Montag, 29. November 2010

Spetsnaz IX: Geschichte der Marineinfanterie (2)


Erneute Auflösung nach 1945 …

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges sah es zunächst so aus, als ob sich die Marineinfanterie als Waffengattung der sowjetischen Seekriegsflotte etabliert hätte – neben den Landstreitkräften und den Luftlandetruppen. Ausdruck dessen war die Einrichtung einer eigenen MI-Offiziersschule in Wyborg.

Doch 1956 hatte die Führung der UdSSR unter Generalsekretär Chruschtschow und Verteidigungsminister Shukow den originellen Gedanken, daß die SU ein friedliebender Staat sei, weshalb man keine größeren Seelandungen mehr vorbereiten müsse. Außerdem seien solche Operationen im Atomwaffenzeitalter sinnlos*. Kleinere Landungen könnten ggf. von küstennah dislozierten Mot. Schützen- und Panzereinheiten des Heeres durchgeführt werden. Daraus folgte, daß die Marineinfanterie überflüssig war; ihre Einheiten wurden entweder aufgelöst oder in die Landstreitkräfte überführt. Zudem wurden die schwimmenden Einheiten der Flotte stark reduziert (selbst wenn sie relativ neu waren) und das Schiffbauprogramm, welches den Neubau von Landungsschiffen vorgesehen hatte, geändert, um vermehrt Atom-U-Boote zu schaffen.



… und Wiedergeburt

Sieben Jahre später hatten sich die Anschauungen gewandelt. Admiral Sergej Gorschkow, der Oberbefehlshaber der Seekriegsflotte, konnte die Staatsführung davon überzeugen, daß sich die sowjetische Marine nicht nur auf die passive Küstenverteidigung beschränken dürfe, sondern auch auf den Weltmeeren präsent sein müsse. Mithin glaubte Gorschkow auch an die Notwendigkeit der Marineinfanterie, der insbesondere in den „kleinen Kriegen“ der Dritt-Welt-Staaten eine besondere Rolle zukommen sollte. Mit anderen Worten: Die Seesoldaten dienten auch der UdSSR als klassisches Einflußinstrument. Ferner hatte sich in Übungen herausgestellt, daß die Einheiten der Landstreitkräfte mit den spezifischen Problemen einer Seelandung oft überfordert waren.

1963 wurde die Marineinfanterie wieder gegründet. Zuerst wurde ein MI-Regiment in der Baltischen Rotbannerflotte formiert, danach folgten Regimenter der Pazifik- (1963) und der Nordmeerflotte (1966) sowie ein Bataillon der Schwarzmeerflotte, das später zu einem Regiment erweitert wurde (1967). Die Kaspische Flottille verfügte über ein MI-Bataillon.
Dabei wurde oft auf bereits bestehende Einheiten des Heeres zurückgegeriffen. Beispielhaft soll diese Entwicklung am 61. MI-Regiment nachvollzogen werden. 1943 wurde das 61. Schützenregiment aus Teilen einer Marineschützenbrigade gebildet und kämpfte u.a. in Karelien und Nordnorwegen. Nach dem 2. WK verblieb es im Bestand der Landstreitkräfte des Leningrader Militärbezirks. 1966 wurde dieses Regiment in die Nordmeerflotte überführt und in 61. Marineinfanterieregiment umbenannt. 1979 erfolgte schließlich die Erweiterung des Regiments zur 61. Marineinfanteriebrigade (s. auch unten).

Damit war die Struktur gegeben, die im Grunde bis heute beibehalten wurde. Im Jahre 1967 wurde in der Pazifikflotte der einzige Großverband der sowjetischen MI nach dem 2. WK gebildet: die 55. Marineinfanteriedivision. Sie bestand aus 3 MI-Regimentern, 1 selbst. Panzerbataillon, 1 Artillerieregiment, 1 Flugabwehrregiment, 1 Aufklärungsbataillon und weiteren Unterstützungseinheiten.



Landungsschiffe

Eine Marineinfanterie ohne geeignete Mittel zu ihrer Verbringung an den Einsatzort ist weitgehend wertlos und nichts anderes als ein normaler Infanterieverband, der zufällig dem Kommando der Flotte untersteht. Deshalb wurde seit Mitte der 1960er Jahre in der UdSSR der Bau von Landungsschiffen vorangetrieben. Befanden sich vorher nur kleine Landungsschiffe (Projekt 106) im Bestand, so verließen 14 Große Landungsschiffe des Projekts 1171 („Alligator“) zwischen 1966 und 1975 die Werften. Dann folgten Mittlere Landungsschiffe (Projekte 770, 771 und 773 „Polnochny“) sowie die Großen Landungsschiffe des Projekts 775 („Ropucha“), die bis zu 14 Kampfpanzer und 200 Soldaten transportieren konnten. Viele dieser Schiffe wurden übrigens auf polnischen Werften gebaut.

Bereits Ende der 1960er Jahre wurden die ersten Landungsboote auf Luftkissenbasis in Diemst gestellt (Projekt 1205 „Skat“). Zwischen 1975 und 1981 wurden sie durch 20 Luftkissenboote vom Projekt 1206 („Kalmar“), 8 Landungsfahrzeuge des Typs „Murena“ (Projekt 12061) und 2 Boote vom Projekt 1209 („Omar“) ergänzt bzw. ersetzt. Hinzu kamen – als größte Einheiten – 18 Kleine Landungsschiffe des Projekts 12321 („Aist“). Hinsichtlich der Verwendung der Luftkissentechnologie war die sowjetische Marine weltweit führend – sowohl qualitativ als auch (zeitweilig) quantitativ.



Ab 1978 erfolgte dann ein Quantensprung. Waren sowjetische Landungsschiffe bis dahin für die direkte Anlandung von Mannschaften und Fahrzeugen am Strand konzipiert, stellte die Seekriegsflotte mit den drei Großen Landungsschiffen des Projekts 1174 („Iwan Rogow“) neue Universallandungsschiffe in Dienst, die 1 MI-Bataillon aufnehmen konnten. Sie verfügten über zwei wichtige Neuerungen. Erstens konnten die Marieninfanteristen nicht nur direkt über den Bug an den Strand gebracht werden, sondern auch über die beiden im Heck untergebrachten kleinen Landungsboote. Damit verfügte die SU erstmals über Docklandungsschiffe. Zweitens konnten – für sowjetische Landungsschiffe ebenfalls ein Novum – bis zu 4 Hubschrauber (meist Ka-29) an Bord mitgeführt. Diese Maschinen konnten bis zu 16 Soldaten transportieren.

Das Konzept der „Iwan-Rogow“-Klasse entsprach den seinerzeitigen Anforderungen der sowjetischen Führung an die Marineinfanterie: begrenzte Kontingente sollten sich lange Zeit in See befinden und auf drei unterschiedlichen Wegen angelandet werden können. Damit wurde die Durchführung der Auslandseinsätze (s.u.) erleichtert. Es wäre jedoch maßlos übertrieben, diese Landungsschiffe als Ausdruck einer weltweiten amphibischen Bedrohung seitens der UdSSR zu werten – so, wie es manche westlichen Autoren seit 30 Jahren tun. Angesichts der Anzahl und Größe von Landungsschiffen etwa der US Navy nehmen sich die beiden Schiffe eher bescheiden aus.



Einsatzkonzepte für konventionelle Konflikte

Der sowjetischen Marineinfanterie waren drei Aufgaben zugewiesen worden: Küstenverteidigung, insbesondere Schutz der Marinebasen; selbständige Durchführung taktischer Seelandungen und Mitwirkung an amphibischen Operationen der Landstreitkräfte (MI als erste Staffel zur Eroberung eines Brückenkopfes).

Von besonderer Bedeutung war die dritte Aufgabe im Ostseeraum, war doch die Beherrschung dieses Binnenmeeres aus Sicht der sowjetischen Flottenführung im Falle eines europäischen Krieges unbedingt nötig, um ein gegnerisches Einwirken auf die eigenen Küsten zu unterbinden. Ferner sollten die Vereinigten Ostseeflotten des Warschauer Vertrages in die Nordsee durchbrechen, um dort die Operationen der NATO-Streitkräfte zu stören. Für beides wäre die Beherrschung der Ostseeausgänge von essentieller Bedeutung gewesen, weshalb bei Manövern mehrfach Truppenlandungen in großem Stil geübt wurden.



„Geh' zur Marine und lern' die Welt kennen“

Der Kalte Krieg und seine Stellvertreterkonflikte in der Dritten Welt führten zu einer erheblichen Ausweitung der Einsatzgebiete der sowjetischen Flotte und damit auch der Marineinfanterie. Seesoldaten nahmen regelmäßig an den Fernfahrten von Kriegsschiffen teil und hatten auch eigenständige Aufgaben zu lösen; u.a. in Ägypten, Syrien, Äthiopien, Malta, Griechenland, Angola, Vietnam, Indien, Irak, Iran, Jemen, Madagaskar, Somalia, Pakistan, Benin, Guinea, Guinea-Bissau und San Tome.

Seit 1967 waren fast ständig Kräfte der Marineinfanterie in Übersee. Züge und Kompanien, zum Teil sogar komplette Bataillone, fuhren auf Landungsschiffen über die Weltmeere. Den Rekord stellte das 1. Bataillon der 61. MI-Brigade auf, welches sich 1979/80 ununterbrochen 11 Monate auf See befand. Es war dieser, mit permanenter Bereitschaft verbundene „Gefechtsdienst im Frieden“, der an den Kräften der Marineinfanteristen zehrte. Er war es auch, der die Marineinfanterie als Teil der Flotte grundsätzlich von anderen Truppen wie etwa den Fallschirmjägern unterschied. Letztere warteten auf einen fernen „Tag X“ mit großem Tamtam, den Seesoldaten konnte hingegen jeden Tag eine See- oder Luftlandung an einem unbekannten tropischen Küstenabschnitt befohlen werden – u.U. nur in Zug- oder Kompaniestärke, mit begrenzter Luftunterstützung etc. Dieser Umstand trug – ebenso wie die umfangreiche und harte Ausbildung – natürlich zur Herausbildung eines elitären (Selbst-)Bewußtseins bei.


Sowjetische Marineinanteristen gehen in Äthiopien an Land.


Drei Episoden mögen die Auslandseinsätze der „Morskaja pechota“ illustrieren: Während des Ogadenkrieges im November 1977 wurde in der (damals noch) äthiopischen Hafenstadt Massaua insgeheim eine durch Kampfpanzer verstärkte MI-Kompanie der Pazifikflotte angelandet, um somalische Truppen, die die Stadt angriffen, zu stoppen. Im November 1981 landeten Marineinfanteristen unter dem Kommando eines Hauptmanns auf den Seychellen, um bei der Niederwerfung eines Staatsstreichs gegen die Regierung zu helfen.
Brisant war die Lage 1967 während des israelischen Vormarsches im Sechstagekrieg. Von den im Hafen von Port Said liegenden sowjetischen Landungsschiffen wurde an jedem Morgen das 309. MI-Bataillon ausgeschifft, welches tagsüber die zweite Linie der ägyptischen Verteidigung vor der Hafenstadt bildete, abends jedoch wieder auf die Schiffe zurückkehrte.

Ein Konflikt, an dem jedoch keine Einheiten der Marineinfanterie teilgenommen haben, war der sowjetische Feldzug in Afghanistan. Mit diesem Binnenland hatte die Seekriegsflotte nichts zu tun, weshalb es eine Domäne des Heeres und der Luftlandetruppen blieb.



Weitere Entwicklung der MI bis 1991

Die Marineinfanterie der späteren Jahre wurde „leichter“ und hat sich stärker auf Kleinkriegsszenarien vorbereitet. Bereits seit Beginn der 1970er Jahre erhielten MI-Angehörige aller Flotten im Ausbildungszentrum „Saturn“ bei Sewastopol am Schwarzen Meer eine umfangreiche Ausbildung für Aufklärungs- und Diversionseinsätze. Die dort ausgebildeten Soldaten entsprachen in ihrer Qualifikation in etwa den Angehörigen der der regulären Aufklärungseinheiten der GRU (Speznas), auch wenn sie nicht so bezeichnet wurden.

Das Jahr 1979 brachte einen weiteren Umbruch für die Marineinfanterie. Die bisherigen Regimenter der Baltischen, Nordmeer- und Schwarzmeerflotte wurden zu Brigaden umformiert. In den drei Brigaden sowie in den Regimentern der 55. MI-Division wurde ferner jeweils ein Lande-Sturm-Bataillon** aufgestellt. Neben der Anlandung vom Meer her (vorzugsweise mit den schnellen Luftkissenbooten – s.o.) konnten dessen Angehörige auch per Fallschirm oder Hubschrauber abgesetzt werden. Damit eröffnete sich für die sowjetische Marineinfanterie die dritte Dimension. In der Folge wurden verstärkt triphibische Operationen geübt, so z.B. im Juni 1983 im Schwarzen Meer.

1982 führte die Pazifikflotte das Manöver „Lutsch“ durch. Dabei wurden motorisierte Einheiten der 55. MI-Division bei Nacht ausgeschifft und angelandet, wobei als Hilfsmittel ausschließlich IR-Nachtsichtgeräte zur Verfügung standen.
Die sowjetische Marineinfanterie war modern bewaffnet und ausgerüstet; ihre Kampftechnik war großteils schwimmfähig, was den Anforderungen einer Seelandung entgegenkam. Darunter waren z.B. Schwimmpanzer PT-76, Schützenpanzerwagen BTR-60 und BTR-80, 122-mm-Selbstfahrlafetten „Gwosdika“, diverse Fla-Raketen-Komplexe kurzer und mittlerer Reichweite etc. Des weiteren wurden die üblichen Infanteriewaffen der Sowjetarmee geführt.



1987 war die geänderte Militärdoktrin*** des Warschauer Vertrages in Kraft getreten. Sonach wurde eine möglichst breite Verteidigung vorbereitet, anstatt – wie zuvor – alles auf einen großen Gegenangriff zu setzen und dafür auch temporäre Gebietsverluste in Kauf zu nehmen. Für die sowjetische Marine hatte dies zur Folge, daß der Küstenverteidigung stärkere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. 1989 entstand eine neue Waffengattung: die Küstentruppen der Seekriegsflotte. Diese bestanden neben der Marineinfanterie aus den Küsten-Raketen- und -Artillerie-Truppen und den neuformierten Küstenverteidigungstruppen. Letztere wurden aus 4 Motorisierten Schützendivisionen der Landstreitkräfte gebildet, die in die Marine überführt worden waren und nun Küstenverteidigungsdivisionen hießen.

Während der Unruhen, welche den Zerfall der Sowjetunion begleiteten, waren Marineinfanteristen an vielen Brennpunkten im Einsatz, vor allem im Kaukasus, an den Küsten des Schwarzen und Kaspischen Meers.

In Teilen der westlichen Literatur (z.B. Leistner) wird behauptet, daß die sowjetische Marineinfanterie allein der Baltischen Flotte mehrere Divisionen umfaßt habe. Nach sorgfältiger Sichtung der russischsprachigen Literatur muß dies jedoch verneint werden. 1991 existierten bei den 5 Flotten und Flottillen insgesamt 1 MI-Division, 3 MI-Brigaden sowie eine Handvoll selbständiger Regimenter und Bataillone (z.B. in Moskau). Das entspricht einer Gesamtstärke von etwa 20.000 Mann.



Nach dem Ende der UdSSR

Nach der Auflösung der Sowjetunion wurden die meisten Marineinfanterieverbände von der Rußländischen Föderation übernommen. Lediglich das 880. selbst. MI-Bataillon wechselte in den Bestand der ukrainischen Seestreitkräfte. Nach verschiedenen Reorganisationen wird es heute als 1. Marineinfanteriebataillon tituliert. Sein Standort ist Feodossija und es besteht aus 2 MI-Kompanien, 1 Lande-Sturm-Kompanie, 1 Granatwerferbatterie und 1 Aufklärungszug.
Auch andere Nachfolgestaaten der SU haben in der Vergangenheit kleinere MI-Kontingente unterhalten, über die jedoch kaum etwas bekannt ist (Kasachstan, Georgien, Aserbaidshan).

Die Marineinfanterie der RF kam während der Jahre 1994-1996 und 1999-2000 in Tschetschenien zum Einsatz. Dabei bewährte sich vor allem die Gebirgsausbildung dieser Truppe, die eng mit Fallschirmjägern und Heereskräften zusammenarbeitete. Besonders wichtig war der Einsatz zweier Lande-Sturm-Bataillone aus der Baltischen und Nordmeerflotte sowie des 165. MI-Regiments der Pazifikflotte während der Erstürmung von Grosny. Am 7. Januar 1995 hatte der Generalstab die Verbände nach Tschetschenien befohlen, wo sie am 10. Januar eintrafen. Bis zum 7. März blieben sie in der Stadt, um danach andere Aufträge zu übernehmen.
Die Kämpfe im Nordkaukasus haben von den Marineinfanteristen einen hohen Preis gefordert: allein während des Jahres 1995 sind 178 von ihnen gefallen. Zu den Toten des Jahres 2000 gehört auch Generalmajor Alexander Otrakowskij, ein alter Marineinfanterist, der ab 1992 Kommandeur der Küstentruppen der Nordflotte war. Seit 1994 wurden insgesamt 22 MI-Angehörige zu „Helden Rußlands“, über 4900 weitere erhielten Orden und Ehrenzeichen.



Aufgaben und Organisation der russischen Marineinfanterie, wie sie sich heute darstellen, sind Gegenstand der nächsten Folge, die voraussichtlich übermorgen erscheinen wird.



Anmerkungen

* Die damaligen Diskussionen in der politischen und militärischen Führung der SU, in denen es insgesamt um die Bedeutung konventioneller Streitkräfte im Atomzeitalter ging, werden von F. Umbach: Das rote Bündnis, Berlin 2005, S. 75 ff., sehr gut dargestellt.

** Die russischsprachige Bezeichnung dieser Einheiten lautet "Desantno-schturmowoj batalon" (kyrillisch: десантно-штурмовой батальон; Abk.: DSchB), was ins Deutsche regelmäßig als Luftsturmbataillon übersetzt wird (Englisch: air assault battalion). Diese Übersetzung trifft die DSBs der Landstreitkräfte gut. Bezüglich der DSchBs der MI wird damit jedoch die spezifisch triphibische Rolle, die diesen Einheiten zukommt, unterbewertet. Es wäre falsch, sie einfach als Fallschirmjäger oder Luftlandesoldaten zu titulieren, zumal (zumindest) in den 1990er Jahren Teileinheiten einiger DSchB auch offiziell zu den Spezialkräften gezählt wurden (Kampfschwimmer). Deshalb wird hier die etwas gewöhnungsbedürftige wörtliche Übersetzung "Lande-Sturm-Bataillon" verwendet.

*** Zur Militärdoktrin des WV siehe C. Jones: Gorbacevs Militärdoktrin und das Ende des Warschauer Paktes, in: T. Diedrich et.al. (Hrsg.): Der Warschauer Pakt, Berlin 2009, S. 245 ff. Leider bleibt Jones in zentralen Punkten, insbesondere hinsichtlich der konkreten Einsatzplanung, sehr abstrakt. Ergänzend sei deshalb auf H. Nielsen: Die DDR und die Kernwaffen, Baden-Baden 1998 (insbesondere S. 25 ff.) verwiesen.




Bibliographie

Je. Abramow: Morskaja pechota w Welikoj otetschestwennoj wojne 1941-1945, St. Petersburg 2005.

S. Gorschkow: Die sowjetische Seekriegsflotte, Berlin 1980.

W. Jefimenko: 5 Maja 1943, in: Bratischka 5/2010, S. 78.

W. Juchimtschuk / R. Nikolajew: Tri weka slawnych djel, in: Bratischka 11/2005.

G. Leistner: Von der Garde-Marineinfanterie zum Küstenschutz, in: Barett 1/1993, S. 45 ff.

E. Lemcke / H. Neidel: Raketen über See, Werder 2008 [zur Marinestrategie der UdSSR].

B. Loose: Die Entwicklung der Landungsfahrzeuge, in: Marinekalender der DDR 1980, Berlin 1979, S. 137 ff.

H. Mehl: Sowjetische Landungsschiffe vom Typ „Iwan Rogow“, in: Marinekalender der DDR 1990, Berlin 1989, S. 189 ff.

W. Menz: Anlandetraining, in: Marinekalender der DDR 1985, Berlin 1984, S. 41 ff.

A. Murawjew: Is-pod Minska w Baltijsk, in: Njesawisimoje wojennoje obosrenije v. 17.04.2009.

Sinai - po mestam bojow ..., belostokskaya.ru, 2009.

W. Schtscherbakow: Gdje my, tam – pobjeda, in: Bratischka 6/2010, S. 10 ff.

W. Usmanzew: „Tschernye berety“ w Mirowom okeane, in: Bratischka 4/2009, S. 10 ff.

S. Zaloga / J. Loop / R. Volstad: Soviet Bloc Elite Forces, Osprey Elite Series Nr. 5, London 1985.

Wikipedia: Morskaja pechota Rossii, Morskaja pechota Ukrainy.






Verwandte Beiträge:
Spetsnaz: Neue Serie über russische Spezialeinheiten
Spetsnaz VIII: Geschichte der Marineinfanterie (1)
Spetsnaz X: Die Marineinfanterie heute
Spetsnaz XI: Spezialkräfte der Seekriegsflotte
Das Zentrale Marinemuseum
Sowjetische Manöverfilme
29.11.2008: Bilder des Tages
27.11.2009: Video des Tages

Samstag, 27. November 2010

Spetsnaz VIII: Geschichte der Marineinfanterie (1)


Am heutigen 27. November 2010 wird die rußländische Marine-Infanterie 305 Jahre alt. Dies ist Anlaß genug für eine nähere Behandlung dieser Waffengattung, obwohl es sich bei dieser Elitetruppe nicht um Spezialkräfte im engeren Sinne handelt. Ein weiterer Grund für die folgenden Beiträge liegt im Mangel an aktueller und sachkundiger Literatur zu diesem Thema, sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache. Zunächst wird in zwei Artikeln die Historie behandelt werden, danach wird es um die aktuelle Situation der Marineinfanterie (Abk.: MI) gehen.

Die Anfänge im 18. Jahrhundert

Am 27.11.1705 hat General-Admiral Graf Fjodor Golowin die Aufstellung eines 1200 Mann starken Seeregiments (russ.: Morskoj polk) in der Baltischen Flotte befohlen, nachdem Kaiser Peter I., der Schöpfer der russischen Flotte, dies angewiesen hatte. Damals tobte der Große nordische Krieg mit Schweden, der Vormacht des Ostseeraumes. Doch die Geschichte der russischen Marineinfanterie (russ.: Morskaja pechota) ist noch älter. Bereits 1696 waren während der Feldzüge zum Asowschen Meer zeitweise Kompanien aus Soldaten des Heeres gebildet worden, die für die Bemannung von Schiffen dienten. Dieses erste Seeregiment hatte unter dem Kommando des Admirals Franz Lefort (auch François Le Fort geschrieben) gestanden.


Die Garde-See-Equipage im 19. Jahrhundert, hier in ihrer Petersburger Kaserne.


Die 1705 gegründete Marineinfanterie wurde vor allem im Ostseeraum für amphibische und Boarding-Operationen verwendet (um zwei heute übliche Begriffe zu verwenden). Es gab ein Admirals-Bataillon, ein Vizeadmirals-Bataillon usw., die unterschiedliche Aufgaben in der Flotte und ihrer Schlachtordnung zu erfüllen hatten. Zum Ende des Großen nordischen Krieges umfaßte die Marineinfanterie etwa 20.000 Mann. Am 06.09.1761, während des Siebenjährigen Krieges, landeten Seesoldaten unter Admiral Spiridow nahe der preußischen Festung Kolberg, um eine Küstenbatterie auszuschalten.

Im Verlauf des 18. Jh. verlagerte sich der Einsatzschwerpunkt immer stärker nach Süden – ins Asowsche, Schwarze und Mittelmeer –, wo sich das Zarenreich im Dauerkonflikt mit dem Osmanischen Imperium befand. Zu nennen sind hier neben anderen Scharmützeln u.a. das Freikämpfen der Meerenge von Kertsch sowie das Erstürmen der Festung Ismail an der Donau (beide 1790) sowie die Teilnahme an der zeitweiligen Besetzung einiger griechischer Inseln sowie am Handelskrieg gegen die Türken im Mittelmeer (1770-1775). 1785 wurden in der Schwarzmeerflotte drei Seebataillone aufgestellt.



Nach der französischen Revolution

Die Revolutionskriege sahen Frankreich und Rußland als Gegner. Davon blieben Flotte und Marineinfanterie nicht unberührt. 1799 erstürmten russische Seesoldaten aus dem türkisch-russischen Geschwader des Admirals Fjodor Uschakow die französische Festung auf der Insel Korfu. Weitere Einsätze in Italien und auf dem Balkan folgten.

Der 16. Februar 1810 ist ein wichtiges Datum in der russischen Marinegeschichte, denn an diesem Tag wurde die Garde-See-Equipage gegründet. Damit hatte die Marine endlich ein Äquivalent zu den herausgeputzten Garderegimentern des Heeres. Die Equipage diente in der Umgebung der Zarenfamilie, stellte Besatzungen für deren Jachten usw. Zur Equipage gehörten auch ein Infanteriebataillon und eine Artillerieeinheit.

Dieses Bataillon bewährte sich ebenso wie andere Einheiten der Marineinfanterie und -artillerie in den Gefechten des Vaterländischen Krieges gegen die napoleonischen Truppen (1812/13). Insofern sind insbesondere die Schlacht von Borodino, aber auch die Gefechte bei Kulm und Danzig zu nennen. Wie später im Zweiten Weltkrieg wurden die Seesoldaten auch hier z.T. weitab der Küsten im Landesinneren eingesetzt.


Sowjetische Marineinfanterie während des 2. WK.


Die Marineinfanterie im 19. Jahrhundert

Das Jahr 1813 wurde zu einem bedeutenden Einschnitt für die russische Marineinfanterie: Die vier bestehenden Seeregimenter sowie das Kaspische Seebataillon wurden der Marine entzogen und in die Landstreitkräfte eingegliedert. Dem Namen nach blieben sie zwar Seesoldaten, doch wurden sie zunehmend wie normale Linieninfanterie verwendet und verloren somit ihre maritimen Besonderheiten. Nach der Heeresreform von 1833 verblieben davon sogar nur noch zwei Regimenter, das Sophien- und das Newskij-Seeregiment. (In den 1860er Jahren hat man die Bezeichnung „See-“ aus den Regimentsnamen gestrichen.) Die übrigen Truppenteile wurden in reguläre Infanterieregimenter integriert. Begründet wurden diese Schritte mit dem kontinentalen Charakter Rußlands, welcher eine starke Flotte überflüssig erscheinen ließ.

Auf den Kriegsschauplätzen des 19. Jh. waren die verbliebenen Seesoldaten jedoch immer anzutreffen und haben sich ausgezeichnet: In den Kriegen gegen Persien (1826-1828), gegen die Türkei und im Kaukasus. Dabei wurden auch Seelandungen durchgeführt. Während des Krimkrieges (1853-1856) haben sich die aus Matrosen, Unteroffizieren und Offizieren der Schwarzmeerflotte formierten Bataillone bei der landseitigen Verteidigung Sewastopols gegen die angreifenden britischen, französischen und türkischen Verbände hervorgetan. (Dies sollte sich am gleichen Ort knapp hundert Jahre später während des 2. WK wiederholen.) Auch an der Verteidigung von Port Arthur während des Russisch-japanischen Krieges (1904/05) haben Seeleute teilgenommen.



Erster Weltkrieg, Revolution und Zwischenkriegszeit

Erst im Jahre 1911 hat der Hauptstab der rußländischen Flotte wieder an die Aufstellung eigener Infanterieverbände, die der Sicherung der Marinebasen dienen sollten, gedacht. Gebildet wurden schließlich ein Regiment in der Baltischen Flotte und je ein Bataillon in der Schwarzmeer- und der Pazifikflotte.
Während des Ersten Weltkrieges nahmen Marineinfanterieeinheiten an der Ostsee an der Verteidigung von Häfen und Inseln teil und führten außerdem Seelandungen durch. In den Jahren 1916/17 sollten in der Baltischen und Schwarzmeerflotte zwei Marineinfanteriedivisionen formiert werden, doch dieses Projekt ist im Strudel der revolutionären Ereignisse untergegangen.

Die beiden Revolutionen von 1917 und der anschließende Bürgerkrieg sahen ein starkes Engagement der legendären „roten Matrosen“ auf seiten der Bolschewiki (man denke nur an die legendäre „Aurora“). Dennoch war es in der frühen Sowjetunion schlecht um die eigentliche Marineinfanterie bestellt. 1920 wurde am Asowschen Meer die 1. See-Expeditionsdivision gebildet, die während des Bürgerkrieges in Südrußland und dem Kaukasus gegen die Weißen kämpfte und auch Seelandungen durchführte.



Danach wurde es wieder still um die Marineinfanterie; der Durchführung amphibischer Operationen und der Bereitstellung der dafür notwendigen Kräfte (MI) und Mittel (Landungsschiffe und -boote) wurde in der SU kaum Beachtung geschenkt, wie die Marine überhaupt ein Stiefkind des Militärs geblieben war. Erst am 15.01.1940 wurde erneut ein aus Seesoldaten bestehender Verband gebildet, der dann kleinere Operationen im Sowjetisch-finnischen Krieg durchführte: die 1. besondere Marineinfanteriebrigade der Baltischen Flotte. Des weiteren existierte eine MI-Kompanie in der Donauflottille.
(Diese aus der russischen Literatur [vgl. Abramow (2008), S. 37] stammenden und mit Quellenangaben versehenen Informationen stehen im Widerspruch zu Leistner, der die einzige seinerzeit aktive Brigade in der Schwarzmeerflotte verortet, ohne dies jedoch zu belegen. Leistners Angaben sind mehrfach zumindest unvollständig oder gar falsch.)



„Morjaki“ (Seeleute) im Großen vaterländischen Krieg

Der nach dem 21. Juni 1941 erfolgte schnelle deutsche Vorstoß in die Tiefe der Sowjetunion berührte natürlich auch die Marine. Einerseits gingen Schiffe und Häfen an der Ostsee und dem Schwarzen Meer verloren, andererseits wurden dringend neue Soldaten für den Kampf an den Landfronten benötigt. Das führte im Verlauf des Jahres 1941 zur Aufstellung von Marineinfanterieverbänden, die aus nicht benötigten Matrosen, Reservisten, Personal der rückwärtigen Dienste usw. gebildet wurden. Sie bewährten sich erstaunlicherweise im Kampf zu Lande und wurden wegen ihrer an Todesverachtung grenzenden Tapferkeit von den deutschen Soldaten mit dem Spitznamen „Schwarzer Tod“ bedacht (damit wurde auf die schwarzen Marineuniformen angespielt).

Den eilig aufgestellten Verbänden fehlte es in den ersten Kriegsmonaten an fast allem; manchmal konnte sogar nur der halbe Personalbestand mit Handfeuerwaffen versehen werden. Geführt wurden die üblichen sowjetischen Infanteriewaffen wie das Gewehr Mosin-Nagant 1891/30, die MPi PPSch-41 usw. Bei der Betrachtung historischer Fotos aus dem ersten Kriegsjahr fällt allerdings auf, daß überdurchschnittlich oft Soldaten mit dem Selbstladegewehr SWT-40 abgebildet worden sind.



Besonders zahlreich wurden die Seesoldaten natürlich in der Nähe der umkämpften Küstenstädte wie Leningrad, Sewastopol, Noworossijsk u.a. eingesetzt. Dort bildeten sie häufig die Stütze der Verteidigung. Aber auch im Landesinneren, etwa während der Schlachten um Moskau im Winter 1941/42 und, ein Jahr später, um Stalingrad, kamen hunderttausende Marineangehörige zum Einsatz. So war z.B. der berühmte Scharfschütze Wassilij Sajzew zuvor Obermaat der Pazifikflotte gewesen.

An dieser Stelle ist eine Begriffserklärung vonnöten. In der sowjetischen Militärsprache unterschied man zwischen Marine-Schützen-Brigaden und Marine-Infanterie-Brigaden/-regimentern/-bataillonen etc. Beide waren aus Matrosen, Unteroffizieren und Offizieren der Seestreitkräfte und Handelsmarine gebildet worden, doch wurden die Marineschützenverbände alsbald in die regulären Landstreitkräfte integriert, wohingegen die Marineinfanterieverbände (zunächst) in der Seekriegsflotte verblieben (diese Männer und ihre fachspezifische Ausbildung waren also für die Marine nicht verloren). Insgesamt kämpften rund 500.000 sowjetische Seeleute zu Lande. Es wurden 105 Truppenteile der Marineinfanterie aufgestellt: 1 Division (in der Baltischen Flotte), 19 selbständige Brigaden, 14 selbst. Regimenter und 36 selbst. Bataillone. Hinzu kamen 35 Marineschützenbrigaden.



Beispiele aus dem 2. Weltkrieg

Im folgenden werden die Aktivitäten der Marineinfanterieverbände etwas näher beleuchtet.

Aus der Fülle möglicher Beispiele für die Organisation soll zunächst ein typisches MI-Bataillon herausgegriffen werden, welches sich an der Front in Karelien befand. Das 31. selbständige Marineinfanteriebataillon der Onega-Flottille wurde im Dezember 1941 aufgestellt. Den Kern bildeten 3 Schützenkompanien, die aus 3 Schützenzügen, 1 MG-Zug und 1 Granatwerferzug (82 mm) bestanden. Hinzu kamen 1 MPi-Schützen-Kompanie, 1 Batterie mit 76-mm-Geschützen, 1 PAK-Batterie (45 mm), 1 MG-Kompanie, 1 Granatwerferabteilung, 1 Aufklärungszug, 1 Zug mit Panzerautos, 1 Flugabwehrzug, 1 Pionierzug, 1 Fernmeldezug, 1 Taucherzug, 1 Sanitätszug und 1 Versorgungszug.

Als zweites Exempel mag die zur Nordmeerflotte gehörende die 12. Marineinfanteriebrigade, welche auf der Halbinsel Kola und in Nordlappland kämpfte, dienen. Sie bestand (mit zeitlich bedingten Abweichungen) aus 3 bis 6 Schützenbataillonen (mit je 3 Schützenkompanien, 1 MG-Kompanie, 1 Mörserkompanie und 1 Aufklärungszug), 1 Granatwerferbataillon, 1 Fernmeldebataillon, 1 Aufklärungskompanie, 1 selbst. MPi-Schützen-Kompanie, 1 Pionierkompanie, 1 ABC-Zug, 1 Transportkompanie und 1 Sanitätskompanie.



Die Hauptaufgabe der sowjetischen Marineinfanterie bestand, neben der Küstenverteidigung, in der Durchführung amphibischer Operationen. Daran hat es auch sowjetischerseits im 2. WK nicht gefehlt. Insgesamt wurden 125 Seelandungen durchgeführt, die meisten von Kräften der Baltischen, Schwarzmeer- und Nordmeerflotte.

Die MI-Einheiten der Nordmeerflotte kämpften vor allem im Raum westlich Murmansk an der Barentssee gegen deutsche Gebirgsjäger, die aus dem besetzten Norwegen in die UdSSR vorgestoßen waren. Seit Sommer 1941 waren zahlreiche taktische Seelandungen, oft nur kleine Stoßtruppunternehmen, in dieser arktischen Region durchgeführt worden (vgl. z.B. die Beschreibungen bei Leonow). Allein während der für den Kriegsverlauf in Nordeuropa entscheidenden Petsamo-Kirkenes-Operation im Oktober 1944 wurden sechs Seelandungen durchgeführt, wobei die Anzahl der Landungstruppen aus MI und Heer zwischen 250 und 3032 Mann lag. Die zuletzt genannte Zahl weist auf die ab dem 09.10.1944 durchgeführte Anlandung der 63. MI-Brigade in der Kleinen Wolokowajabuch hin.



Die größte, von sowjetischen Truppen im 2. WK durchgeführte amphibische Operation war die Kertsch-Eltigener Operation im November 1943. Dabei wurden 85.000 Mann der Landstreitkräfte (einschließlich 3 MI-Bataillonen) über die Meerenge von Kertsch gebracht und an der Ostküste der Halbinsel Krim gelandet. Dort bildeten sie einen Brückenkopf, der als Ausgangsbasis für Befreiung der Krim im April und Mai 1944 diente.

Zur Unterstützung des sowjetischen Vormarsches in Europa während des Frühjahrs 1945 haben Kräfte und Mittel der Donauflottille taktische Landungen in Ungarn und Österreich ausgeführt.
Nach dem Eintritt der UdSSR in den Krieg gegen Japan haben die Pazifikflotte und die Amurflottille zwischen dem 9. und 18. August 1945 einunddreißig amphibische Operationen durchgeführt, woran neben Einheiten des Heeres auch solche der Marineinfanterie beteiligt waren. Die Landungsziele lagen auf der koreanischen Halbinsel, auf der Insel Sachalin und den Kurilen.

Anno 1941 befand sich kein einziges Landungsschiff im Bestand der Roten Flotte. Während des Krieges wurden Landungstruppen mit allen möglichen Fahrzeugen transportiert: Kuttern, Torpedobooten, Prähme u.a. Verglichen mit den technischen Innovationen der westlichen Alliierten im amphibischen Bereich wirken viele der sowjetischen Seelandungen des 2. WK sehr improvisiert. Ein Problem, das man nach 1945 beseitigt hat.



Auszeichnungen und Personalien

Während des 2. WK wurden 200 Angehörige der sowjetischen Marineinfanterie mit der höchsten Auszeichnung, dem Titel „Held der Sowjetunion“, geehrt; 2562 erhielten den Ruhmesorden. Mehrere Verbände bekamen den Rotbannerorden verliehen; ferner wurden die 13., 66., 71., 75. und 154. Brigade sowie das 355. und das 365. Bataillon zu Garde-Einheiten.
In der Marineinfanterie des Zweiten Weltkrieges haben mehrere Offiziere gedient, die später in der UdSSR besondere Bedeutung erlangten, z.B. Wassilij Margelow, der Vater der modernen Luftlandetruppen, und Nikolaj Ogarkow, der es bis zum Generalstabschef brachte.




Bibliographie

Je. Abramow: Diwersionnye desanty morskoj pechotoj Sewernogo flota w 1941-1944 godach, in: G. Pernawskij (Hrsg.): Diwersanty wtoroj mirowoj, Moskau 2008, S. 175 ff.

Je. Abramow: Morskaja pechota w Welikoj otetschestwennoj wojne 1941-1945, St. Petersburg 2005.

W. Ehm / D. Flohr: Sie nannten ihn Uschak-Pascha, in: Marinekalender der DDR 1985, Berlin 1984, S. 64 ff.

A. Gajewskij: Paraschjutisty sowjetskogo flota, in: G. Pernawskij (Hrsg.): Diwersanty wtoroj mirowoj, Moskau 2008, S. 122 ff.

S. Gorschkow: Die sowjetische Seekriegsflotte, Berlin 1980.

H.-J. Hiller: Die Petsamo-Kirkenes-Operation vom Herbst 1944, in: Marinekalender der DDR 1986, Berlin 1985, S. 197 ff.

W. Juchimtschuk / R. Nikolajew: Tri weka slawnych djel, in: Bratischka 11/2005.

A. Kibowskij / O. Leonow: 300 let Rossijskoj morskoj pechote, Bd. 1 (1705-1855), Moskau 2008.

W. Kruglow: Die Matrosen von Stalingrad, in: Marinekalender der DDR 1981, Berlin 1980, S. 87 ff.

G. Leistner: Von der Garde-Marineinfanterie zum Küstenschutz, in: Barett 1/1993, S. 45 ff.

V. Leonow: Auf Vorposten am Nordmeer, Berlin 1981.

Morskie desanty w Welikoj Otetschestwennoj wojne, Otvoyna.ru.

A. Schirokograd: Archipelashnaja gubernija Rossii, in: Bratischka 2/2010, S. 74 ff.

W. Schtscherbakow: Ot „morskich soldat“ do „tschjernyj smert“, in: Bratischka 5/2010, S. 37 ff.

Wikipedia: Desantnye operazii SSSR w Welikoj Otetschestwennoj wojne.












Verwandte Beiträge:
Spetsnaz: Neue Serie über russische Spezialeinheiten
Spetsnaz I: Die Gruppe "Alfa" 1974-1991
Spetsnaz II: Die Gruppe "Vympel" 1981-1991
Spetsnaz VI: Der Föderale Wachdienst (FSO)
Spetsnaz IX: Geschichte der Marineinfanterie (2)
Spetsnaz X: Die Marineinfanterie heute
Spetsnaz XI: Spezialkräfte der Seekriegsflotte
Der zweite Weltkrieg im Film
Zwei sowjetische Frontfotografen ...

Bilder: www.morpeh.com u.a.

Mittwoch, 24. November 2010

Die Krake des Islamismus


Am Dienstagabend ging eine kleine, aber in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Meldung durch die Medien: Infolge der von belgischen Sicherheitsbehörden initiierten Ermittlungen wurden in Belgien, den Niederlanden und Deutschland elf Personen festgenommen. Ihnen wird neben der Planung eines Anschlags in Belgien die Unterstützung islamistischer Kämpfer in Rußland, Afghanistan und dem Irak (insbesondere durch die Rekrutierung von Kämpfern) zur Last gelegt (vgl. hier und hier). Inzwischen wurden gegen die meisten der Festgenommenen Haftbefehle erlassen.

Das besondere an diesem, aus deutscher Sicht eher unspektakulären Fall ist, daß europäische Sicherheitsbehörden endlich öffentlich einräumen, daß es sich bei den Terroristen in Tschetschenien und dem übrigen Nordkaukasus nicht um ein paar romantische Bergstämme handelt, die lediglich um ihre "Befreiung vom Joch der russischen Fremdherrschaft" kämpfen. Vielmehr sind es - seit über zehn Jahren wohlgemerkt! - zumeist Islamisten, die mittlerweile für die Errichtung eines übernationalen Gottesstaates kämpfen und international bestens vernetzt sind. Und bei der Wahl ihrer Ziele beschränken sie sich keineswegs auf Rußland, sondern schrecken - wie der jüngste Fall belegt - auch vor Attentaten in Europa nicht zurück.

Diese Erkenntnis ist gerade auch für Deutschland so wichtig. Man kann "gute" und "böse" Islamisten, "Freiheitskämpfer" und "Terroristen" nicht voneinander unterscheiden. Dem steht die Logik des weltweiten Dschihad entgegen: Wer heute bereit ist, sich in Moskau in die Luft zu sprengen, um Ungläubige zu töten, würde dasselbe morgen auch in Paris oder Washington tun. Und darauf haben Experten wie Berndt Georg Thamm immer wieder hingewiesen. Doch sie mußten sich oft herbe Kritik gefallen lassen, denn in einigen EU-Staaten hat sich eine virulente und politisch einflußreiche Tschetschenien-Lobby ausgebreitet. So dürfen nicht nur hierzulande, sondern auch in Polen, dem Baltikum und Großbritannien exilierte Kämpfer wie z.B. Achmed Sakajew unbehelligt leben und umfangreiche politische Aktivitäten entfalten. (Details dazu werden Gegenstand eines späteren Artikels sein.)

Der genannte Sakajew ist heute freilich ziemlich einflußlos und sonnt sich nur noch in seinen selbstverliehenen Amtstiteln (auch wenn er kürzlich den Titel eines "Ministerpräsident" abgelegt hat). Dennoch ist er ein Testfall für den Umgang der EU mit Terroristen, deren Aktivitäten sich nicht primär gegen Europa richten. Seine Verhaftung und Auslieferung an Rußland scheiterten mehrfach, zuletzt im September 2010 in Polen - trotz eines internationalen Haftbefehls. Dabei beruft er sich auf seinen in GB verliehenen Status als politischer Flüchtling.

Ein ähnlicher Fall wie der aktuelle in Belgien hatte im Juli 2010 erheblich weniger Aufsehen erregt. Die französische Polizei nahm damals in Le Mans drei Tschetschenen fest (ebenfalls Asylanten), die verdächtigt wurden, Kontakte zur Gruppe Doku Umarows zu unterhalten (vgl. hier und hier).

Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika beginnt man langsam damit, die eigene Rhetorik vom "Krieg gegen den Terror" etwas ernster zu nehmen. Jahrelang erfreuten sich Islamisten aus dem zur RF gehörenden Nordkaukasus dort Wertschätzung von höchster Stelle. Einer ihrer langjährigen Freunde ist John McCain, einflußreicher Senator und 2008 gescheiterter Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Im September 2008 forderte er, daß die USA Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan als unabhängige Staaten anerkennen sollten. Obwohl damit erhebliche praktische Probleme verbunden gewesen wären (welche Regierungen sollten "anerkannt" werden? die, die gar keine Unabhängigkeit wünschen?), war die Zielrichtung eindeutig: Rußland sollte durch einen neu entfachten Bürger- und Religionskrieg destabilisiert werden.

Die dahinter stehende Logik läßt sich wie folgt zusammenfassen: Von Islamisten begangene Terrorakte sind nur dann schlimm, wenn sie sich gegen Amerikaner oder die Bürger verbündeter Staaten richten. Sind ihre Opfer hingegen Russen (oder Chinesen oder Serben), drückt man gerne ein Auge zu, solange es der eigenen Geostrategie dient.

Nun ist McCain gottlob nicht Präsident geworden und die amerikanischen Behörden erkennen mittlerweile auch die internationale Dimension der im Nordkaukasus agierenden Terrorgruppen. Im Juni 2010 hat das State Departement - endlich - Doku Umarow, den Anführer des selbsterklärten "Kaukasischen Emirates", auf die Liste der internationalen Terroristen gesetzt. Eine freundliche Geste, aber nicht mehr, solange andere "Feldkommandeure", die die oft nur lose miteinander vernetzten Gruppen führen, nicht genannt werden. Aber immerhin ein guter Anfang.

Im September diesen Jahres hat ein Gericht in Oregon einen gewissen Pete Seda (alias Pirouz Sedaghaty) wegen Finanzdelikten verurteilt. Seda war Verantwortlicher einer islamischen Wohltätigkeitsorganisation und hatte zusammen mit saudischen Komplizen über 130.000 US-Dollar aus dem Land geschmuggelt, um sie islamistischen Kämpfern in Tschetschenien zukommen zu lassen. Der größte Teil der Summe floß direkt in die Finanzierung eines Ausbildungscamps für angehende Dschihadisten. Nach meinem Kenntnisstand ist dies das erste Urteil eines amerikanischen Gerichts im Zusammenhang mit Terroraktivitäten im Nordkaukasus, obwohl die Verkündung des Strafmaßes noch aussteht.

In den vergangenen Jahren drängte sich der Eindruck auf, als würden einflußreiche Kreise in Europa und Nordamerika ihre schützende Hand über die nordkaukasischen Terroristen halten, um sie ggf. als geopolitische Trumpfkarte gegen Rußland ausspielen zu können. (Ganz ähnlich hatte die US-Regierung ja auch in den 1980er Jahren gedacht, als sie die afghanischen Mudschaheddin aus aller Welt - darunter auch Osama Bin-Laden - im Kampf gegen die Kabuler Zentralregierung und die sowjetischen Truppen unterstützte.)

Dies mag ein Spiegel-Artikel aus dem Jahre 2004 illustrieren. Damals hatte sich eine in Deutschland als politischer Flüchtling anerkannte Tschetschenin im Fernsehen zur Ermordung von vier Angehörigen der Sicherheitskräfte in Grosny bekannt, woraufhin die RF ihre Auslieferung forderte:
"[...]

Tatsächlich stellt sich die Frage: Warum hat sich kein Staatsanwalt mit Asja D. befasst, als sie 1998 mit dem Schiff aus St. Petersburg in Deutschland ankam und 1999 als Flüchtling anerkannt wurde? Schon damals hatte die Frau nämlich bei der Anhörung des Bundesamts freimütig jenes Blutbad in Grosny beschrieben, das jetzt die Ermittler interessiert.
Doch das Wegschauen war durchaus typisch und lag auf der Linie einer anderen Praxis, die bis zu den Terroranschlägen in New York niemanden störte: Bis dahin war es schließlich auch Usus, Ausländern Asyl zu gewähren, selbst wenn sie Gruppen angehörten, die in ihrer Heimat die dortigen Regime mit Gewalt und Terror bekämpften - und sich in ihren Anhörungen solcher Taten rühmten.

[...]"
Insofern war es nicht überraschend, daß offizielle Vertreter der RF das Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden kritisierten.

Doch mittlerweile ist die internationale Dimension des gewaltträchtigen Islamismus nicht mehr zu leugnen, anderenfalls drohen Gefahren auch für die europäischen Staaten. Ausgehend von dieser Erkenntnis werden die Informationen rußländischer Sicherheitsbehörden auch nicht mehr als irreführende Propaganda oder gar "Verschwörungstheorie" abgetan, sondern endlich ernst genommen. Die Angst vor einem Blutbad im eigenen Land, möglicherweise gar Selbstmordanschläge, kann viel verändern, wobei der Schritt vom Terrorismus zu normalerer Kriminalität klein sein kann. wie dieser Fall aus dem Jahr 2008 zeigt. Nunmehr sollte klar sein, daß sich die Krake der islamistischen Terroristen weltweit ausgebreitet hat und Sicherheit vor dieser Gefahr nur möglich ist, wenn alle betroffenen Staaten kooperieren.


Verwandte Beiträge:
Mit zweierlei Maß - Unser geliebter Dschihad
Neue Terrorwelle im Nordkaukasus
Rückzug aus Tschetschenien?
Weitere Anschläge im Nordkaukasus
Warum immer auf die Eisenbahn?
Gabriele Krone-Schmalz

Foto: AP.

Montag, 22. November 2010

Suhler Sportwaffen


Obwohl sie zeitlich noch nicht lange zurückliegt, ist die Entwicklung des Schießsports und der dazugehörigen Waffen in der DDR mit vielen Fragezeichen versehen, von denen sich ein Teil wohl niemals mehr auflösen lassen wird. Das ist mein Fazit nach der Lektüre von zwei Büchern aus der Feder Ernst G. Dieters: "Luftgewehre und Luftpistolen nach 1945 aus Suhl und Zella-Mehlis" und "Sportgewehre und Sportpistolen Kaliber .22 aus Suhl und Zella-Mehlis". Der unter einem Pseudonym schreibende Autor war früher in der Suhler Waffenindustrie tätig. Mit seinen beiden Schriften hat er profunde Studien der ostdeutschen Zivilwaffenentwicklung vorgelegt. Es werden nicht nur die verschiedenen Druckluft- bzw. Kleinkaliberwaffen in Wort und Bild vorgestellt, er beantwortet zudem auch Grundlagenfragen (z.B.: wie funktionieren die diversen Systeme von Druckluft- und CO2-Waffen). Des weiteren gibt er Einblick in die Waffenindustrie, die ja nicht nur aus dem bekannten Ernst-Thälmann-Werk (später: FAJAS), sondern auch aus privaten Büchsenmachern bestand, sowie die dortigen Abläufe. Und nebenbei wird noch so manches andere Thema gestreift.

Dabei hat Dieter sich, soweit ersichtlich, um eine penible Auswertung aller möglichen Quellen bemüht: Werksunterlagen, Akten des Suhler Beschußamtes, Presseberichte, Gespräche mit weiteren Zeitzeugen etc. Er hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, doch ist die Systematik der Bücher (Quellenverweise usw.) etwas eigenwillig und gewöhnungsbedürftig. Außerden ist die häufige Verwendung von Anführungszeichen auch bei allgemein bekannten Fachbegriffen nicht recht nachvollziehbar.
Als Leser glaubt man zunächst kaum, vor welchen Schwierigkeiten der Autor gestanden haben muß, denn für manche nach 1945 in Suhl gefertigten Waffentypen existieren keine Realstücke mehr, sondern nur noch Fotos und Zeichnungen. Der Grund hierfür liegt in der zu DDR-Zeiten geübten rigorosen Verschrottungspraxis von nicht mehr benötigten Waffen. Doch auch die Herstellerunterlagen sind bisweilen nur unvollständig erhalten geblieben.

Das Luftgewehrbuch ist ja schon seit längerem als "Haenel-Bibel" bekannt und anerkannt, doch auch der zweite Band, der sich mit den Kleinkalibergewehren und -pistolen beschäftigt, enthält manches Schmankerl. Dazu zählt vor allem das kurze Kapitel über den Schießsport in der DDR.
Dort weist er u.a. darauf hin, daß bis 1969 die UIT-Disziplinen breitensportlich betrieben worden sind. Damals wurden auch Erlaubnisse für den privaten Besitz von Sportwaffen erteilt. Erst danach wurden diese Genehmigungen widerrufen und die Privatwaffen eingezogen. Zeitgleich wurde der Schießsport aufgespalten. Für die normalen DDR-Bürger standen fortan nur noch eine Hnadvoll nationaler Disziplinen zur Verfügung, für die zudem teilweise nur qualitativ zweitklassige Waffen verwendet wurden. Die internationalen Disziplinen und die entsprechenden Matchwaffen waren nur ausgesuchten (Nachwuchs-) Leistungssportlern vorbehalten. Als Gründe hierfür nennt Dieter primär ökonomische Zwänge (Matchwaffen sind teuer) sowie die Neuprofilierung der GST als Wehrorganisation, in der der Sport als Selbstzweck eine geringere Rolle spielte.

Zurück zu den Büchern. Mit ihnen hat der Autor Männern wie Erich Krempel, Richard Greiner, Heinz Gladitz und anderen ein schönes Denkmal gesetzt. Sie waren nicht nur gute, z.T. sogar herausragende Schützen, sondern haben als Konstrukteure und Techniker auch an der Sportwaffenentwicklung mitgewirkt. Es ist bedauerlich, daß das Segment Sportwaffen zu DDR-Zeiten eine kleine Nische war und selbst im Management des Thälmann-Werkes auf Widerstände traf (Jagdwaffen waren - und sind - wohl lukrativer). Noch bedauerlicher ist, daß nach der Wiedervereinigung in den 90er Jahren die Herstellung von Sportwaffen in Suhl meines Wissens vollständig eingestellt worden ist. Somit wird man den nach 1945 dort produzierten Waffen schon heute einen kulturhistorischen Rang attestieren müssen, zumal bereits jetzt ein Mangel an Realstücken besteht, wurden doch manche Matchgewehre nur in kleinen Serien gebaut.

Abschließend noch eine ein wenig themenfremde Anmerkung: Dieter erwähnt mehrfach sog. "Feldposteinheiten" der in der DDR stationierten sowjetischen Truppen, die in Suhl Waffen beschafft haben. Dieser Tatbestand ist freilich weniger mysteriös als der Autor glauben mag. In der Sowjetarmee traten alle Dienststellen und Einheiten aus Geheimhaltungsgründen nach außen nur mit ihrer Feldpostnummer auf. Die dahinter stehenden, ganz normalen Einheiten haben einfach Jagd- oder Sportwaffen in Suhl bestellt - sei es zum Zwecke der Jagd auf den eigenen Liegenschaften, sei es zum Training der militäreigenen Sportmannschaften. Heute, im Zeitalter detaillierter internationaler Abrüstungsverträge, ist die Praxis der Feldpostnummern natürlich obsolet, auch wenn sie in vielen Nachfolgestaaten der UdSSR noch immer an den Kasernen angebracht werden. Doch mittlerweile weiß jeder, welche Einheit dort stationiert ist und sich hinter dem Code verbirgt.


Verwandte Beiträge:
Sportschießen in der DDR
Druckluftwaffen in der frühen DDR
Dokumente zum Waffenrecht der DDR
Jagdwaffenvergabe in der DDR
Deutsche Waffenrechtstraditionen II

Samstag, 20. November 2010

Herbstzeit ist Messezeit


Zumindest in Rußland. Dort finden alljährlich im Herbst mehrere Waffenmessen statt. Die wohl bedeutendste für Zivilpersonen ist die Ausstellung Arms & Hunting in Moskau. Vom 14. bis 17. Oktober präsentierten sich im Alten Gostiny Dwor die Aussteller aus aller Welt dem russischen Publikum, wobei der Schwerpunkt auf Jagd- und Sportwaffen sowie Jagdzubehör lag.

Der Fotograf Witalij Kusmin war ebenfalls wieder vor Ort und hat in seinem Blog zwei Bilderserien von der Messe veröffentlicht: Teil 1 und Teil 2. Sie vermitteln einen kleinen Eindruck von der "Waffenszene" in der RF. Und von der Gesetzeslage, denn Nachtzielgeräte sind z.B. nicht verboten.



Verwandte Beiträge:
06.12.2009: Videos des Tages
Bericht aus Moskau
Aktuelles aus der russischen Waffenindustrie
Beretta könnte Molot übernehmen
Die großen Jäger
"Jagd in Steppe, Wald und Eis"

Fotos: vitalykuzmin.net.

Donnerstag, 18. November 2010

Der Mensch als Sklave der Technik


Während der vergangenen Jahre haben sich in der deutschen und anderen "westlichen" Gesellschaften die Bemühungen verstetigt, die einstmals als freie Individuen verstandenen Bürger unter die Fuchtel des Staates zu nehmen. Dies geschieht natürlich nur zu unser aller Nutz und Frommen, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen und Terroristen zu fangen oder, wenn das alles nicht zündet, dann muß man eben an die armen Kinder denken. Schnell ein wenig auf die Tränendrüse gedrückt und Angst geschürt - und schon können die absonderlichsten Ideen in Gesetzesform gegossen werden.

Eines der ersten Beispiele war vor Jahren das Verbot von "Mörderfrontbügeln" an PKW, die angeblich eine ernsthafte Gefahr für die wenigen deutschen Kinder darstellten. Dann folgten Pässe und Ausweise mit biometrischen Daten, diverse staatliche Datenbanken mit oft zweifelhaftem Nutzwert oder seit kurzem der Vorschlag für die biometrische Sicherung privat besessener Schußwaffen (die staatlichen sollen davon verschont bleiben), sei es durch "Dildos" oder gar mittels der "Smart gun"-Techologie. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Gemeinsam ist diesen technischen Spielereien fast durchweg, daß die Herstellerunternehmen in erheblichem Umfang Lobbyarbeit in Politik und Medien geleistet haben, um ihre Produkte als ideale Lösungen für angeblich drängende Probleme zu offerieren. Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil damit durch politischen Druck erst ein Markt geschaffen werden soll, den es anderenfalls gar nicht gäbe. Gesteigert wird dies dann, wenn es für die als Allheilmittel beworbenen Techologien nur einen Anbieter und nur einen Nachfrager (den Staat) gibt. In diesem Fall kann man mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß unsere Steuergelder sinnlos verbraten werden.

Ein weiteres Produkt, das droht, den einstmals freien Bürger (und Wähler) zum Sklaven sicherheitsfanatischer Politiker zu machen, stammt von der Lübecker Fa. Dräger und hört auf den unscheinbaren Namen Interlock XT. Dahinter verbirgt sich eine Wegfahrsperre für Autos, die manchen unserer Zeitgenossen noch wünschenswerter erscheinen dürfte als Armatix:
"Erst pusten, dann sicher starten

Schaltet der Fahrer die Zündung ein, fordert ihn das Dräger Interlock XT auf, eine Atemprobe abzugeben. Ist der Fahrer alkoholisiert, verhindert die Wegfahrsperre den Start des Motors. Ansonsten wird der Anlasser freigeschaltet, damit der Fahrer den Wagen starten kann. Auf diese Weise kann das Gerät auch dazu beitragen, dass die Benutzer langfristig ihr Verhalten im Umgang mit Alkohol ändern.

[...]"
Nicht mehr der Kraftfahrer ist für seine Fahrtüchtigkeit verantwortlich, sondern ein technisches Gerät, zu dessen Einbau er - so wohl die Vision von Dräger - gesetzlich gezwungen ist. Und schon - so geht das Märchen weiter - werden Verkehrsunfälle wegen Trunkenheit am Steuer der Vergangenheit angehören. Keine Unfalltoten mehr, juhu! Noch besser (und dies spricht alle Gutmenschen besonders an): Interlock XT kann angeblich dazu beitragen, daß die Menschen "langfristig ihr Verhalten im Umgang mit Alkohol ändern". Willkommen im therapeutischen Staat! Die "trockene" Gesellschaft, Wunschbild zahlloser Moralisten, scheint in greifbare Nähe zu rücken.

Wen kümmern angesichts dieser glänzenden Aussichten - es geht angeblich um die Rettung tausender Menschenleben pro Jahr - noch die damit verbundenen praktischen und ethischen Probleme? Letztere sind zahlreich. Woher weiß das Gerät z.B., daß tatsächlich der Fahrer und keine anderer gepustet hat? Hier wird, ähnlich der Biometrie im Waffenrecht, eine Pseudosicherheit erzeugt, die de facto wertlos ist.

Zudem fordert das hinter solchen Technologien stehende Menschenbild zum Widerspruch heraus. In der Diskussion um "smart guns" wurde einmal vorgetragen, daß die technische Geräte sicherer seien als ihre Benutzer. Sonach wäre der Mensch ein Unsicherheitsfaktor, den es mittels der Technik auszuschalten gilt. Der Dräger-Mitarbeiter Frank Grünberg bringt es in einem Artikel für die Hauspostille Drägerheft auf den Punkt: "Der Mensch ist das Problem".
Deartige Visionen mögen unter Ingenieuren üblich sein, ich finde sie erschreckend. Vom selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Individuum, vom freien Bürger des Abendlandes bliebe nicht mehr übrig als ein Sklave der Technik. Einer Technik wohlgemerkt, die von Politikern verordnet und gesteuert wird.
Damit wären individuelle Freiheit wie Demokratie im politischen Raum abgeschafft; die Untertanen wären in einer Art und Weise zur Manövriermasse der Obrigkeit geworden, wie es selbst in vielen Diktaturen des 20. Jahrhunderts nicht der Fall war. (Zur Erinnerung: Selbst in der DDR gab es keine umfassenden Rauchverbote, wie sie heute in den EU-Staaten üblich sind.)

Diese Aussichten müssen doch Furcht erregen, ebenso wie die britische Politik, welche die Bürger zu einem "glücklichen Leben" zwingen will. Und das o.g. Interlock soll demnächst in Britannien sowie in einigen skandinavischen Staaten verpflichtend eingeführt werden! Angesichts dessen muß ich immer häufiger an einen Ausspruch denken, der von C. S. Lewis stammt:
"Of all tyrannies a tyranny sincerely exercised for the good of its victim may be the most oppressive. It may be better to live under robber barons than under omnipotent moral busybodies. The robber baron’s cruelty may sometimes sleep, his cupidity may at some point be satiated, but those who torment us for our own good will torment us without end for they do so with the approval of their own conscience."

Verwandte Beiträge:
Totalitarismus auf Samtpfoten
Das neue Feindbild: Autofahrer
Boykottiert Anschütz!
Das Endziel der Waffengegner
Widerspruch gegen die Manipulatoren