Sonntag, 11. Januar 2009

Bajuwarische Verhältnisse



Zu Zeiten der Weimarer Republik hat sich Bayern als "Ordnungszelle" des Deutschen Reiches aufgespielt und auch nach 1945 ist es dort zur Tradition geworden, daß die von der CSU dominierte Politik öffentlichkeitswirksam auf Recht und Ordnung setzt. Dazu gehörte auch immer eine besonders restriktive Auslegung des deutschen Waffengesetzes. Nun haben sich in der Polizei des Freistaates während der letzten Wochen zwei Vorfälle ereignet, die dieses Saubermannimage ins Wanken bringen könnten. (Ausgerechnet in diesem Musterstaat, wo man auf uns "Saupreißn" nur mit Verachtung herabblickt. ;-))

Da ist zum einen der Fall des erweiterten Selbstmords einer Polizeibeamtin in Lauf an der Pegnitz am 3. Januar (siehe auch hier und hier). Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gibt es nicht (gegen wen auch?) und auch das Interesse der überregionalen Medien hat schlagartig nachgelassen, nur noch die Lokalpresse berichtet (vgl. hier, hier, hier und hier).
Letzteres wäre mit Sicherheit nicht der Fall gewesen, wenn die Täterin nicht ihre Dienstwaffe, sondern eine legal besessene Privatwaffe verwendet hätte. Dann würde von den gleichen Blättern, die jetzt schweigen, schon tagelang eine Kampagne gegen den privaten Waffenbesitz geführt werden, auf die willige Politiker aller Coleur gern aufgesprungen wären.
Aber so? Änderungen am Waffengesetz bezüglich des Tragens von Dienstwaffen in der Freizeit werden nicht propagiert, obwohl genau dieser Umstand im Laufer Fall mitursächlich für den tragischen Ausgang war. Einer der seltenen Fälle, wo man durch eine Gesetzesänderung wirklich mehr Sicherheit schaffen könnte.
Was schlußfolgern wir daraus? Von Beamten begangene Tötungsdelikte werden in unserer Gesellschaft offensichtlich eher akzeptiert als bei "Normalbürgern". Aber sollten nicht vor dem Gesetz alle gleich sein ...?

Zweitens der Fall Mannichl in Passau. Glaubten zunächst alle, ein engagierter Polizeibeamter sei von einem niederträchtigen Neonazi attackiert worden (diese Version konnte man öffentlichkeitswirksam ausschlachten), so mehren sich mittlerweile - nach wochenlanger Erfolglosigkeit der Ermittlungen - die Zweifel daran. Die Süddeutsche Zeitung hierzu zwei lesenswerte Artikel veröffentlicht (vgl. hier und hier). Der ermittelnde Staatsanwalt konzediert "Merkwürdigkeiten" in diesem Fall und es wird über eine Beziehungstat sowie über Ermittlungspannen spekuliert. Bei mir keimen da Erinnerungen an "Sebnitz" auf ...
Es ist im Augenblick freilich zu früh, um sich eine abschließende Meinung zu bilden. Allerdings sind die bisherigen Vorgänge auch nicht unbedingt geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Polizei zu steigern.

Dies ist das Kernproblem. Der nicht nur als rechtsphilophisches Konstrukt (Gewaltmonopol des Staates), sondern als vermeintliche Realität wahrgenommene Charakter der "Freunde und Helfer" als "bessere Menschen" ist dahin. Polizisten sind keine Heiligen, sondern Menschen wie du und ich, nicht besser und nicht schlechter. Auch Polizisten begehen Straftaten (bisweilen sogar unter Verwendung ihrer Dienstwaffen) oder täuschen diese vor. Man könnte das als wohl unvermeidlich hinnehmen, wenn nicht bei ähnlich gelagerten Fällen, in denen die Täter "Otto-Normalbürger" sind, so ein Aufstand gemacht würde.

Für mich ist kein Grund ersichtlich, weshalb Beamte außerhalb ihres Dienstes Schußwaffen tragen sollten, ohne - wie alle anderen Bürger auch - zuvor einen Waffenschein beantragt zu haben. Der darf allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 19 II WaffG erteilt werden:

"(1) Ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz einer Schusswaffe und der dafür bestimmten Munition wird bei einer Person anerkannt, die glaubhaft macht,
1. wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet zu sein und
2. dass der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern.

(2) Ein Bedürfnis zum Führen einer Schusswaffe wird anerkannt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 auch außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums vorliegen."
Auf welchen Polizisten träfe das wohl zu? Überdies lautet das oberste Prinzip des deutschen Waffenrechts: "So wenig Waffen wie möglich im Volk". Und da - wie der Fall in Lauf belegt - auch Staatsdiener zur lebensbedrohlichen Gefahr für ihre unschuldigen Mitmenschen werden können, bleibt wohl nur ein Weg: die Abschaffung des Privilegs in § 55 I 2 WaffG.

Gleiches Recht für alle! Keine Dienstwaffen in der Freizeit!


PS: Gab es hier eigentlich die sonst unvermeidlichen Wortmeldungen einer Polizeigewerkschaft? Die sind doch nicht etwa sprachlos?


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