Der zweite Weltkrieg, in der frühren Sowjetunion auch als Großer vaterländischer Krieg tituliert, ist dort seit Jahrzehnten ein beliebtes Thema für Spielfilme und Fernsehserien. Während diese zu Sowjetzeiten meist ideologisch aufgeladen waren und die Leiden und die Opferbereitschaft der Sowjetmenschen sowie die Führungsrolle der Kommunistischen Partei darzustellen hatten, ist dieser weltanschauliche Ballast seit Ende der 1980er Jahre Vergangenheit. Glücklicherweise, möchte man meinen: Glück für den Zuschauer, dem langatmige und schwermütige Epen erspart bleiben, aber auch Glück für die Filmemacher, können sie doch nun die komplexe Geschichte des 2. WK aufgreifen und spannungsreich und unterhaltsam verarbeiten.
Einige dieser Filme, die während der letzten Jahre entstanden sind und im Hinblick auf den Unterhaltungswert ihren Konkurrenten amerikanischer Provenienz kaum nachstehen, sollen jetzt kurz vorgestellt werden.Ein Film, der für heftige öffentliche Debatten gesorgt hat, war die elfteilige Serie Shtrafbat (dt.: Strafbataillon; vgl. hier, hier und hier). Den einen erschien sie als "nationalistisches Machwerk", welches die Schrecken der Stalin-Ära verharmlose, den anderen hingegen als eine Ausgeburt des "Hasses auf die Armee und auf unsere [ruhmreiche] Vergangenheit insgesamt". Wenn ein Film derart unterschiedliche Bewertungen hervorruft, so kann er eigentlich nicht schlecht sein. ;-) Und es ist einer der wenigen zeitgenössischen Filme aus Rußland, die auch in Deutschland zur Kenntnis genommen worden sind.
In der Serie wird die Geschichte eines der zahlreichen sowjetischen Strafbataillone erzählt, die mangelhaft ausgerüstet und bewaffnet sowie von mißtrauischen NKWD-Offizieren geführt, als Kanonenfutter in das Feuer der deutschen Truppen geworfen wurden. Das Thema der "Kugeln aus zwei Richtungen" wurde mittlerweile auch von anderen Filmen aufgegriffen (z.B. Den Pobedy, Poslednij boj Majora Pugacheva).
(Die Filmmusik mit dem Titel "Kombat" stammt von Ljube. Und einige Episoden sind auch online greifbar.)
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Nach Beginn der Blockade Leningrads trifft eine britische Korrespondentin zufällig auf eine junge Polizeibeamtin, die ihr unerlaubterweise Unterschlupf gewährt und beim Überleben während der nächsten Jahre hilft. Dabei wird immer wieder die Verbindung zwischen den Einzelschicksalen und der allgemeinen Entwicklung hergestellt. So wird im ersten Teil gezeigt, wie hastig aus den Betrieben rekrutierte Arbeitereinheiten ohne Waffen ins Gefecht geworfen und mit Revolverschüssen der NKWD-Offiziere nach vorne getrieben werden. Auch wird nicht an der Darstellung des harten Alltagslebens gespart: Hunger, Schwarzmarkt, Korruption, Amtsmißbrauch. Schließlich erscheinen die Deutschen im Film nicht als die seelenlosen Kampfmaschinen und Herrenmenschen, wie sie in sowjetischen Filmen oft dargestellt wurden. Dazu kommen freilich genug spannende Episoden, welche die Serie wirklich sehenswert machen.
Damit unterscheidet sich "Leningrad" - m.E. wohltuend - von dem in den 1970er Jahren gedrehten Klassiker Blokada (dt.: Blockade), einem selbst für sowjetische Verhältnisse extrem pathosgeschwängerten Streifen.
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Im Film ist neben der berühmten Maschinenpistole PPSh-41 auch das weniger bekannte Selbstladegewehr SVT-40 - seinerzeit fast so etwas wie die Standardwaffe der Marineinfanterie - zu sehen. Überhaupt sind die meisten der hier vorgestellten Filme hinsichtlich Bewaffnung und Ausstaffierung stark auf Originaltreue bedacht.
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Der Film setzt den zahlreichen weiblichen Scharfschützen, die während des 2. WK für ihre Heimat kämpften, ein kleines Denkmal. Entsprechend gut sind neben dem Mosin-Nagant-Gewehr mit Zielfernrohr PU auch die anderen Standardwaffen des 2. WK abgebildet.
Und auch hier kann man sehen, daß im heutigen Rußland viel kritischer mit der eigenen Geschichte umgegangen wird, als viele ausländische Beobachter meinen: die in einer Zeitung abgedruckte Rede Stalins wird zu Zigaretten verarbeitet, der Abwehroffizier der Einheit, welcher Soldaten wegen kleinster Vergehen ins Strafbataillon schickt, begeht Selbstmord, als er von seinen Kollegen zum Verhör abgeholt werden soll usw.
Na Bezymyannoj Vysote ist ferner ein Beispiel für das tragische Ende, welches viele sowjetische und auch manche der neueren russischen Filme haben. Obwohl hier die Heldin den Kampf unbeschadet übersteht, so wird doch das Regiment, dem sie zugeteilt war, fast komplett aufgerieben. Ein deutlicher Unterschied zu dem einfachen Strickmuster anderer Filme, wo wie selbstverständlich die "Guten" überleben und die "Bösen" sterben.
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Hier werden im Film auch die schrecklichen Aspekte jener Tage gezeigt: vergewaltigte Frauen, geplünderte Wohnungen etc. Die filmische Aufarbeitung dessen, die in Deutschland erst 2008 mit Anonyma möglich war, wurde in Rußland schon über ein Jahr früher vorgenommen.
Aber der Film geht weiter: einer der Helden landet im Gulag und wird dort von sadistischen NKWD-Aufsehern gefoltert, ein anderer versucht sich am Aufbau eines kleinbürgerlichen Lebens, aber alle werden gegen Ende der 1940er Jahre wieder mit einem Geheimauftrag reaktiviert, der der Aushebung einer Schmugglerbande dient. Am Ende jedenfalls befinden sich alle auf einem Schiff im Schwarzen Meer mit Kurs auf Westeuropa ...
Fazit: Ein unheimlich spannender Film, den man nur empfehlen kann.
(Unten zwei Zusammenschnitte; verschiedene Episoden sind auch bei diesem Film im Internet verfügbar, siehe hier und hier.)
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(Unten ein Trailer mit der Filmmusik.)
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