Da liegt sie nun vor mir, die Januar-Ausgabe der Zeitschrift Visier, und ich weiß nicht recht, was ich dazu sagen soll. Einerseits ist Backyard Safari auf S. 87 als Surftipp des Monats vorgestellt worden, was mich natürlich sehr freut. :-) Andererseits haben sich Fehler eingeschlichen, deren Entstehung ich mir wirklich nicht erklären kann. Deshalb erlaube ich es mir - bei allem gebotenen Respekt -, meine Kritik in Form eines "Leserbriefs 2.0" ;-) vorzutragen.
Im Beitrag "Osterweiterung" (S. 16 ff.) von H. Mrosek und M. Recktenwald über eine halbautomatische Version der sowjetischen Maschinenpistole "Пистолет-пулемёт Шпагина" (dt. Übersetzung: Maschinenpistole von Schpagin), abgekürzt als "ППШ-41" (wobei die 41 für das Einführungsjahr - also 1941 - steht), haben sich die Autoren aus unerfindlichen Gründen für die (auch sonst nicht verwendete) Schreibweise "PPScha" entschieden und die korrekten Varianten - ohne "a" am Ende - letztendlich verworfen (vgl. S. 17).
Fraglich ist nun, wie diese Abkürzung auf Deutsch korrekt wiedergegeben wird. Streng wissenschaftlich müßte die Transliteration als "PPŠ-41" erfolgen. Diese ist jedoch außerhalb der slawistischen Institute kaum verbreitet, stattdessen verwendet man in der Regel die Methode der Transkription. Im Deutschen hat hier die Duden-Transkription die weiteste Verbreitung erfahren, wonach der kyrillische Buchstabe "Ш" als "Sch" wiederzugeben ist, da er so gesprochen wird. Im Englischen hingegen wird "Ш" üblicherweise als "Sh" transkribiert.
Mithin würde man die Abkürzung "ППШ-41" im Deutschen als "PPSch-41", im Englischen als "PPSh-41" schreiben - so, wie es auch die Wikipedia-Artikel tun. Die Abkürzung "PPScha-41" ist jedoch in jedem Fall falsch. Der Buchstabe "Ш" wird im Russischen zwar, wenn er allein steht, als "Scha" ausgesprochen, dies wird jedoch nicht ins Schriftliche übernommen.
Ansonsten besteht noch die Möglichkeit, daß die beiden Autoren auf die aus dem Soldatenjargon stammende Verbalhornung "PaPaScha", was in etwa "Papa Schpagin" bedeutet, hereingefallen sind.
Die letzte Frage ist nun, ob man die deutsche oder die englische Transkription verwenden soll. Hier fällt eine eindeutige Antwort sehr schwer. Ich persönlich bevorzuge meist die englische, da die Waffennamen in dieser Schreibweise international bekannter sind und man auf diesem Weg - auch als der russischen Sprache nicht mächtiger Zeitgenosse - leichter weiterführende Informationen findet.
Die von den beiden Autoren gewählte falsche Schreibweise ist um so unverständlicher, als die oben diskutierte Frage bereits im Februar 1997 vom damaligen Chefredakteur D. T. Schiller korrekt beantwortet worden war. Überdies ist mir kein deutsch- oder englischsprachiges Nachschlagewerk bekannt, in dem besagte MPi als "PPScha" oder "PPSha" bezeichnet worden wäre.
Mein Beharren auf einer genauen Übersetzung hat nichts mit "Korinthenkackerei" oder "Klugscheißerei" zu tun. Es fließt auch nicht aus der Erregung über kleine Flüchtigkeitsfehler. Solche Fehler machen wir alle - selbstverständlich auch ich -, weshalb sie keinen Leserbrief wert sind. Aber die hier kritisierten sprachlichen Ungenauigkeiten deuten m.E. auf mangelnde Sachkenntnis hin. Man kann sich nämlich in letzter Zeit bei Visier-Artikeln zum Thema Rußland/Sowjetunion manchmal nicht des Eindrucks erwehren, daß es den Autoren am notwendigen (Hintergrund-)Wissen fehlt, weshalb man Zuflucht zu Oberflächlichkeiten und Gemeinplätzen nimmt. Mit anderen Worten: Mir als Leser kommen bisweilen Zweifel an der Kompetenz einiger Herren, sobald es um mehr als nur um waffentechnische Fragen geht.
Ein trauriges Beispiel dafür ist der im Juni 2008 erschienene Beitrag über US-Waffen für den Zaren. Neben der zweifelhaften Einlassung, in den USA seien Revolver "für Moskau" gefertigt worden - obwohl St. Petersburg (ab 1914 Petrograd) bis 1918 russische Hauptstadt war und dort auch die obersten Militärbehörden ihren Sitz hatten -, ließen es sich seinerzeit die Autoren H. Eckstein und M. Recktenwald nicht nehmen, die ganze Klaviatur platter Ressentiments zu verwenden. So wurden etwa russische Abnahmeoffiziere als "Störenfriede" tituliert, die man aber - typische Russen eben - mit Schnaps habe ruhigstellen können. Dies alles, ohne eine einzige zeitgenössische Quelle oder sonstigen Beleg dafür anzuführen.
Auch im Visier-Special 49 "Agenten, Saboteure, Commandoes" (Juli 2008) haben sich in einem Text von Dr. Schiller Fehler eingeschlichen, die allerdings etwas weniger tragisch sind, da das Thema doch recht unübersichtlich ist. Auf den S. 87 f. wird zunächst behauptet, daß russische Innenministerium (MWD) sei für die Straflager zuständig. Dem ist aber seit einigen Jahren nicht mehr so, da mittlerweile alle Strafvollzugsbehörden - wie schon in den 1990er Jahren geplant - dem Justizministerium unterstehen. Gleichfalls fällt die Aufgabe einer "geheimen Staatspolizei in der russischen Föderation" nicht den Behörden des MWD zu, wie auf S. 87 behauptet, sondern dem auf S. 88 behandelten Föderalen Sicherheitsdienst (FSB).
(Überhaupt mußte das MWD in den letzten Jahren zahlreiche Kompetenzen an andere Behörden abgeben. Vielleicht sollte ich das ferner zum Anlaß nehmen, die russischen Sicherheitsbehörden in den nächsten Monaten kurz vorzustellen. Wie traurig es um diesbezügliche Informationen in deutscher Sprache bestellt ist, zeigt sich im gleichen Heft, wo von einer Firma das Buch "Spetsnaz - Geheimnis hinter Glasnost" von W. Resun alias V. Suworow angeboten wird. Und das, obwohl seit Jahren bekannt ist, auf welch dünner Faktenbasis die vermeintlichen Enthüllungen dieses Mannes stehen.)
Worin liegen die Ursachen dieser Probleme? Ich weiß es nicht und es ist auch nicht meine Aufgabe als Leser, dies herauszufinden. Aber Probleme mit der russischen Sprache allein können es nicht sein. Denn das positive Gegenbeispiel stammt von U. Eichstädt, der nach eigenem Bekunden ebenfalls kein Russisch spricht. Im Heft 5/2008 hat er jedoch einen grundsoliden Text anläßlich des 50-jährigen Jubiläums der Sportpistole TOZ-35 verfaßt. Dieser Artikel ist von den Nutzern eines russischsprachigen Internetforums sehr positiv aufgenommen worden - auch deshalb, weil die dortigen Waffenzeitschriften den Jahrestag bis dahin noch nicht gewürdigt hatten. Es geht also doch, wenn man nur will. :-)
Warum nun dieser lange Leserbrief? Sicher nicht aus kleinlicher Verärgerung. Ich beabsichtige auch nicht, mein Visier-Abonnement zu kündigen. Schließlich hat Visier seit Beginn der 1990er Jahre als einzige deutschsprachige Waffenzeitschrift kontinuierlich über osteuropäische Themen berichtet. Und zwar in der Regel auf einem hohen Niveau. Hoffen wir also, daß es bei den "Ausrutschern" der letzten sieben Monate bleibt und es in Zukunft wieder besser wird.
PS: Meine persönliche allmonatliche Hitliste dieses Visier-Heftes folgt in den nächsten Wochen.
Freitag, 12. Dezember 2008
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