Dieser Tage schlägt die Gründung von
Pro Legal, einer neuen Interessenvertretung der deutschen Legalwaffenbesitzer, in den einschlägigen Foren und Blogs hohe Wellen. Am 13. Dezember hat sich
der Vorstand konstituiert und nun wird eifrig um Mitglieder geworben. Ich weiß ehrlich gesagt nicht recht, was ich von diesem neuen Projekt halten soll; meine Vorbehalte habe ich
hier formuliert. Die haben allerdings nichts mit Pro Legal zu tun, denn dafür ist über diesen Verein noch viel zu wenig bekannt. Mich stört eher, daß nach der Austrittswelle aus dem
Forum Waffenrecht nun andauernd neue Vereine, Initiativen und sogar Parteien gegründet werden. Das erweckt zumindest den (oberflächlichen) Eindruck von Kleinlichkeit, Rechthaberei und Wichtigtuerei auf seiten der jeweiligen "Obermacker". Und es führt objektiv zu einer Spaltung der ohnehin schwachen Kräfte.
Dabei habe ich keineswegs eine Einheitsorganisation im Sinn, wie
in diesem Artikel gemutmaßt wird. Nein, wir können schon mit unterschiedlichen Organisationen leben - die es übrigens auch in den USA gibt, wo die
NRA gewiß nicht der alleinseligmachende Heilsbringer ist. Aber eins fehlt uns, was die NRA meinem Eindruck nach zu leisten vermag: die
Koordination verschiedenster Gruppen und Einzelpersonen, und zwar immer auf ein bestimmtes Einzelziel gerichtet. Und uns fehlt die finanzielle Potenz unserer amerikanischen Kollegen. Man sehe sich nur einmal die Personalausstattung der FWR-Geschäftsstelle an (wenn ich recht informiert bin, sind das derzeit drei Mitarbeiter) und man wird feststellen, daß selbst dort nur auf Sparflamme gearbeitet wird. Bei den einzelnen Schießsport- und Jagdverbänden sieht es kaum besser aus. Wieviele Mitarbeiter kümmern sich dort hauptamtlich um Rechtsfragen und Öffentlichkeitsarbeit?
Und dabei gäbe es so viel zu tun. Neben der Kontaktpflege in Berlin müßte die Anwendung des Waffenrechts durch Behörden und Gerichte kontinuierlich beobachtet und dokumentiert werden. Wichtige Entscheidungen sollten zeitnah kritisch kommentiert werden; Ferner müßte die Rechtsentwicklung innerhalb der EU sowie auf internationaler Ebene beobachtet werden. Analog gilt dasselbe für die Berichterstattung der Medien, das eigene Auftreten in Interviews, ggf. das Verfassen von Gegendarstellungen usw. usf. Wenn allein diese Aufgaben einigermaßen sachgerecht und professionell gelöst werden sollen, braucht man dazu locker ein halbes Dutzend hauptamtlicher Kräfte und wird selbst dann nicht ohne die projektbezogene Mitarbeit von Ehrenamtlichen auskommen können. Der Finanzbedarf wäre folglich enorm. Und jetzt kommt die traurige Erkenntnis: Je mehr Vereine gegeründet werden, desto weniger Mittel werden allein für diesen Teil der Arbeit zur Verfügung stehen. Und vieles kann man als "Laienspieler", trotz allem Engagement, auf Dauer einfach nicht leisten (ich spreche insofern aus eigener Erfahrung).
Meine Vorbehalte gegen eine Zersplitterung der Kräfte speist sich weniger aus prinzipiellen Vorbehalten oder der Abneigung gegen bestimmte Personen, als vielmehr aus ganz praktischen Erwägungen.
Wie sieht denn das tägliche Brot eines Interessenvertreters (vulgo: Lobbyist) aus? Das meiste spielt sich natürlich in Berlin ab. Da gilt es, die Kontakte zu den Bundestagsfraktionen, zu einzelnen Abgeordneten sowie zum BMI zu pflegen. Das spielt sich nicht nur im Rahmen offizieller Gespräche ab, sondern auch bei vielen eher informelleren Terminen: Vorträgen, Podiumsdiskussionen, parlamentarischen Abenden etc. pp. Darüber hinaus wird man versuchen, gesamtgesellschaftlich diskursfähig zu bleiben, wie das
Jagdwaffennetzwerk ganz richtig fordert. Das erfordert aber ebenfalls die Teilnahme an Veranstaltungen etwa zum Thema Innere Sicherheit. Präsenz zeigen, ggf. kritische Fragen stellen - das kostet Zeit.
Ein anderes Beispiel: Ein mit dem Waffenrecht befaßter MdB hat Geburtstag. Die Höflichkeit gebietet es, daß ein Interessenvertreter bei ihm vorstellig wird und einen (angemessenen) Blumenstrauß überreicht. Vieleicht ergibt sich dann sogar die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch? Gerade diese Kontakte darf man nicht unterschätzen. Oftmals wird es dabei weniger um hochpolitische Entscheidungen als vielmehr um die Vermittlung banaler Fakten gehen (so wie z.B. im Innenausschuß
darüber diskutiert wurde, wieviele Sportschützen ihre Waffen zuhause aufbewahren).
Ähnliches wäre auch auf Landesebene zu leisten, wenn es z.B. um die Position der jeweiligen Landesregierung im Bundesrat geht. Oder um politische Diskussionsveranstaltungen, wie sie etwa von den Stiftungen der Parteien regelmäßig veranstaltet werden.
Man könnte dies jetzt alles als nutzloses Geschwätz abtun, aber die politische Sphäre unterliegt gewissen Eigengesetzlichkeiten, denen man sich - sofern man Erfolg haben will - anpassen muß.
Dazu zählt auch, daß es nicht wenige Gespräche geben wird, die nur deshalb zustande kommen, weil sich die Partner gegenseitig Vertraulichkeit zugesichert haben. Ein Interessenvertreter, der mit Begriffen wie "off the record" oder "non-paper" nicht umzugehen versteht, wird eine Eintagsfliege bleiben.
Jetzt höre ich schon die Kritik: Willst Du etwa die verfluchte Geheimdiplomatie des FWR in Schutz nehmen? Jein. Das FWR hat es damit m.E. zu stark übertrieben. Dennoch gilt: Viele Gespräche, mit Ministerialbeamten mehr als mit Politikern, wird es nur unter dem Siegel der Vertraulichkeit geben - oder sie werden gar nicht stattfinden. Wer das nicht akzeptieren kann und will, sollte sich aus dem mühseligen politischen Geschäft heraushalten.
Das FWR hat es - und dies muß man ihm zugutehalten - wenigstens geschafft, eine halbwegs funktionierende Organisation auf die Beine zu stellen. Da müssen die lautstarken Kritiker, die ewischen Nörgler und Choleriker, die es bedauerlicherweise auch unter den LWBs gibt, ihr Gesellenstück erst noch machen.
Kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Wie wirkt sich die organisatorische Zersplitterung auf die effektive Arbeit aus? Denn letztere allein ist das maßgebliche Kriterium - und die "Hauptkampflinie" verläuft in Berlin und nicht in irgendwelchen Internetforen. Hier stellen sich dann ganz praktische Fragen: Wer soll für die Arbeit in der Hauptstadt verantwortlich sein? Ein Hauptamtlicher, eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher? Wie wird diese Arbeit sinnvoll organisiert? Wie wird sichergestellt, daß die notwendige Vertraulichkeit nicht mißbraucht wird? Wie wird die Arbeit auf Landesebene organisiert, wie die Medienarbeit? Wie sieht es mit "legal action" aus? Ist es möglich, die eigenen Argumente wissenschaftlich abzustützen (etwa durch kriminologische Untersuchungen)? Wer koordiniert das alles?
Koordination ist hier das wichtigste Stichwort. Wenn wir die organisatorische Zersplitterung als Fakt hinnehmen müssen, gilt es, wenigstens für ein Minimum an gegenseitiger Abstimmung zu sorgen. So muß z.B. sicher sein, daß Verband A dem Verband B nicht in den Rücken fällt, auch wenn er selbst ein Teilziel von Verband B nicht unterstützt. Es wäre der Super-GAU für unser gemeinsames (?) Anliegen, wenn ein BMI-Beamter dem Vertreter eines Verbandes sagt, daß der andere Verband ganz anderer Meinung sei und insoweit mit dem Ministerium konform gehe.
Wie der neugegründete Verein Pro Legal sich in diesem Gestrüpp bewegen wird, bleibt abzuwarten. Die Ziele sind gut und unterstützenswert, das Personal weckt Hoffnungen. Doch mit guten Absichten allein ist es eben nicht getan. Besonders wichtig ist m.E., daß sich Pro Legal dazu äußert, wie man sich das Verhältnis zu den anderen, bereits bestehenden Verbänden (insbesondere zum FWR, der
ELF und der
FVLW) vorstellt. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch. Des weiteren wäre es hilfreich, wenn zusätzlich zu den blumigen Absichtserklärungen alsbald auch konkrete Vorhaben publiziert würden.
Nachtrag: Eines spricht mich im
Programm von Pro Legal besonders an: Man will sich nicht auf WBK-Inhaber fokussieren, sondern alle vom WaffG betroffenen Bürger in den Blick nehmen. :-)
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