel schlagkräftiger; während wir noch versucht haben, aus kleinen uns bisweilen disziplinlosen Dorffeuerwehren taktische Verbände zu formieren, wurden aus Moskau bereits Pumpen und Amphibienfahrzeuge inklusive Mannschaft eingeflogen. Insofern stimmt die alte Losung: Von Rußland lernen, heißt siegen lernen! ;-) Das dort in den letzten Jahren geschaffene Gesamtsystem für den Bevölkerungsschutz ist dem deutschen haushoch überlegen.
Nun denn, Kameraden: S prasdnikom! :-)



Donnerstag, 24. Dezember 2009

24.12.2009: Musik des Tages

Mit dem Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" aus Johann Sebastian Bachs "Weihnachtsoratorium" wünsche ich meinen Lesern einen schönen Heiligabend und ein gesegnetes und friedliches Weihnachtsfest! Merry Christmas! Joyeux Noel! С Рождеством Христовым! Boze Narodzenie! Feliz Navidad!



Dienstag, 22. Dezember 2009

Mehr als nur Vereinsmeierei?


Dieser Tage schlägt die Gründung von Pro Legal, einer neuen Interessenvertretung der deutschen Legalwaffenbesitzer, in den einschlägigen Foren und Blogs hohe Wellen. Am 13. Dezember hat sich der Vorstand konstituiert und nun wird eifrig um Mitglieder geworben. Ich weiß ehrlich gesagt nicht recht, was ich von diesem neuen Projekt halten soll; meine Vorbehalte habe ich hier formuliert. Die haben allerdings nichts mit Pro Legal zu tun, denn dafür ist über diesen Verein noch viel zu wenig bekannt. Mich stört eher, daß nach der Austrittswelle aus dem Forum Waffenrecht nun andauernd neue Vereine, Initiativen und sogar Parteien gegründet werden. Das erweckt zumindest den (oberflächlichen) Eindruck von Kleinlichkeit, Rechthaberei und Wichtigtuerei auf seiten der jeweiligen "Obermacker". Und es führt objektiv zu einer Spaltung der ohnehin schwachen Kräfte.

Dabei habe ich keineswegs eine Einheitsorganisation im Sinn, wie in diesem Artikel gemutmaßt wird. Nein, wir können schon mit unterschiedlichen Organisationen leben - die es übrigens auch in den USA gibt, wo die NRA gewiß nicht der alleinseligmachende Heilsbringer ist. Aber eins fehlt uns, was die NRA meinem Eindruck nach zu leisten vermag: die Koordination verschiedenster Gruppen und Einzelpersonen, und zwar immer auf ein bestimmtes Einzelziel gerichtet. Und uns fehlt die finanzielle Potenz unserer amerikanischen Kollegen. Man sehe sich nur einmal die Personalausstattung der FWR-Geschäftsstelle an (wenn ich recht informiert bin, sind das derzeit drei Mitarbeiter) und man wird feststellen, daß selbst dort nur auf Sparflamme gearbeitet wird. Bei den einzelnen Schießsport- und Jagdverbänden sieht es kaum besser aus. Wieviele Mitarbeiter kümmern sich dort hauptamtlich um Rechtsfragen und Öffentlichkeitsarbeit?

Und dabei gäbe es so viel zu tun. Neben der Kontaktpflege in Berlin müßte die Anwendung des Waffenrechts durch Behörden und Gerichte kontinuierlich beobachtet und dokumentiert werden. Wichtige Entscheidungen sollten zeitnah kritisch kommentiert werden; Ferner müßte die Rechtsentwicklung innerhalb der EU sowie auf internationaler Ebene beobachtet werden. Analog gilt dasselbe für die Berichterstattung der Medien, das eigene Auftreten in Interviews, ggf. das Verfassen von Gegendarstellungen usw. usf. Wenn allein diese Aufgaben einigermaßen sachgerecht und professionell gelöst werden sollen, braucht man dazu locker ein halbes Dutzend hauptamtlicher Kräfte und wird selbst dann nicht ohne die projektbezogene Mitarbeit von Ehrenamtlichen auskommen können. Der Finanzbedarf wäre folglich enorm. Und jetzt kommt die traurige Erkenntnis: Je mehr Vereine gegeründet werden, desto weniger Mittel werden allein für diesen Teil der Arbeit zur Verfügung stehen. Und vieles kann man als "Laienspieler", trotz allem Engagement, auf Dauer einfach nicht leisten (ich spreche insofern aus eigener Erfahrung).

Meine Vorbehalte gegen eine Zersplitterung der Kräfte speist sich weniger aus prinzipiellen Vorbehalten oder der Abneigung gegen bestimmte Personen, als vielmehr aus ganz praktischen Erwägungen.
Wie sieht denn das tägliche Brot eines Interessenvertreters (vulgo: Lobbyist) aus? Das meiste spielt sich natürlich in Berlin ab. Da gilt es, die Kontakte zu den Bundestagsfraktionen, zu einzelnen Abgeordneten sowie zum BMI zu pflegen. Das spielt sich nicht nur im Rahmen offizieller Gespräche ab, sondern auch bei vielen eher informelleren Terminen: Vorträgen, Podiumsdiskussionen, parlamentarischen Abenden etc. pp. Darüber hinaus wird man versuchen, gesamtgesellschaftlich diskursfähig zu bleiben, wie das Jagdwaffennetzwerk ganz richtig fordert. Das erfordert aber ebenfalls die Teilnahme an Veranstaltungen etwa zum Thema Innere Sicherheit. Präsenz zeigen, ggf. kritische Fragen stellen - das kostet Zeit.
Ein anderes Beispiel: Ein mit dem Waffenrecht befaßter MdB hat Geburtstag. Die Höflichkeit gebietet es, daß ein Interessenvertreter bei ihm vorstellig wird und einen (angemessenen) Blumenstrauß überreicht. Vieleicht ergibt sich dann sogar die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch? Gerade diese Kontakte darf man nicht unterschätzen. Oftmals wird es dabei weniger um hochpolitische Entscheidungen als vielmehr um die Vermittlung banaler Fakten gehen (so wie z.B. im Innenausschuß darüber diskutiert wurde, wieviele Sportschützen ihre Waffen zuhause aufbewahren).

Ähnliches wäre auch auf Landesebene zu leisten, wenn es z.B. um die Position der jeweiligen Landesregierung im Bundesrat geht. Oder um politische Diskussionsveranstaltungen, wie sie etwa von den Stiftungen der Parteien regelmäßig veranstaltet werden.
Man könnte dies jetzt alles als nutzloses Geschwätz abtun, aber die politische Sphäre unterliegt gewissen Eigengesetzlichkeiten, denen man sich - sofern man Erfolg haben will - anpassen muß.

Dazu zählt auch, daß es nicht wenige Gespräche geben wird, die nur deshalb zustande kommen, weil sich die Partner gegenseitig Vertraulichkeit zugesichert haben. Ein Interessenvertreter, der mit Begriffen wie "off the record" oder "non-paper" nicht umzugehen versteht, wird eine Eintagsfliege bleiben.
Jetzt höre ich schon die Kritik: Willst Du etwa die verfluchte Geheimdiplomatie des FWR in Schutz nehmen? Jein. Das FWR hat es damit m.E. zu stark übertrieben. Dennoch gilt: Viele Gespräche, mit Ministerialbeamten mehr als mit Politikern, wird es nur unter dem Siegel der Vertraulichkeit geben - oder sie werden gar nicht stattfinden. Wer das nicht akzeptieren kann und will, sollte sich aus dem mühseligen politischen Geschäft heraushalten.

Das FWR hat es - und dies muß man ihm zugutehalten - wenigstens geschafft, eine halbwegs funktionierende Organisation auf die Beine zu stellen. Da müssen die lautstarken Kritiker, die ewischen Nörgler und Choleriker, die es bedauerlicherweise auch unter den LWBs gibt, ihr Gesellenstück erst noch machen.

Kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Wie wirkt sich die organisatorische Zersplitterung auf die effektive Arbeit aus? Denn letztere allein ist das maßgebliche Kriterium - und die "Hauptkampflinie" verläuft in Berlin und nicht in irgendwelchen Internetforen. Hier stellen sich dann ganz praktische Fragen: Wer soll für die Arbeit in der Hauptstadt verantwortlich sein? Ein Hauptamtlicher, eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher? Wie wird diese Arbeit sinnvoll organisiert? Wie wird sichergestellt, daß die notwendige Vertraulichkeit nicht mißbraucht wird? Wie wird die Arbeit auf Landesebene organisiert, wie die Medienarbeit? Wie sieht es mit "legal action" aus? Ist es möglich, die eigenen Argumente wissenschaftlich abzustützen (etwa durch kriminologische Untersuchungen)? Wer koordiniert das alles?

Koordination ist hier das wichtigste Stichwort. Wenn wir die organisatorische Zersplitterung als Fakt hinnehmen müssen, gilt es, wenigstens für ein Minimum an gegenseitiger Abstimmung zu sorgen. So muß z.B. sicher sein, daß Verband A dem Verband B nicht in den Rücken fällt, auch wenn er selbst ein Teilziel von Verband B nicht unterstützt. Es wäre der Super-GAU für unser gemeinsames (?) Anliegen, wenn ein BMI-Beamter dem Vertreter eines Verbandes sagt, daß der andere Verband ganz anderer Meinung sei und insoweit mit dem Ministerium konform gehe.

Wie der neugegründete Verein Pro Legal sich in diesem Gestrüpp bewegen wird, bleibt abzuwarten. Die Ziele sind gut und unterstützenswert, das Personal weckt Hoffnungen. Doch mit guten Absichten allein ist es eben nicht getan. Besonders wichtig ist m.E., daß sich Pro Legal dazu äußert, wie man sich das Verhältnis zu den anderen, bereits bestehenden Verbänden (insbesondere zum FWR, der ELF und der FVLW) vorstellt. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch. Des weiteren wäre es hilfreich, wenn zusätzlich zu den blumigen Absichtserklärungen alsbald auch konkrete Vorhaben publiziert würden.

Nachtrag: Eines spricht mich im Programm von Pro Legal besonders an: Man will sich nicht auf WBK-Inhaber fokussieren, sondern alle vom WaffG betroffenen Bürger in den Blick nehmen. :-)


Verwandte Beiträge:
Zur Lage der deutschen Waffenlobby
Wie geht es mit dem FWR weiter?
Ist die jüngste Verschärfung des Waffenrechts verfassungswidrig?
Anhörung im Bundestagsinnenausschuß zur Waffenrechtsverschärfung
Die WaffG-Verschärfung im Bundesrat

Montag, 21. Dezember 2009

Eine erfreuliche Entwicklung


Vor etwas über einem Jahr hatte ich hier die Frage gestellt, wo denn die deutschen Waffenblogs bleiben. Seither hat sich einiges getan, die "Szene" hat sich deutlich belebt. Einige Projekte sind bald wieder eingegangen, andere haben sich prächtig entwickelt.

Bleiben wir zunächst bei den Waffenblogs im engeren Sinne. Die schon länger existierenden Klassiker Tetra-Gun-Blog und Waffen-Blog sind nach längerer Pause wieder reaktiviert worden. Der Flintenblog, der Weblog von Johannes Hucke sowie der Gun-Rack-Blog sind auch 2009 weitergeführt worden. Einen hervorragenden Eindruck macht auf mich das Jagdwaffennetzwerk mit seinen gut durchdachten Beiträgen wie z.B. "Splitter oder Block? Sind wir diskursfähig?" (dazu werde ich in den nächsten Tagen eine Replik veröffentlichen). Auch Vereine wie die GKD e.V. betreiben mittlerweile ihre Webseite in Form eines Weblogs.

Zweitens sind in den letzten Monaten mehrere Blogs entstanden, die sich nahezu ausschließlich mit den Themen Waffenrecht und Politik befassen: Waffenbesitzer.de (passend zur "W"-Aufkleberkampagne) Alles verboten (besonders lesenswert, werden hier doch wichtige Zusammenhänge aufgezeigt), Keine Waffen (mit interessanten Fällen), Meinungsgewitter und Meinungsterror. Einige Kollegen haben es vorgezogen, statt eines dynamischen Weblogs eine eher statische Webseite zu gestalten. Das ist zwar aus technischer Sicht ein wenig antiquiert, dennoch sind sie lesenswert: Pro-Waffen.eu, Legalwaffen.de, Pro Schießsport und IPSC 4 ever.

Dann gibt es drittens noch jene Weblogs, die sehr intensiv mit der Jagd beschäftigen, doch auch dort sind bisweilen interessante waffenrechtliche Beiträge zu finden: Hunsrückwilderer, Jagd-Blog und der Selbstversorgerblog.

Der starke öffentliche Druck, dem wir seit März 2009 ausgesetzt waren, hat offenbar dazu geführt, daß viele Legalwaffenbesitzer über ihre (Selbst-)Darstellung in der Öffentlichkeit nachgedacht haben und zu dem Schluß gekommen sind, daß man, um positiv wirken zu können, die abgekapselte Welt der Diskussionsforen verlassen muß. Bitte nicht falsch verstehen: Das ist kein Einwand gegen die Foren an sich, sondern nur gegen die Wagenburgmentalität einiger Kollegen. Das Medium Weblog bietet auch für LWBs die Möglichkeit, sich als das zu präsentieren, was sie sind: normale Menschen, die einfach nur in Ruhe ihrem Hobby nachgehen wollen und weder Verschwörer noch Sektierer oder gar Extremisten sind.

Besonders freuen mich die vielen Artikel zum Waffenrecht. Ich selbst sehe mich außerstande, darüber ständig zu schreiben. Neben äußeren Gründen, die für Backyard Safari insgesamt gelten, gibt es noch besondere: Ich brauche hin und wieder eine Auszeit vom medialen Dauerfeuer. Anderenfalls würde man doch daran irre werden.

Zum Schluß noch eine Bemerkung in eigener Sache: Im Sommer waren noch allerorten kämpferische Sprüche zu hören. Es gab sogar Leute, die wollten gegen die Verschärfung des Waffenrechts durch alle gerichtlichen Instanzen ziehen. Und jetzt bietet sich eine kleine Chance, auf die es allerdings kaum Reaktionen gab. Warum? Allgemeine Resignation, Hobbyaufgabe oder liegt es einfach nur am Vorweihnachtsstreß?


Verwandte Beiträge:
Wo sind die deutschen Waffenblogs?
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Visier ist im Web 2.0 angekommen
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Tiefsinnige Betrachtungen ...
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Sonntag, 20. Dezember 2009

Im Morgengrauen ist es noch still

In den vergangenen zwei Wochen war es mir möglich, die Neuverfilmung des Klassikers „A sori sdes tichie“ (dt. Titel: Im Morgengrauen ist es noch still) anzusehen. Der Roman von Boris Wassiljew war erstmals im Jahre 1972 verfilmt worden, damals in zwei Teilen mit Spielfilmlänge. 2005 wurde dann eine chinesisch-russische Koproduktion in Angriff genommen, die aus fernsehgerechten zwölf Teilen à 45 Minuten besteht.

Zur Handlung: Ein karelisches Dorf im Frühjahr und Sommer 1942; am Ortsrand befindet sich eine Flakstellung, die von einer Besatzung aus jungen Soldatinnen neu bemannt wird. Das bringt für den Ortskommandanten, einen altgedienten Hauptfeldwebel, allerlei Herausforderungen. Zudem sind die weiblichen Kanoniere nicht unbedingt die besten Soldaten und möchten ihr Kriegshandwerk auf die Flugabwehr beschränken. Wozu muß man als „Senitschik“ mit einem Gewehr umgehen können? Beide Filme berichten von den Anpassungsproblemen der vielen jungen Frauen, die sich nach Kriegsbeginn 1941 in der Sowjetunion zu den Fahnen gemeldet hatten. (Man könnte es auch nennen: Das Problem des Erwachsenwerdens. ;-)) Andererseits wird der alte Soldat durch den Umgang mit den jungen Frauen zwangsläufig ein wenig „ziviler“ - in welcher rein männlichen Kaserne würde er z.B. vor dem Eintreten anklopfen?




Der spannende Teil kommt freilich in der zweiten Hälfte: In der Nähe des Dorfes wird per Fallschirm ein deutscher Kommandotrupp abgesetzt. Dessen Absichten bleiben unklar, aber ein kleiner Trupp, bestehend aus dem Kommandanten und fünf Soldatinnen, nimmt die Verfolgung auf. Zunächst geht es durch ein Moorgebiet und danach durch die typisch nordischen Waldgebiete. Als sich allerdings herausstellt, daß die Deutschen etwa um das dreifache überlegen sind, beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen beiden Seiten. Die Sowjets versuchen, einem Gefecht auszuweichen, aber trotzdem nicht die Fühlung zu verlieren.

Eine Soldatin wird zurück ins Dorf geschickt, um Verstärkung zu holen. Leider verliert sie die Orientierung und kommt im Moor um, nur wenige Meter vom rettenden Ufer entfernt. Eine zweite läuft, unter Zurücklassung ihres Gewehrs, durch den Wald, um einen zurückgelassenen Tabakbeutel zu holen. Auch sie kehrt von ihrem „Ausflug“ nicht lebend zurück, sondern fällt im Nahkampf. Eine dritte ist der Belastung psychisch nicht gewachsen, wirft plötzlich ihr Gewehr weg und versucht, mitten durch das Lager der Deutschen hindurch, zu fliehen. Ebenfalls tot. Für das große Gefecht bleiben also nur noch drei Mann übrig – und die schlagen sich bravourös. Doch am Ende wird es auf seiten der Sowjets nur einen, natürlich verwundeten Überlebenden geben: den Hauptfeldwebel.




Insgesamt eine berührende Geschichte, die auch zum Nachdenken anregt. Wie kam es zu diesem hohen Blutzoll? Wohl vor allem durch den Mangel an Ausbildung und Vorbereitung, der durch guten Willen (und Ideologie) allein nicht zu ersetzen ist. Wie orientiert man sich im Gelände? Wie verhält man sich, wenn unmittelbar mit Feindberührung zu rechnen ist? Mitten im Krieg gelten auch für Studentinnen andere Regeln als im tiefsten Frieden an der Uni.

Wenn man sowohl die klassische sowjetische Verfilmung als auch die neue chinesisch-russische gesehen hat, erhebt sich naturgemäß die Frage, welche besser gefällt. Ich bin geneigt zu sagen: die jüngere. Zwar hat der Klassiker für sich, daß er die Handlung etwas kompakter und stringenter darstellt. Doch die Neuverfilmung geht stärker ins Detail, und stellt auch Nebenaspekte dar, was natürlich den Unterhaltungswert steigert. Dafür fehlt ihr der Appell an den Patriotismus der Jugend, welcher in der SU-Fassung stark ist (was m.E. allerdings keinen Minuspunkt darstellt). Und man merkt, daß sie vornehmlich für ein asiatisches Publikum gedacht ist (Wassiljews Buch genießt ich China wohl Kultstatus), denn manche Szenen wirken auf einen Europäer einfach nur komisch.




Erheblich kritisieren muß man freilich die in der Neuverfilmung verwendete Waffentechnik, bei der es das chinesische Fernsehen nicht so genau genommen hat. Daß sowjetischerseits bereits Mosin-Nagant-Karabiner M 1944 geführt werden, könne man vielleicht noch entschuldigen. Aber daß den Deutschen anstatt der MP 40 amerikanische M 3 „Grease Guns“ in die Hand gedrückt werden, ist unverzeihlich. Von weiteren Uniform- und Ausrüstungsdetails der deutschen Seite will ich jetzt gar nicht erst reden. Zudem ist es lächerlich, wie aus einem ordinären Karabiner mittels eines offenkundigen Billig-Zielfernrohrs, das auf die Kimme montiert wird, ein Scharfschützengewehr gemacht werden soll – ohne Einschießen natürlich.

Dennoch lohnt es sich, beide Filme anzusehen, zumal es die Erstverfilmung auch in deutscher Sprache gibt. Ich halte beide für mit die besten Kriegsfilme sowjetischer bzw. russischer Provenienz, denn sie verfügen über eine gute Mischung aus nachdenklichen und Action-Szenen. Die Erstverfilmung ist online auch mit englischen Untertiteln greifbar (Teil 1 beginnt hier, Teil 2 hier); die Neufassung kann man z.B. hier erwerben.
Die ersten beiden Videos in diesem Beitrag stammen aus dem 72er Film, die beiden letzten aus der neuen Serie.




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23.02.2009: Bilder des Tages
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Donnerstag, 17. Dezember 2009

Totalitarismus auf Samtpfoten



In den letzten Jahren hat die Weltgegend, die man gemeinhin als "den Westen" oder "das Abendland" bezeichnet, einen kontinuierlichen Niedergang erlebt. Und daran sin weder die pösen Chinesen noch Außerirdische schuld, sondern nur wir selbst. Eine kurze, aber hervorragende Analyse bietet die Rezension "The nanny state turns nasty" von Chris Snowdon, deren vollständige Lektüre ich meinen Lesern nur empfehlen kann, auch wenn es vodergründig nur um die Verhältnisse im Vereinigten Königreich geht:
"[...]

At the start The Bully State, his rambunctious account of the nanny state’s recent history, Brian Monteith argues that the term ‘nanny’ is too cuddly a word for the alliance of ‘puritans, control freaks and prohibitionists’ who are waging war on individual freedom on both sides of the Atlantic.

Nanny, he says, has lost her patience with us. Her policies of re-education have failed to ‘nudge’ us towards government-approved behaviour. Targets have not been met. Too many calories are being consumed. Too many units of alcohol are being knocked back. Some of us are even smoking and using offensive language. Not so much disappointed as angry, she has now turned bully. What happens now is going to hurt us a lot more than it hurts her.

[...]"
Der vom Rezensenten wiedergegebene Gedanke des Autors ist knackig, aber m.E. zutreffend: Bei allen Debatten von der Datenspeicherung über den Kampf gegen das Rauchen bis hin zu Forderungen nach einem verschärften Waffenrecht geht es vor allem um eines: verschärfte Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung mit dem Ziel, unerwünschtes Verhalten auszumerzen - und das in einer Gesellschaft, die sich selbst für offen und pluralistisch hält.

Die Mechanismen der Kampagnenführung, insbesondere unter Einbeziehung von PR-Firmen und "unabhängigen" Medien sind auch den deutschen Legalwaffenbesitzern nicht unbekannt:
"[...]

These activists – or ‘storm troopers’ as Monteith’s describes them – are far closer to the government than the public is led to believe, both in ideology and funding. Action on Smoking and Health, Alcohol Concern, Barnardo’s and dozens of other ‘campaigning charities’ receive so much money from the state that they could almost be considered the government in drag. Through the use of rigged public consultations, dubious opinion polls and policy-based evidence, this self-serving elite manufactures a demand for greater state power.

A favoured tactic is to float a new piece of Draconia in the press and if it is met with anything less than howls of derision, it gets the go ahead. The public, says Monteith, are then fed ‘a steady stream of news releases, PR stunts, giveaways and junk science dressed up as authoritative research from quangos and politically active charities that have morphed into lobby groups’. If, on the other hand, the idea gets shot down (such as the plan to force people to buy smoking licenses or banning people from buying more than three drinks in a pub), it is popped into a file marked ‘Too Soon’, to be reopened at a later date.

[...]"
Der Kern dieses umsichgreifenden Totalitarismus auf Samtpfoten liegt jedoch hier:
"[...]

The smoking ban represented a milestone because it successfully pitted a largely ambivalent majority against a dwindling and cowed minority, while blurring the distinction between public and private property at the same time.

[...]"
Das ist der Punkt, inwieweit sich die derzeitigen Tendenzen von dem unterscheiden, was man noch im klassischen Sinne freiheitlich nennen kann. Es gehört zum Wesen des liberalen Staates, daß er zwischen der öffentlichen und privaten Sphäre zu unterscheiden versteht. Selbst im angeblich so finsteren 19. Jahrhundert war dies gegeben. Nunmehr hingegen dringen staatliche Maßnahmen immer weiter in den Privatbereich ein, der einstmals selbst unter den finstersten Diktaturen ein Refugium der Freiheit war. Das Bundesverfassungsgericht versucht, sich dem entgegenzustellen, indem es in den letzten Jahren immer häufiger von einem "Kernbereich der privaten Lebensgestaltung" spricht, welcher absolut zu schützen sei und den der Staat auch nicht mittels technischer Überwachungsmaßnahmen verletzen dürfe.

Leider nehmen es andere Teile der öffentlichen Gewalt damit nicht so genau. Wie etwa in diesem Fall:
"[...]

Ein aufmerksamer Spaziergänger sah, daß ein Vater und sein Sohn in Ihrem Garten mit Pistolen schossen ...
... Daraufhin verständigte er die Polizei ...
... Die verständigte Polizei rückte daraufhin mit einem Grossaufgebot an Streifenwagen und Beamten an ....
.... Es stellte sich schnell heraus das es sich bei den Pistolen um sogenannte Softair Waffen handelte ....
.... Die Softairs wurden als Anscheinswaffen eingestuft und von den Beamten beschlagnahmt.
Den Vater erwartet eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz,
außerdem werden ihm als Verursacher die Kosten des Einsatzes auferlegt werden ...

[...]"
Da haben wir wieder das typisch deutsche Phänomen: Ein "aufmerksamer" Zeitgenosse, den man alternativ auch (treffender) als Denunzianten, Blockwart oder Spitzel titulieren könnte, mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts, aber auch gar nichts angehen. Wenn sich Vater und Sohn auf ihrem Privatgrundstück mit Airsoftwaffen beschäftigen, dann geht das Außenstehende - mit Verlaub - einen feuchten Kehrricht an. Solange die gesetzliche Grenze des § 12 IV WaffG nicht offensichtlich überschritten ist und eine Gefährdung der Allgemeinheit gegeben ist, besteht kein Grund für eine Anzeige.

Und was macht die Polizei? Anstatt diese mediokren Spitzelnaturen gute Manieren beizubringen, springt sie auf den gemeldeten Verdacht an und veranlaßt einen Großeinsatz. Weshalb? Weil zwei Menschen auf ihrem eigenen Grund und Boden mit einer Luftpistole hantiert haben!

Man könnte nun einwenden, sowohl der Denunziant als auch die Polizei hätten davon ausgehen müssen, daß es sich um eine scharfe Waffe handeln würde, weshalb die veranlaßten Maßnahmen aus Gründen der Vorsicht angebracht waren. Dieses Argument greift jedoch nicht, denn wenn behauptet wird, daß geschossen würde, dann hätte man bei einer scharfen Waffe auch zwangsläufig einen lauten und vernehmlichen Schußknall hören müssen und nicht nur das leise "Plopp" einer Airsoftpistole. Bei einer einigermaßen verständigen und sachgerechten Beurteilung des "Falles" hätten folglich Informant wie Polizei zu der Schlußfolgerung kommen müssen, daß hier keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gegeben ist.

Denn genau darum geht es. Ein Einschreiten der Polizei wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn durch das Verhalten von Vater und Sohn eine Verletzung allgemeiner Gesetze oder der Rechtsgüter von Dritten gedroht hätte. Denn das ist der Inhalt der Ermächtigung in der polizeilichen Generalklausel, die in den Landespolizeigesetzen enthalten ist. Nach allen, mir natürlich nur kursorisch vorliegenden Informationen war genau das jedoch nicht der Fall!

Daraus ergibt sich zwangsläufig die folgende Schlußfolgerung: Viele Polizeivollzugsbeamte betrachten offenkundig allein den Umgang und das Hantieren mit einem Gegenstand, der äußerlich als Schußwaffe erscheint, als grundsätzlich kriminellen Akt und damit als hinreichenden Grund zum Einschreiten zur "Gefahrenabwehr" - auch dann, wenn man sich auf seinem eigenen Grund und Boden befindet. Um ein behördliches Einschreiten hervorzurufen, muß man sich also weder auf die Straße begeben noch etwas objektiv rechtswidriges tun. Die Observation durch einen "aufmerksamen" (sprich: übermäßig neugierigen) Spaziergänger, verbunden mit dessen überbordender Phantasie, genügt heutzutage (wieder), um Bekanntschaft mit der ganzen Härte übersteuerter Gesetzeshüter zu machen. Das ist die Realität in Deutschland anno Domini 2009!

(Nebenbei bemerkt: Die Beschlagnahmung der Airsoftpistole als "Anscheinswaffe" i.S.v. § 42a WaffG ist im vorliegenden Sachverhalt sinnlos und rechtswidrig. Denn § 42a WaffG untersagt nur das Führen sog. Anscheinswaffen im öffentlichen Raum. Letzterer war hier aber gar nicht berührt. Ein weiterer Beleg für meine These, daß deutsche Polizisten unfähig sind, die für unser Rechtssystem - auch historisch - existenzielle Unterscheidung zwischen öffentlich und privat zu treffen.)

Wir müssen also davon ausgehen, daß wir nicht einmal in unseren eigenen Häusern vor Schikanen durch böswillige Mitmenschen und eine ebensolche Obrigkeit geschützt sind. Die Substanz von Art. 13 GG droht, sich aufzulösen. Da gewinnt der alte Satz "My home is my castle" eine ganz neue Dimension. Und ich mußte unwillkürlich an Ernst Jüngers "Waldgang" denken:
"[...]

Ein Angriff auf die Unverletzbarkeit, ja Heiligkeit der Wohnung zum Beispiel wäre im alten Island unmöglich gewesen in jenen Formen, wie er im Berlin von 1933 inmitten einer Millionenbevölkerung als reine Verwaltungsmaßnahme möglich war. Als rühmliche Ausnahme verdient ein junger Sozialdemokrat Erwähnung, der im Hausflur seiner Mietwohnung ein halbes Dutzend sogenannter Hilfspolizisten erschoß. Der war noch der substantiellen, der altgermanischen Freiheit teilhaftig, die seine Gegner theoretisch feierten. Das hatte er natürlich nicht aus seinem Parteiprogramm gelernt. Jedenfalls gehörte er nicht zu jenen, von denen Leon Bloy sagt, daß sie zum Rechtsanwalt laufen, während ihre Mutter vergewaltigt wird.

Wenn wir nun ferner annehmen wollen, daß in jeder Berliner Straße auch nur mit einem solchen Falle zu rechnen gewesen wäre, dann hätten die Dinge anders ausgesehen. Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint. Nur wird diese Wahrheit nicht immer sichtbar und soll auch keinen Einwand gegen Verfassungen abgeben. Es gilt das alte Wort: „Der Mann steht für den Eid, nicht aber der Eid für den Mann.“ Hier liegt einer der Gründe, aus denen die neue Legislatur im Volke auf so geringe Anteilnahme stößt. Das mit der Wohnung liest sich nicht übel, nur leben wir in Zeiten, in denen ein Beamter dem anderen die Klinke in die Hand drückt.

[...]"
Was den von Jünger beschriebenen Niedergang angeht, sind uns die Briten weit voraus (und damit kommen wir auf den Beginn dieses Beitrages zurück). Vorgestern wurde dort zwei Geschäftsleute zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie es gewagt haben, einen Einbrecher, der sie und ihre Familie heimgesucht hatte, etwas zu hart anzufassen. Das Verbrechensopfer geht ins Gefängnis, der Täter hingegen bleibt in Freiheit.
Verkehrte Welt, für viele Engländer aber scheinbar normal. Angesichts dessen ist es geradezu lächerlich, wenn britische Truppen - wie in Afghanistan und im Irak - in Länder einfallen, um dort "Freiheit" und "Demokratie" herbeizubomben. Welcher normale, freiheitsliebende und rechtschaffene Mensch, sei er Christ oder Moslem, möchte denn freiwillig in einer so deformierten Gesellschaft wie der britischen leben? Also ich nicht.


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Dienstag, 15. Dezember 2009

15.12.2009: Gedicht des Tages



Heute: Der "Linke Marsch" und darin Wladimir Majakowskijs Ode an die Pistole C-96. Hätte er dieses Gedicht nicht geschrieben, wäre der "Schreihals der Revolution" heute wohl weithin in Vergessenheit geraten. ;-)
"Entrollt euren Marsch, Burschen von Bord!
Schluß mit dem Zank und Gezauder.
Still da, ihr Redner!
Du
hast das Wort,
rede, Genosse Mauser!

Brecht das Gesetz aus Adams Zeiten.
Gaul Geschichte, du hinkst ...
Woll'n den Schinder zu Schanden reiten.
Links!
Links!
Links!

Blaujacken, he!
Wann greift ihr an?
Fürchtet ihr Ozeanstürme?!
Wurden im Hafen euch eurem Kahn
rostig die Panzertürme?
Laßt
den britischen Löwen brüllen –
zahnlosfletschende Sphinx.
Keiner zwingt die Kommune zu Willen.
Links!
Links!
Links!

Dort
hinter finsterschwerem Gebirg
liegt das Land der Sonne brach.
Quer durch die Not
und Elendsbezirk
stampft euren Schritt millionenfach!
Droht die gemietete Bande
Mit stählerner Brandung rings, -
Russland trotzt der Entente
Links!
Links!
Links!

Seeadleraug' sollte verfehlen?!
Altes sollte uns blenden?
Kräftig
der Welt ran an die Kehle,
mit proletarischen Händen.
Wie ihr kühn ins Gefecht saust!
Himmel, sei flaggenbeschwingt!
He, wer schreitet dort rechts raus?
Links!
Links!
Links!"

Weiterführende Links:
Bericht über das Moskauer Majakowskij-Museum (dt.)

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Sonntag, 13. Dezember 2009

Partisanen vom Amur



Es ist eines der bekanntesten roten Lieder aus dem russischen Bürgerkrieg, das nicht nur in viele Sprachen übersetzt, sondern - mit geändertem "weißem" Text - von den ehemaligen Gegnern der Roten im Ausland gesungen wurde: "Partisanen vom Amur". Den deutschen Text sollte jeder in der früheren DDR aufgewachsene noch heute kennen ;-):
"Durch's Gebirge, durch die Steppen zog
Unsre kühne Division
Hin zur Küste dieser weißen,
Heiß umstrittenen Bastion.

Rot vom Blut, wie unsere Fahne,
War das Zeug, doch treu dem Schwur,
Stürmten wir die Eskadronen,
Partisanen vom Amur.

Kampf und Ruhm und bittere Jahre!
Ewig bleibt im Ohr der Klang,
Das Hurra der Partisanen,
Als der Sturm auf Spassk gelang.

Klingt es auch wie eine Sage,
Kann es doch kein Märchen sein:
Wolotschajewska genommen!
Rotarmisten zogen ein.

Und so jagten wir zum Teufel
General und Ataman.
Unser Feldzug fand sein Ende
Erst am Stillen Ozean."



Hinsichtlich des historischen Hintergrundes dieses Liedes war ich bis dato skeptisch, schließlich ist wohlbekannt, wie freizügig die Sowjets bisweilen im "Erfinden" von Traditionen und in der Pflege derselben waren. Doch in der vergangenen Woche ist mir ein Artikel im Heft 10/2009 des Wojenno-Istoritscheskij Shurnal (dt.: Militärhistorische Zeitschrift) aufgefallen. Mit seiner Abhandlung "Die Rolle der Partisanenbewegung im Kampf gegen die japanische Intervention im Fernen Osten in den Jahren 1918 bis 1920" unternimmt es der Autor W. G. Chitryj, die im russischen Originaltext noch stärker als in der deutschen Übersetzung besungenen Partisanen aus ihrer weihevollen Anonymität zu holen und mit Leben zu erfüllen.



Wir schreiben das Jahr 1918. Seit Herbst 1917 befinden sich erste amerikanische Truppen in Wladiwostok, die seit Frühjahr 1918 durch japanische Kontingente verstärkt werden. Letztere beschränken sich allerdings nicht mit der Herrschaft über die Hafenstadt, sondern stoßen entlang der Transsibirischen Eisenbahn weit Richtung Westen bis zum Baikalsee vor. Das offizielle politische Ziel der Intervention bestand in der Unterstützung der Weißen im russischen Bürgerkrieg (insbesondere von Admiral Koltschak) sowie in der Evakuierung der Tschechoslowakischen Legion über den Pazifik in ihre Heimat.



Über diese von allen Interventionsmächten (USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada u.a.) geteilten Ziele hinaus hatte Japan jedoch eine "hidden agenda": Die Japanisierung des russischen Fernen Ostens. Zu diesem Zweck wurden Siedlungskolonien gegründet (insgesamt ca. 50.000 Personen) - und eine davon, in Nikolajewsk am Amur, wurde durch einen "Zwischenfall" 1920 berühmt. Im März hatte eine Partisanenabteilung unter Führung des Anarchisten Triapizyn die Stadt umzingelt, in der es neben 350 japanischen und 300 "weißen" Soldaten auch 450 japanische Kolonisten gab. Als im Mai eine Entsatzexpedition der japanischen Armee eintraf, waren alle der vorgenannten entweder gefallen oder füsiliert worden. Dasselbe Schicksal sollte dann aber auch Triapizyn ereilen.



Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte das expandierende Japan seine begehrlichen Blicke auf diesen Teil der Welt geworfen und seither nicht davon abgelassen (siehe auch hier). Jetzt schien eine günstige Chance gekommen. Mit einem Truppenkontingent von rund 70.000 Mann - das war das Zehnfache der amerikanischen Truppen - waren die Japaner die uneingeschränkte Führungsmacht im Fernen Osten und in Sibirien sowie in den angrenzenden Gebieten Chinas. Diese militärische Macht wurde durch politisch-diplomatische Manöver abgesichert, etwa die Unterstützung für Grigorij Semjonow (das ist der im Lied besungene Ataman) und Robert von Ungern-Sternberg. Beide Männer verfolgten ihre eigene Agenda (Ungern-Sternberg ernannte sich z.B. selbst zum Diktator der Mongolei) und waren, bei Lichte betrachtet, nicht nur Separatisten, sondern überhaupt zwielichtige und ziemlich unappetitliche Figuren.



Angesichts dieser offensichtlichen Bedrohung durch die japanischen Okkupanten wie durch ihre blutrünstige Landsleute ist es nicht überraschend, daß sich aus den Einwohnern des russischen Fernen Ostens Partisanengruppen gebildet haben. Regionale Schwerpunkte waren das Amurgebiet, die Region Chabarowsk und Primorje. Die Organisation war, den Zeitumständen entsprechend, sehr divers, weshalb man eine alles bestimmende Rolle der Bolschewiki oder der Roten Armee wohl verneinen muß. Eine zentralere Führung durch die Streitkräfte der Fernöstlichen Republik war erst in der zweiten Periode des Konflikts (1920-1922) gegeben. Dazu kam die ethnische Heterogenität der Partisanen: Russen, Koreaner, Chinesen u.a. Völkerschaften waren vertreten; es gab in ihren Reihen sogar freigelassene deutsche und österreichische Kriegsgefangene. (Manche Gruppen dürften allerdings kaum besser als ordinäre Banditen gewesen sein.)



Im Februar 1919 sollen allein im Amurgebiet rund 10.000 Partisanen operiert haben. Ihre zumeist aus Kavallerie und Infanterie gemischten Abteilungen hatten in der Regel eine Stärke zwischen etwa 50 und 200 Mann. Die Angriffe richteten sich vor allem gegen die Verbindungswege der Japaner. Der Schwerpunkt lag dabei auf Attacken gegen die Eisenbahnlinien, über die ja nicht nur die japanischen, sondern auch die weißen Truppen im Osten Sibiriens versorgt wurden. Von Februar bis Oktober 1919 sollen 327 Eisenbahnbrücken durch Partisanen zerstört worden sein. Sofern sich die Gelegenheit ergab, wurden allerdings auch japanische Garnisonen und ganze Städte angegriffen. Bis zum November 1919 verlor die japanische Armee bei diesen Kämpfen 572 Gefallene und 483 Verwundete; hinzu kommen 436 Soldaten, die infolge von Erkrankungen verstorben sind. Insgesamt verloren die Japaner während ihres Rußlandabenteuers über 5.000 Tote.



1921 gab es mit der von Japan unterstützten Gründung der sog. Küstenrepublik ein letztes Aufbäumen der weißen Bewegung im Fernen Osten. Doch diesem Versuch war nur eine kurze Dauer beschieden. Im September/Oktober 1922 verließen die japanischen Truppen als letzte der Interventionsmächte das russische Festland (Nordsachalin blieb bis 1925 besetzt) und im Dezember zog die Rote Armee in Wladiwostok ein. Die Partisanen vom Amur hatten gesiegt. In ihrem jahrelangen Kleinkrieg hatten sie nicht nur ihre weißen Gegner besiegt, sondern auch erheblich stärkere japanische Truppen aus dem Land geworfen. Für Tokio war die Intervention zu einer nicht mehr tragbaren Belastung geworden, die erhebliche finanzielle Mittel verschlang (insgesamt ca. 900 Mio. Yen).




Die ersten Bilder stammen aus amerikanischen und japanischen Quellen. Die letzten vier zeigen hingegen Partisanen sowie Soldaten der Roten Armee.
Bezeichnend sind die Fotos 1 bis 3 (s.o.) im Vergleich mit dem letzten. Alle sind in Wladiwostok entstanden: zunächst paradieren die Interventionstruppen, doch am Ende triumphiert die Rote Armee.






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Samstag, 12. Dezember 2009

Sowjetisch oder russisch?


Edward Lozansky hat kürzlich einen äußerst lesenswerten Text publiziert, den ich nachfolgend auszugsweise wiedergebe. Es geht dabei um die Frage, inwieweit es sich bei der Sowjetunion um einen multiethnischen Staat gehandelt hat, dessen politische Führung ebenso heterogen zusammengesetzt war. Und um die Frage, ob es dem heutigen Rußland obliegt, sich für die im Namen der Sowjetunion und des Kommunismus begangenen Verbrechen zu entschuldigen. Dabei wirft der Autor einen kritischen Blick auf die heute gängigen nationalen Klischees und schlägt eine Bresche für ein differenziertes Geschichtsbild.

Das ist ein sehr wichtiges Thema, zu dem ich schon seit Monaten selbst etwas schreiben wollte, was bis dato jedoch aus einem Mangel an Zeit unterblieben ist. Doch Lozansky hat mir diese Aufgabe nun freundlicherweise abgenommen. Besonders wichtig erscheint mir der letzte Absatz, wird die Situation insofern doch oft verfälschend dargestellt (siehe dazu z.B. auch hier):
"[...]

In his recent article in the Daily Telegraph (December 3, 2009) George Feifer suggests that “instead of trying to justify Soviet wrongs all these years later, why doesn't it [Russia] apologize, as Germany has for its 20th-century atrocities?” According to this author, apologies are due above all to the Baltic and East European countries.

As someone who for decades participated in many activities to resist the Soviet regime, standing shoulder to shoulder with people from the “Captive Nations” during their fight for freedom and independence, I believe that Feifer’s demands are misdirected, ill-timed and generally worthless, if not harmful.

Sadly, even respected and well-informed authors like Mr. Feifer still choose to confuse such distinct concepts as “Russian” (referring to ethnicity) and “Soviet” (describing a political affiliation or structure). I am sure Feifer is well aware of the difference but for some reason prefers to ignore it, joining the ranks of what is known as the Commentariat – folks who never miss a chance to bark at Russia, Moscow, or the Kremlin.

In my job as a university professor I am accustomed to repeating the same things over and over again, so I do not mind providing here an abstract of a History 101 course for the benefit of unbiased readers.

The Soviet Union or the USSR was formed in 1922 on the territory of the former Russian Empire after the 1917 Bolshevik coup, funded largely by the German General Staff, and the 1918-1920 Civil War in which the multiethnic Red Guards (whose Latvian riflemen and Chinese units were, by the way, among the most effective) eventually defeated just as ill-assorted White Guards (monarchists, Socialist Revolutionaries, Czech POWs, the Cossacks, and many others).

The Communist state that emerged from the Civil War was a dictatorship that committed many crimes against humanity, the absolute majority of the victims being the country’s own people. The USSR was composed of 16 (15 since 1956) republics which should share more or less equally the blame for these atrocities. Russia was just one of these republics or, as they were often called in the West, the “Captive Nations.” It was the largest of all 15 and, accordingly, it suffered the most in terms of human and material losses; anyone interested in these matters can easily check the figures.

The USSR’s ruling bodies – the Central Committee of the Communist Party, the Politburo, and others – were truly internationalist, that is, multiethnic, with members from all the republics, not just Russia proper, represented. General Secretary Joseph Stalin (Dzhugashvili), that most brutal and feared of all tyrants who ruled the Soviet Union from 1924 to his death in 1953, came from Georgia. So did Lavrenty Beria, for many years head of the secret police that terrorized the whole people and sent millions to the GULAG labor camps. So did Sergo Ordzhonikidze, Stalin’s friend and foe and for many years Politburo member. The universally feared KGB was mostly manned by Georgians absolutely loyal to their compatriots the top bosses. Given these facts, present-day Russia should demand an apology from the Georgian people NOW, according to Feifer’s logic. Needless to say this sort of nonsense does not even enter the heads of either the Russian people or the RF government, and Russia still gives jobs and shelter to about a quarter of Georgia’s entire population, whose relatives in Georgia make ends meet thanks to remittances from Russia. Those fraternal ties between peoples, so glibly mocked by Feifer, die really hard…

Feifer makes much of the fact that “Germany has admitted, and to a degree atoned for, its behaviour under Hitler,” inviting Russia to do the same. That’s the trouble with this comic strip school of history: it conveniently leaves out of account so many facts as to lend a kind of Martian aspect to what purports to be history.

[...]

And what about those home-grown fascists and collaborationists in many European countries? What about the Waffen SS divisions manned by citizens from the Baltic states, responsible for the murder of hundreds of thousands of Jews in the death camps on the territory of those states? It is common knowledge that these SS men are now treated in the Baltic states and Ukraine as national heroes, awarded fat pensions, decorated, and even have statues erected in their honor. Mr. Feifer must be aware of all this, yet he passes it over in complete silence, as if the Nuremberg trials had never taken place and as if the Soviets were the only side guilty of atrocities.

Just like the dominant ultra-nationalists in the Baltic states, Feifer has no other term except “occupation” for the 45 years during which these were part of the Soviet Union – Soviet Socialist Republics similar to the other twelve. Point one: the Soviets occupied the Baltic states and East European countries with the full blessing of the Western powers given at the Yalta conference of the Allies. And an even more important point: “foreign occupation” is a funny term to describe what actually took place in these states. There were powerful Communist parties (Lithuanian, Latvian, Estonian) in all three of the Baltic states, the population was thoroughly Sovietized by purely internal forces, to such an extent that ever so often prominent figures in the National Fronts and nationalist governments nowadays become victims of political scandals over their past association with the local KGB.

Then again, communists from these Baltic states were often highly prominent on the federal level. For example, Arvid Pelshe representing Latvia, was not just a Central Committee and Politburo member of many years standing: he was Chairman of the Committee for Party Control, that is, someone who could – theoretically – call to account any member of the Party, up to and including the general secretary. And another Latvian Rep. Boris Pugo, the all-powerful Interior Minister, Politburo alternate member and, most notoriously, one of the top members of the communist junta that led the abortive coup of August 1991.

[...]

The Soviet regime and its policies have been repeatedly condemned by Russia’s current top officials and the media, including government-run TV channels: these are positively filled with devastating documentaries and feature films describing the horrors of the Soviet era. It is interesting to note that the job of writing a comprehensive multi-volume modern Russian history was offered by the Kremlin to no one else but Alexander Solzhenitsyn, the person who, through his writings and public activities, has done more than any other man to bring down the Soviets. Due to his old age he passed this honor to Professor Andrei Zubov, known for his calls for Russia’s de-Communization similar to the de-Nazification of postwar Germany. His recently published work has won praises from many well-known scholars, including Richard Pipes and others who can hardly be charged with being Moscow’s appeasers or sympathizers.

[...]" vollständig lesen

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Freitag, 11. Dezember 2009

11.12.2009: Video des Tages

Heute: Verhaltensmaßregeln für Freundinnen (und Ehefrauen), die das Glück haben, ihren Herzallerliebsten auf einem Ausflug in die Natur begleiten zu dürfen. ;-)



Donnerstag, 10. Dezember 2009

Ein Buch, von dem man besser die Finger läßt

In der Regel weise ich an dieser Stelle auf Bücher hin, die mir bemerkenswert erscheinen und die ich meinen Lesern empfehlen möchte. Heute soll - ausnahmsweise - vor einem Buch gewarnt werden, das ich für unsachlich und somit schlecht halte.

Wolfgang Leonhard gilt im deutschsprachigen Raum als einer der besten Kenner von Kommunismus und Stalinismus sowie der früheren Sowjetunion. Berühmt wurde er durch sein erstmals 1955 erschienenes Buch "Die Revolution entläßt ihre Kinder". So könnte denn mancher interessierte Zeitgenosse versucht sein, auch zu Leonhards neuesten Werk mit dem Titel "Anmerkungen zu Stalin" zu greifen. Davon will ich jedoch ausdrücklich abraten, denn die Faktenbasis, auf der seine Argumentation aufbaut, ist außerordentlich dünn.
Das Buch beginnt in etwa mit den gleichen Sätzen wie die Verlagswerbung:
"[...]

In Putins Russland feiert eine historische Figur ein erstaunliches Comeback: Bei einer Volksumfrage wurde Josef Stalin jüngst zum «größten Helden der russischen Geschichte» gewählt. In dem Land, in dem auch wieder die alte Stalin-Hymne gesungen wird, droht die Erinnerung an die Greuel zu verblassen, wird einer der schlimmsten Diktatoren des letzten Jahrhunderts gern in mildem Licht gesehen, als Patriot und Garant nationaler Stärke.

[...]"
Damit bedient Leonhard zwar die populäre These einer angeblichen Stalin-Renaissance im heutigen Rußland, allein, die von ihm dort als Belege für diese bedenkliche Entwicklung angeführten Tatsachen stimmen nicht!
Erstens: Aus der vor rund einem Jahr im Fernsehen durchgeführten Umfrage nach dem bedeutendsten Russen der Geschichte ging nicht Josef Stalin, sondern Alexander Newskij als Sieger hervor (siehe auch hier).
Zweitens: Bei der im Jahr 2000 eingeführten Nationalhymne der RF handelt es sich nicht um eine "Stalin-Hymne", sondern um die Kombination aus der alten (und sehr eingängigen) Musik von Alexander Alexandrow und dem neugedichteten Text von Sergej Michalkow. Die neue Hymne ist populär und hat das seit 1991 anhaltende, m.E. würdelose Gezerre um eine Nationalhymne für das postsowjetische Rußland beendet (zur Entwicklung vgl. hier). Glinkas "Patriotisches Lied" konnte nie Rückhalt im Volk gewinnen, zumal es über keinen Text verfügt. Letzterer ist für eine Nationalhymne jedoch von entscheidender Bedeutung, denn eine Melodie allein hat etwas beliebiges.

Wenn Leonhards Grundannahmen schon so falsch sind, wie soll denn in seinem neuen Buch daraus eine vernünftige und realistische Darstellung werden? Ich weiß es ehrlichgesagt nicht, denn nach der Lektüre der ersten Seiten habe ich es wieder weggelegt. Dennoch bleiben erhebliche Zweifel. Es ist nicht das erste Mal, daß mich Wolfgang Leonhard enttäuscht hat. Viele seiner in den letzten Jahren publizierten Bücher sind doch erstaunlich fade und blutleer; sie wirken wie der dritte oder vierte Aufguß seines Klassikers "Die Revolution entläßt ihre Kinder". Dazu kommen vielleicht auch gewisse Alterserscheinungen, vor denen auch der von mir sonst hochverehrte Peter Scholl-Latour nicht gefeit ist.

So will ich heute mit einem Rat an meine Leser schließen: Wer etwas von Leonhard lesen will, der ist mit seiner klassischen Arbeit von der Revolution, die ihre Kinder entläßt, mit Abstand am besten bedient. Seine "Anmerkungen zu Stalin" sind jedenfalls Geldverschwendung und dürften inhaltlich kaum über das in seinem Erstlingswerk bereits gesagte hinausgehen.


PS: Zum Schluß ein Video mit einer etwas rockigeren Version der soeben diskutierten Nationalhymne, interpretiert von der Gruppe "Ljube".




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Dienstag, 8. Dezember 2009

08.12.2009: Musik des Tages

Heute wieder einmal eine der von mir präferierten Gruppen: Ljube mit "Staryje drusja" (dt.: Alte Freunde).



Sonntag, 6. Dezember 2009

06.12.2009: Videos des Tages

Im Oktober haben in Moskau zwei wichtige Waffenmessen stattgefunden: Vom 15. bis 18. Oktober die Messe Oruzhie i ochota (dt.: Waffen und Jagd) und vom 27. bis 30. Oktober die Interpolitex 2009, die sich - wie der Name schon vermuten läßt - auf den Behördenmarkt konzentriert. Das erste beiden der folgenden Videos sind denn auch auf der Jagdmesse entstanden, wobei allerdings fast ausschließlich Gas- und Trauma-/RAM-Waffen vorgestellt werden. Das dritte Video vermittelt ein paar Eindrücke von der Interpolitex, so wird u.a. die neue Standard-Maschinenpistole der russischen Polizei, die PP-2000, ausführlich erläutert.










PS: Weitere Fotos von der Arms and Hunting finden sich hier, hier und hier; desgleichen von der Interpolitex hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

Samstag, 5. Dezember 2009

In eigener Sache

Meine "Vorwarnung" vom 7. November hat eine ungeahnte Menge von Reaktionen hervorgerufen. (Eine ähnliche Anzahl von Kommentaren würde ich mir auch bei manch anderem Thema wünschen. ;-)) Zahlreiche Leser haben sich bei mir gemeldet und mich gebeten, weiterzumachen oder den Blog zumindets nicht zu löschen. Letzteres hatte ich ohnehin nie vor, denn ich halte nichts von Vergangenheitsbewältigung per Löschtaste. Des weiteren werde ich Backyard Safari - wie es jetzt aussieht - wohl auch im neuen Jahr weiterführen. Allerdings, wie bereits jetzt, mit einer etwas selteneren Beitragshäufigkeit als noch vor einem Jahr. Schließlich brauche ich einen Ort, an dem ich hin und wieder meine Gedanken ablegen kann. ;-)
Ich will mich auch fürderhin um eine gewisse Thementreue bemühen und nicht in allgemeinpolitische Themen abgleiten. Falls es, wie gestern, doch einmal passiert, bitte ich meine Leser dafür um Pardon, aber manche Gedanken verlangen nach ihrer schriftlichen Fixierung.
Dann wünsche ich allen Lesern einen schönen zweiten Advent und einen fleißigen Nikolaus. ;-)

Freitag, 4. Dezember 2009

Das schwierige Erbe der Wende


Das zwanzigjährige Jubiläum des Mauerfalls und deer politischen Wende in der DDR war ja eines der Hauptereignisse im Jahr 2009. Obgleich ich mich zu den „Gewinnern der Wende“ zählen darf (jede andere Bewertung wäre angesichts eines christlichen Elternhauses und der dort fehlenden Parteibücher ausgeschlossen), hatte ich bei den Feierlichkeiten doch gemischte Gefühle. Es ist gut, daß die Entwicklung so zur deutschen Einheit verlaufen ist, wie es dann 1989/90 der Fall war. Und es war gut, daß die sog. „Bürgerrechtler“ seither weitestgehend in der politischen Versenkung verschwunden sind. Denn das Erbe dieser Personen ist alles andere als unproblematisch. Sie waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um der politisch, ökonomisch und moralisch bereits bankrotten DDR den Todesstoß zu versetzen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Die Gründe für diese harsch wirkende Einschätzung will ich nachfolgend erläutern, wobei ich an diesen Text anknüpfe. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin kein Linker und mir geht es nicht um ein Lob der DDR, sondern um das, was man (hochtrabend formuliert) historische Gerechtigkeit nennen könnte. Ich bin mir bewußt, daß ich damit Gefahr laufe, mich zwischen alle Stühle zu setzen.


Erstens: Die sog. „Bürgerrechtler“ leiden bis heute an einer notorischen Selbstüberschätzung.

Sehr gut kann man dies an dem meinen Lesern wohlbekannten Roman Grafe. Er hat kürzlich ein Buch mit dem Titel „Die Schuld der Mitläufer“ vorgelegt, in dem er die Mehrheit der DDR-Bürger bezichtigt, Mitschuld am SED-Regime zu sein, da sie sich zu passiv verhalten und die Regierung meistenteils hingenommen hätten. Nur die wenigen „Bürgerrechtler“ hätten Rückgrat bewiesen. Damit hat Grafe eines seiner Lieblingsthemen wieder aufgegriffen, mit dem er auch schon bei der Waffenrechtsdebatte für Verwunderung gesorgt hat: die bizarre Kollektivschuldthese. Wir erinnern uns: Grafe glaubt, dass jeder, der sich gegen „Unrecht“ nicht aktiv wehrt, daran genauso schuldig ist wie derjenige, der es aktiv ausführt. Diese Auffassung ist nicht nur aus moralphilosophischer Sicht zurückzuweisen, da die Welt viel zu komplex ist, um alle darin ablaufenden Vorgänge überblicken zu können. Dem Menschen würde so eine Last aufgebürdet, die er einfach nicht schultern kann.

Des weiteren stört mich die Selbstgerechtigkeit, mit der Grafe seine These vorträgt. Er sieht sich selbst als Widerstandskämpfer gegen alles Übel in der Welt – früher die DDR, heute die sog. „Waffenlobby“. D.h. er ist der „Gute“, alle, die anderer Meinung sind, sind nicht nur seine (theoretisch gleichwertigen) politischen Gegner, sondern darüber hinaus unmoralische Bösewichte, die es auszuschalten gilt, wenn man denn in einer „guten Welt“ leben will. Damit ist Grafes Weltanschauung potentiell totalitär, zielt sie doch auf die Verdrängung seiner Gegner aus dem politischen Diskurs – allerdings nicht durch argumentatives Überzeugen, sondern durch Repression. Dadurch wird der demokratischen politischen Kultur, die in der BRD ohnehin nicht besonders hoch entwickelt ist, ein schwerer Schlag versetzt.

Außerdem hat es einen schalen Beigeschmack, wenn ein „Bürgerrechtler“ im Bundestag auftritt und dabei fordert, eine bestimmte, ihm nicht genehme Bevölkerungsgruppe (nämlich die Legalwaffenbesitzer) ihrer Grundrechte zu berauben. (Deshalb gebrauche ich diese Bezeichnung hier nur in Anführungszeichen.)


Damit sind wir beim zweiten Punkt: Die sog. „Bürgerrechtler“ waren und sind tendenziell genauso diktatorisch, wie es das SED-Regime war.

Es kann auch gar nicht anders sein, sehen sich diese Damen und Herren doch selbst als Antagonisten dieses Regimes. Und sie sind es auch, quasi die zweite Seite derselben Medaille. Sie sind durch die Schule der DDR gegangen und können sich politische Machtausübung kaum anders vorstellen als mit den in der DDR gebräuchlichen Mittel und Methoden. Dazu zählt vor allem eine ausgeprägte Verachtung des Rechtsstaates. Von Bärbel Bohley stammt der Satz: „Wir haben Gerechtigkeit erwartet und den Rechtsstaat bekommen.“ Anstatt einer „Nacht der langen Messer“ also der Gerichtssaal. Bohleys Entäuschung wird von vielen ihrer Gesinnungsgenossen geteilt, waren sie doch daran gehindert, es den früheren Machthabern mit gleicher Münze heimzuzahlen. (Nebenbei bemerkt: Das ist m.E. ein archaischer Trieb, den man als zivilisierter Mensch unter Kontrolle halten sollte.)

Ein hervorragendes Beispiel für die Verachtung des Rechtsstaates ist der ehemalige Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge. Nach dem Schulamoklauf am 26.04.2002 setzte er aus lauter Selbstherrlichkeit für seine Stadt den Vollzug des geltenden Waffengesetzes außer Kraft, indem er sich weigerte, vor einer Neuregelungdes WaffG weiter waffenrechtliche Erlaubnisse auszustellen. Ferner wurden alle Legalwaffenbesitzer zu einer „Reihenuntersuchung“ ins Ordnungsamt gerufen, obwohl diese Maßnahme vom damals geltenden WaffG ebenfalls nicht gedeckt war. Was im Normalfall zu einem Aufschrei der Medien geführt hätte, wurde hier von der Öffentlichkeit anstandslos hingenommen, schließlich ging es ja gegen die pöse „Waffenlobby“.
Und Ruge fühlte sich moralisch dazu berechtigt, gegen das geltende Recht zu verstoßen. Bei ihm zeigt sich ebenso wie bei Grafe die ungesunde Moralisierung der Politik, die auch eine Folge der „Bürgerrechtsbewegung“ in der DDR ist. Recht und Gesetz werden nur dann als bindend angesehen, wenn sie zu den moralischen Ansichten eines Amtswalters passen. Genauso war es in der DDR: Im Zweifel ging dort ein Beschluß der SED dem staatlichen Recht vor.

Die Aufzählung der Fälle, in denen ein ehemaliger „Bürgerrechtler“ meinte, das Recht brechen zu dürfen, läßt sich fortsetzen. Etwa mit Heinz Eggert (CDU-Mitglied und notorischer Waffengegner). Als er im Frühjahr 1990 Landrat in Zittau geworden war, entließ er ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtlichen Bestimmungen mehrere Mitarbeiter seiner Behörde (vgl. hier). Offenbar hielt Eggert sein Verhalten für einen revolutionären und damit legitimen Akt, denn auch in der Rückschau fehlt ihm jegliches Bedauern für seinen Rechtsbruch, statt dessen macht er angebliche SED-Verwicklungen der zuständigen Richter für die von ihm verlorenen Gerichtsprozesse verantwortlich. Und dieser Mann hat als Innenminister in Sachsen jahrelang über die Rechtstreue der dortigen Bürger gewacht!
Er hat, ebenso wie viele seiner Gesinnungsgenossen niemals gelernt, daß ein Gemeinwesen nur dann funktionieren kann, wenn es von allen Bürgern weitgehend akzeptierte Rechtsnormen gibt und diese auch beachtet werden. Im Zweifelsfall geht vielen sog. „Bürgerrechtlern“ (von welchen „Rechten“ reden die eigentlich?) ihre Privatmeinung über das für alle geltende Gesetz.


Das führt uns hin schon zum dritten Punkt: Die meisten „Bürgerrechtler“ haben im Herbst 1989 keineswegs für eine Staats- und Gesellschaftsordnung gekämpft, wie sie heute in Deutschland gegeben ist.

Das geht aus zahllosen Selbstzeugnissen dieser Herrschaften hervor. Ihnen schwebte wohl mehrheitlich eine Art Reformsozialismus, ggf. mit starker ökologischer Komponente, vor. An eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten, wie sie dann am 03.10.1990 vollzogen worden ist, hat fast keiner von Ihnen gedacht. Sie wollten die DDR nicht aufgeben, sondern umbauen. Eben parteiische Gerechtigkeit statt Rechtsstaat, aber nunmehr ohne die führende Rolle der SED. Das erklärt, weshalb viele der „Bürgerrechtler“ im wiedervereinigten Deutschland nie heimisch geworden sind. Und mich verwundert, daß diese ideologische Komponente heute zumeist übersehen wird (siehe auch hier).

Die „Bürgerrechtler“ haben in den 1980er Jahren zwar erheblich zur Erosion der DDR beigetragen, die Einheit unseres Vaterlandes und den Rechtsstaat, in dem wir heute trotz mancher Mängel leben dürfen, haben wir Deutschen jedoch vor allem der Eigendynamik zu verdanken, die sich seit November/Dezember 1989 entwickelt hat und weder von diesen Ökofundis und Reformsozialisten noch von Teilen der westdeutschen Intelligenzija (welche die Teilung am liebsten zementiert hätte) aufzuhalten war.


Viertens: Die Ereignisse der Jahre 1989/90 haben eine Vielzahl von Theologen in öffentliche Ämter gespült und so zu einer Hypermoralisierung der Politik beigetragen.

Diese „Theologenschwemme“ ist m.E. eine der übelsten Langzeitfolgen der Wende. Nicht, daß ich etwas gegen die Vertreter dieser Disziplin hätte. Doch mögen sie sich bitte auf das beschränken, was ihres Amtes ist (vgl. Sirach 3,24). Statt dessen äußern sich hierzulande Theologen zu allen möglichen politischen Fragen, ohne daß sie irgendeine Qualifikation dafür besitzen würden. Noch schlimmer ist es, wenn besagte Damen und Herren ein öffentliches Amt bekleiden und so tun, als wären sie für irgend etwas zuständig, obwohl sie in Wirklichkeit vor dem Problem stehen wie das berühmte Schwein vor dem Uhrwerk. Da helfen dann auch keine Bibelzitate und/oder zur Schau gestellte Gutmenschlichkeit weiter.


Fünftens: Die Revolution im Herbst 1989 war alles andere als friedlich.

Auf Bismarck geht das Diktum zurück, wonach die Welt nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse, sondern durch Eisen und Blut verändert werde. Dies trifft auch auf die Revolution im Herbst 1989 zu, denn auch dort ist – wie bei allen bedeutenden Umwälzungen – Blut geflossen. Zwar weniger als andernorts, aber immerhin.
Die „Bürgerrechtler“ haben jedoch, vermutlich um ihr pazifistisches Gewissen zu beruhigen, die Mär in die Welt gesetzt, daß im Herbst 1989 in der DDR eine „friedliche Revolution“ stattgefunden habe. Die Realität sah freilich anders aus. Und damit meine ich nicht die Storys von wild um sich prügelnden Volkspolizisten und „armen“ Demonstranten, die angeblich willkürlich festgenommen worden sind. Ich denke vielmehr an die Ereignisse in Berlin um den 7. Oktober 1989, als durchgedrehte Demonstranten Polizisten massiv mit Steinen beworfen haben – wohlwissend, daß auf seiten der VP keine Helme, sondern lediglich Schirmmützen getragen wurden. Somit haben die Protestler schwere Körperverletzungen und vielleicht sogar Tote billigend in Kauf genommen.

Zur selben Zeit hat sich in Dresden eine Gewaltorgie entladen, die wohl kaum jemand in der DDR vermutet hätte (ausführlich hier nachzulesen). Dutzende verletzte Ordnungskräfte, die mit Steinen und Brandsätzen beworfen wurden, umgestürzte und angezündete Autos und ein total verwüsteter Hauptbahnhof sind die Bilanz dieser Tage. Dort hat sich ein Mob ausgetobt, dem es keineswegs um Freiheit, sondern nur um das Gewalterlebnis ging. (Die aktuellen Ereignisse rund um Fußballspiele in Mitteldeutschland lassen grüßen … Stichwort: Hooligans.)
Natürlich paßt die Erinnerung daran nicht in das Selbstbild der vermeintlich friedlichen Demonstranten, die „Keine Gewalt!“ riefen und von pazifistischen Pfarrern angeführt worden. Dennoch gehört es zum Herbst 1989 dazu. Die „friedliche Revolution“ ist nicht mehr als ein Mythos.


Sechstens: Die Beschäftigung mit der Staatssicherheit ist mittlerweile zu einer fixen Idee geworden, die jedes vernünftige Maß verloren hat.

Wenn man sich die Stimmung der Jahre 1989/90 vergegenwärtigt, dann kann man das Interesse an der Arbeit und insbesondere den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit nachvollziehen, erschien diese Behörde vielen DDR-Bürgern doch als ein finsterer Koloß. Allerdings hat sich dieses Interesse seither verselbständigt und geradezu ungeheuerliche Dimensionen angenommen. Wissenschaftliche Arbeiten wie populäre Medienberichte zur DDR kommen kaum mehr ohne einen Bezug zum MfS aus. Demnächst erscheint sicher noch eine Abhandlung zum Einfluß der Stasi auf das Liebesleben der ostdeutschen Pflastersteine. ;-)

Damit wird das MfS jedoch maßlos überschätzt. Zum einen, weil es keineswegs die „Spinne im Netz“ ist, die geheime Kommandozentrale, aus der die gesamte DDR gesteuert wurde. Die bisweilen – auch unter Wissenschaftlern – anzutreffende Überzeugung, in den nachgelassenen Akten des MfS könnte man so etwas wie einen „DDR-Code“ entschlüsseln, der die gesamte Geschichtsschreibung des ostdeutschen Teilstaates über den Haufen wirft, ist absurd. Laut ihrem Selbstbekenntnis war das MfS „Schild und Schwert der Partei“ – also der SED. In deren Gremien (Politbüro, Sicherheitskommission, Abteilung für Sicherheitsfragen) sowie im Nationalen Verteidigungsrat wurden alle wichtigen Entscheidungen gefällt. Erich Mielke war durchaus kein „Schattendiktator“. (Vgl. dazu auch Walter Süß: Das Verhältnis von SED und Staatssicherheit, 2. Aufl., Berlin 1998.)

Ferner sollte man die Wirkung des MfS auf das Alltagsleben der DDR-Bürger nicht überschätzen. Wer hatte denn mit denen zu tun? Minderheiten wie z.B. Ausreisewillige, Christen und andere ja, aber sonst? Die meisten Durchschnittsbürger waren doch von der Arbeit des MfS nicht stärker betroffen als die heutigen Bundesbürger von Verfassungsschutz, MAD und BND. Und wenn man das MfS nüchtern betrachtet, dann wird man sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß es in weiten Teilen ein normaler europäischer Nachrichtendienst war.
Ich empfinde es als befremdlich, wenn tendenziell jeder ordinäre Schwerkriminelle, der vom MfS festgenommen worden ist, zum Opfer politischer Verfolgung stilisiert wird. Es ist weiters ein Fehler der „Bürgerrechtler“, ihre eigenen Erfahrungen als oppositionelle Kleingruppe in der DDR zu verallgemeinern und so zu tun, als hätten alle Ostdeutschen in beständiger Angst vor einer Einlieferung nach Hohenschönhausen gelebt.


Siebentens: Ja, die DDR war ein Unrechtsstaat. Allerdings ist dieses Urteil kein Anlaß für westdeutsche „Kalte Krieger“, um in Arroganz und Selbstgefälligkeit zu versinken.

Ein Beispiel mag dies illustrieren. Gemäß Art. 31 der DDR-Verfassung von 1968 war das Fernmeldegeheimnis unverletzbar und durfte nur auf einer gesetzlichen Grundlage eingeschränkt werden, „wenn es die Sicherheit des sozialistischen Staates oder eine strafrechtliche Verfolgung erfordern“. Das hört sich nicht schlecht an. Jedoch ist ein solches Gesetz in der DDR erst im Jahre 1979 erlassen worden (§ 115 Abs. 4 StPO). Somit war die gesamte Fernmeldeüberwachung des MfS, zumindest zwischen 1968 und 1979, rechtswidrig – wohlgemerkt: nach DDR-Recht! Und für die Zeit nach 1979 ist es zweifelhaft, ob sich das MfS immer an die Vorgaben des § 115 IV StPO gehalten hat.

Aber auf der westlichen Seite des „Eisernen Vorhangs“ sah es nur wenig besser aus, denn jahrzehntelang haben auch die Nachrichtendienste der BRD ohne (hinreichende) Rechtsgrundlagen in die Grundrechte der Bürger eingegriffen. Zwar hieß es bereits in der Urfassung des Grundgesetzes von 1949:
"Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden." (Art. 10)
Ein derartiges Gesetz, welches die TKÜ der Nachrichtendienste zugelassen hätte, ist jedoch erst 1968 erlassen worden (G-10-Gesetz). Parallel dazu wurde Art. 10 GG neu gefaßt und der heutige Abs. 2 eingefügt. Doch vor 1968 haben die westdeutschen Nachrichtendienste natürlich den Telefon- und Funkverkehr abgehört. Gestützt wurden diese Maßnahmen auf – man höre und staune – Besatzungsrecht. Denn Verfassungsschutz & Co. seien insoweit nicht etwa Staatsorgane der BRD, die deren Recht unterlägen, sondern Hilfsorgane der Besatzungsmächte, für die demzufolge deren Anordnungen gelten würden (nachlesen kann man dies in den Bundestagsprotokollen der 1960er Jahre, als über die Notstandsgesetze diskutiert wurde). (Soviel nebenbei auch zur nicht vorhandenen Souveränität der Bundesrepublik.)
Vom G-10-Gesetz war jedoch nur ein Teil der nachrichtendienstlichen Tätigkeit erfaßt. Auf Bundesebene existierte lediglich für den Verfassungsschutz seit 1950 eine gesetzliche Regelung. Erst im Jahre 1990 folgten das MAD-Gesetz und das BND-Gesetz.


Achtens: Die Übernahme von Amtswaltern der früheren DDR in den öffentlichen Dienst des wiedervereinigten Deutschlands stellt m.E. keine belastende Hypothek dar.

Da ich über gewisse Erfahrungen im öffentlichen Dienst verfüge darf ich mir dieses Urteil erlauben, auch wenn es für manche erstaunlich klingen mag. Diese Angestellten und Beamten machen auch das, was sie vor 1990 getan haben. Dabei konnte ich keine ausgeprägte DDR-Nostalgie beobachten. Und sie sind auch keine stärkeren „Korinthenkacker“ als ihre aus Westdeutschland importierten Kollegen. ;-) Diesen Damen und Herren fehlt – im Gegensatz zu den „Bürgerrechtlern“ – die „versteckte Agenda“; die meisten würden es sich niemals wagen, ihre Privatmeinung über das geltende Recht zu stellen.

Des weiteren lehrt die historische Erfahrung, daß kein Staat und kein politisches System der Moderne auf die Träger des Herrschaftswissens seines Vorgängers verzichten konnte. Sowohl die BRD als auch die DDR (wenngleich etwas weniger) haben nach 1945 auf erfahrenes Personal aus der Zeit des Dritten Reiches zurückgegriffen. Desgleichen kam auch die Weimarer Republik nicht ohne ehemals monarchische Beamte und Offiziere aus. Und selbst nach einem so einschneidenden Umsturz wie der Oktoberrevolution 1917 haben die Bolschewiki hunderttausende zaristischer Amtsträger wieder in Dienst gestellt (darunter fast 200 Generäle).


Neuntens: Der derzeitige politische Erfolg der Linkspartei ist keine Folge vermeintlicher DDR-Nostalgie.

Wenn manche „Wessis“ meinen, nur frühere SED-Mitglieder würden heute die Linkspartei wählen und dementsprechend fordern, man solle doch diese Wähler aus Deutschland verbannen, dann machen sie es erheblich sich zu einfach. Ich persönlich kenne Leute, die vor zehn oder fünfzehn Jahren niemals die PDS gewählt hätten, es heute jedoch tun. Es muß dafür also andere Gründe als „Ostalgie“ oder Unbelehrbarkeit geben. Die Linken geben Antworten auf aktuelle politische Probleme, die offenbar vielen unserer Mitbürger einleuchtend erscheinen. Es geht dieser Partei keineswegs um eine Wiederherstellung der untergegangenen DDR, sondern um politische und wirtschaftliche Fragen des Jahres 2009. Daß ich persönlich diese Partei nicht unterstütze, hängt damit zusammen, daß mich ihre Antworten nicht befriedigen. Dennoch kann man die Probleme, die von ihr thematisiert werden, nicht einfach vom Tisch wischen – auch, wenn diese Erkenntnis unangenehm sein mag.
Genauso wie der Fehlschlag des Kommunismus und die unter seiner Herrschaft begangenen Verbrechen nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, daß es im 19. und 20. Jahrhundert tatsächlich erhebliche soziale Mißstände gegeben hat, so darf die Abneigung gegen die heutige Linkspartei nicht den Blick auf die von ihr aufgeworfenen Fragen verstellen. Auch, wenn sich die Antworten (hoffentlich) von denen aus dem Karl-Liebknecht-Haus unterscheiden.
Schließlich sind Forderungen nach Kollektivstrafen gegen Linke Ausdruck einer Bürgerkriegsgesinnung, die während des Kalten Krieges möglicherweise berechtigt war, heute jedoch nur noch anachronistisch ist.


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