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Was nur wenigen Mozartliebhabern bekannt ist: Die Familie Mozart war eine begeisterte Schützenfamilie! Das Scheibenschießen gehörte im Salzburger Tanzmeisterhaus zu den beliebtesten Sonn- und Feiertagsunterhaltungen.
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Mozart schrieb am 4. Juli 1781 seiner "liebsten, besten Schwester" Nannerl aus Wien: "Nun wird wohl bald das Schützenmahl sein? Ich bitte solemniter auf die Gesundheit eines getreuen Schützen zu trinken; wenn mich einmal wieder das Bestgeben trifft, so bitte ich es mir zu schreiben, ich will eine Scheibe mahlen lassen." Mozart war damals 25 Jahre alt und seit sieben Jahren Mitglied der kleinen, aber feinen Schützen Compagnie seines Vaters Leopold. Das Bölzelschießen kannte er bereits seit 1763, wie ein Brief aus London bestätigt. Regelmäßig geschossen hat der erfolgreiche, aus Italien zurückgekehrte junge Opernkomponist aber erst ab dem Spätherbst 1773, als die Familie Mozart aus der endgültig zu klein gewordenen Wohnung in dem Geburtshaus in der Getreidegasse in die große, noble Wohnung auf dem Hannibalplatz, dem heutigen Makartplatz zog. Im hellen Tanzmeistersaal war nicht nur Platz genug zum Musizieren, sondern der hohe Raum eignete sich auch ideal zum Bölzelschießen.
Mit "Windbüchsen" oder "Bölzelbüchsen" Was war nun dieses "Bolz- oder Bölzelschießen"? Da Erzbischof Colloredo jede Sonn- und Feiertagsunterhaltung, also a l l e Spiele, ja sogar das Musizieren (!) in Privathäusern, Gast- und Kaffeehäusern bis 4 Uhr nachmittags strengstens verboten hatte, das Schießen auf dem Schießstand aber erlauben musste, nützten die schlauen Salzburger Bürger die Gelegenheit und vergnügten sich nach dem Sonntagsbraten mit dem lustigen und spannenden Bölzelschießen, bevor sie sich um Punkt vier Uhr an die Kartenspieltische setzten!
Geschossen wurde mit "Windbüchsen" oder "Bölzelbüchsen", heute würde man sagen: mit Luftdruckgewehren, auf eine 18 mal 18 Zentimeter große Holz- oder Papierscheibe auf eine Distanz von 8-10 Metern. Die kleinen "Bölzel" hatten eine Stahlspitze und Schweinsborsten als Führung. Der 1. Preis = "Das Beste" war meist ein Gulden, bei den weiteren Preisen ging es immer nur um Kreuzerbeträge. Ein Bestgeber oder eine Bestgeberin, denn Frauen nahmen gleichberechtigt an dem Wettschießen teil, stiftete die Preise, ließ eine lustige Scheibe mit einem originellen Text malen und musste auch für Speis und Trank sorgen. Um dieses Bölzelschießen zu organisieren, gab es in den Salzburger Bürgerhäusern mehrere "Compagnien" wie die große des Mozartfreundes Ferdinand von Schiedenhofen im Alten Rathaus oder eben die kleinere von Leopold Mozart im Tanzmeisterhaus. In ihren besten Zeiten hatten diese 14 Mitglieder, eine Schützenlade, ein Schützenbuch, strenge Regeln und Gesetze und da ein Schießen weder versäumt noch verschoben werden durfte, muss es zwischen 1773 und 1787 mindestens 500 "Schüsse" gegeben haben! In den Mozartbriefen ist fast einhundert Mal davon die Rede und in den Tagebüchern Nannerls wird das Bölzelschießen öfter erwähnt als musikalische Ereignisse. Wann immer Mozart auf Reisen war, wurde ihm genauestens über das Salzburger Schützentreiben Bericht erstattet, es wurde sogar stellvertretend für ihn geschossen.
Dank der vielen Leopoldbriefe kennen wir auch die verschiedenen (manchmal ziemlich frechen und derben) Texte Wolfgang Amadées. Im Winter 1777 kann man in einem Brief nach Mannheim lesen: "Gestern gab H: Zahlmeister das Beste, es war auf der Scheibe die Nannerl beym Clavier, wie sie sitzt und spielt, der Pimperl sitzt vor ihr auf dem Clavier und wartet auf. alles recht schön gemahlt, natürlich, sogar die Kleidung der Nannerl genau getroffen und auch der Pimperl. Keine Verse waren dabey, ich werde aber itzt hinnach etwas darauf schreiben."
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Für den Sommer 1783 haben wir im Tagebuch seiner Schwester Nannerl eine Reihe hochinteressanter Hinweise auf das mozartische Lieblingsspiel. Es wurde im Tanzmeisterhaus zu Ehren der Wiener Gäste nicht nur jeden Sonntag ein großes "Schüssen" veranstaltet, sondern es gab auch ein Begrüßungs- und Abschiedsschießen, ein Geburtstagsschießen und noch eine Reihe "Extraschießen". Mozart musste dabei oft das Beste geben.
Übrigens war diese ganze Bölzelschießerei eine kostspielige Angelegenheit. Erstens musste man der Kassierin Nannerl ein Leggeld in die Schützenkasse bezahlen, zweitens musste man in regelmäßigen Abständen das "Beste" und andere Preise stiften, drittens musste man parallel dazu bei den Salzburger "Bildlmalern" à 30 Kreuzer dazu die Scheiben malen lassen und schließlich musste man sich auch eine eigene "Bölzelbüchse" kaufen. Eine neue kostete ca. 20 Gulden, wie wir von E. Schikaneder wissen. Auch Mozart besaß ein eigenes Scheibengewehr und im Verlassenschaftsverzeichnis Leopold Mozarts tauchen gleich zwei "Bölzl büchß mit eisernen Lauf" auf, welche bei der Versteigerung einmal 12 Gulden 1 Kreuzer und 5 Gulden 31 Kreuzer erbrachten.
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Das Bölzelschießen in Salzburg, ebenso wie die anschließenden Kartenspiele, Gesellschaftsspiele, Lotteriespiele waren für Mozart ein wichtiger und unverzichtbarer Ausgleich nach seiner intensiven und anstrengenden Kompositionsarbeit. Er brauchte diese Ablenkung und meist harmlose Unterhaltung vor und nach den stundenlangen Noten- und Textschreibarbeiten in höchster Konzentration, sei es am Vormittag nach dem Orgeldienst im Dom oder in den Nächten, in denen er seine vielen Sonaten, Sinfonien, Serenaden, Märsche, Divertimenti, Messen, Lieder und Arien (KV 317-KV 366) in einem unbeschreiblichen Tempo niederschrieb. Das nachmittägliche Bölzelschießen brachte ihm Spannung und Unterhaltung, angenehme und auch wichtige Begegnungen. Es bot ihm unzählige Gelegenheiten zu Ausgelassenheit und es war eine willkommene Gelegenheit, die vielen menschlichen Enttäuschungen und beruflichen Fehlschläge früherer Jahre vergessen zu machen!
Und nun, da Mozart keine finanziellen Sorgen mehr hatte, wird er wohl, bis zum Tode des Vaters, geblieben sein, was er seit über einem Jahrzehnt ohne Unterbrechung war: Der "getreue Schütze" Wolfgang Amadée Mozart." vollständig lesen
Schießen war also auch für das österreichische Musikgenie eine erheiternde Freizeitbeschäftigung mit ausgleichender Wirkung. Hat ihn das zum gewalttätigen Amokläufer gemacht? Offenkundig nicht, ebensowenig wie Millionen anderer Schützen. Eine Tatsache, die vielen Akteuren in Medien und Politik nicht schmecken dürfte. Wird Mozarts Musik jetzt aus den Schulen verbannt, um diese als (vermeintlichen) "Hort der Gewaltfreiheit" zu erhalten? Werden junge Nachwuchsmusiker künftig ihre "Betroffenheit" und "Abscheu" vor dem Altmeister äußern, um sich so die Zuneigung des Mainstreams zu sichern?
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