Das sachsen-anhaltische Landesministerium für Volksaufklärung und Propaganda, auch unter dem Namen Mitteldeutsche Zeitung bekannt, fährt seit Jahren eine konsequente Anti-Waffen-Linie. Das äußerte sich nicht zuletzt im weitgehenden Ignorieren der ISSF-Weltmeisterschaft im Sommer, über welche die Magdeburger Volksstimme (die zweite große Regionalzeitung hier im Land) hingegen ausführlich berichtet hat. Doch die Macher der MZ sitzen in Halle an der Saale und gehören zum Medienimperium der Kölner Familie DuMont. Folglich müssen sie die Meinung ihres Chefs wiedergeben, welche sich auf die kurze Formel „Waffen sind pöse und müssen verboten werden“ bringen läßt.
Erstaunlicherweise hielt man sich nach den Amoklauf von Lörrach erst einmal zurück, das bissigste, was bisher publiziert wurde, ist die oben abgebildete Karikatur, die behauptet, das deutsche Waffenrecht sei mit Blick auf die öffentliche Sicherheit nahezu wirkungslos. Der Grund für diese relative Zurückhaltung liegt freilich weniger in einem Gesinnungswandel der MZ-Redaktion als darin, daß man das Thema erst in der vergangenen Woche breitgetreten hat. Maßgeblich war dafür der Artikel „Jede Verschärfung des Waffenrechts wird abgelehnt – Lobby leistet ganze Arbeit“ aus der Feder von Jörg Schindler. Ähnliche Texte Schindlers sind auch in anderen DuMont-Blättern wie etwa der Frankfurter Rundschau erschienen. Doch bleiben wir vorerst bei dem am 17.09.2010 in der MZ veröffentlichen Text (Kommentar kann man ihn kaum nennen):
"[…]Der Text, der im Gewand des seriösen Journalismus daherkommt, strotzt vor offenkundigen Unwahrheiten und Lügen. Der Autor hat offenkundig nicht die geringste Ahnung vom Waffenrecht, weder von den geltenden Rechtsvorschriften noch von deren Vorläufern. Dennoch erdreistet sich dieser Jörg Schindler, sich zu diesem Thema schriftöffentlich zu äußern. Beispielhaft seien zwei Punkte herausgegriffen:
Es gibt einen Satz, der in keinem Gespräch mit Waffenfreunden fehlt: „Deutschland hat schon jetzt eines der strengsten Waffengesetze der Welt.“ Hat es das wirklich?
Wie die Politik „durchgreift“
Tatsache ist, dass das in den 70er Jahren in Westdeutschland entstandene Waffengesetz erstmals 2003 geändert wurde. Vorausgegangen war am 26. April 2002 der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Dabei erschoss der Schüler Robert Steinhäuser 16 Menschen und sich selbst. Als ein Jahr später das neue Waffenrecht in Kraft trat, brüsteten sich die beiden Innenminister Otto Schily (SPD) und Günther Beckstein (CSU), jetzt endlich sei das Gesetz sinnvoll verschärft worden.
Weitere Amokläufe - Emsdetten, Winnenden - folgten, weshalb das Gesetz 2008 und 2009 erneut verändert wurde. Wieder tönte die Politik, nun habe man hart durchgegriffen. Wieder jammerte die Lobby, ihr sei fast nichts mehr erlaubt. In den Behörden war die Verwunderung groß. „Ich kann bis heute im Grunde keine Verschärfung erkennen“, sagt etwa der langjährige Waffenkontrolleur Hubert Bonndorf (Name geändert). „Da hat die Lobby ganze Arbeit geleistet.“ Bis 2003 mussten Beamte wie Bonndorf einem Schützen ein „Bedürfnis“ bescheinigen, wenn dieser eine neue Waffe kaufen wollte. Nach dem neuen Gesetz erledigen diese Bedürfnisprüfung die Schützenverbände - und dass diese massenhaft zahlende Mitglieder vergrätzen, gilt als unwahrscheinlich.
2003 wurde auch der „Kleine Waffenschein“ für die potenziell tödlichen Gas- und Schreckschusswaffen eingeführt. Wer solche Pistolen mit sich führen will, braucht seither eine Erlaubnis. Kaufen kann jeder so viele davon, wie er will.
Weil der Erfurter Amokläufer Steinhäuser eine Pumpgun mit sich führte, hatte die Politik vollmundig ein Pumpgun-Verbot versprochen. Elf Monate später wurden doch nur Pumpguns mit Pistolengriff verboten. Dabei weiß jeder Schütze: Solche Griffe kann jeder im Internet bestellen. Der Umbau vom Gewehrschaft zum Pistolengriff dauert keine 15 Minuten.
[...]
2009 dann setzte der Gesetzgeber das Alter für den Erwerb von Großkaliberwaffen von 14 auf 18 Jahre herauf. „Ja und?“, sagt heute Roman Grafe von der Anti-Mordwaffen-Initiative. „Robert Steinhäuser war 19.“
Als uneffektiv dürfte sich auch der Plan erweisen, dass Behörden künftig stichprobenartig Waffenbesitzer kontrollieren. Die Idee entstand, weil der Vater des Amokschützen von Winnenden seine Waffe nicht vorschriftsmäßig verschlossen hatte. Nur: In Großstädten kommen auf 10 000 Waffenbesitzer gerade mal vier bis sechs Beamte. Und auf Druck der Lobby dürfen Waffenhalter die Prüfer beim ersten Besuch abwimmeln, ohne dass Sanktionen drohen. Gleichwohl wehren sich die Schützen auch gegen diese „Verschärfung“."
"2009 dann setzte der Gesetzgeber das Alter für den Erwerb von Großkaliberwaffen von 14 auf 18 Jahre herauf."Falsch. Das Alter für den Erwerb großkalibriger Schußwaffen liegt bereits seit 2003 bei 21 bzw. 25 Jahren (§ 14 I u. § 6 III WaffG). Vorher waren es 18 Jahre. Die WaffG-Änderung 2009 hat das Mindestalter für das Schießen mit solchen Waffen von 14 auf 18 erhöht (§ 27 III WaffG).
"Und auf Druck der Lobby dürfen Waffenhalter die Prüfer beim ersten Besuch abwimmeln, ohne dass Sanktionen drohen. Gleichwohl wehren sich die Schützen auch gegen diese „Verschärfung“."Das ist nicht dem „Druck“ einer diffus bleibenden Lobby geschuldet, sondern dem Grundgesetz. Dessen Artikel 13 schützt nämlich auch die Wohnräume von Waffenbesitzern (siehe auch hier). Im Ergebnis fordert Schindler hier die Entrechtung einer ganzen Bevölkerungsgruppe – das ist totalitäres Denken in Reinkultur.
Als wäre die Inkompetenz alleine nicht schon schlimm genug, bezieht Schindler eindeutig die Position der organisierten Waffengegner um Grafe und Schober. Nur sie werden namentlich genannt, nur ihre Argumente werden (in wohlwollendem Ton) vorgetragen. Die andere Seite, die der Legalwaffenbesitzer, bleibt anonym und wird nur unter dem düster-bedrohlichen Schimpfwort „Waffenlobby“ präsentiert. Fast so, als wären sie finstere Gesellen, mit denen man sich nicht weiter abgeben dürfe. Damit werden die Legalwaffenbesitzer entmenschlicht. Schindler verlangt offenbar die Ausstoßung aller Waffenbesitzer aus Gesellschaft und öffentlichem Diskurs, solange sie sich weigern, sich den absurden Forderungen von Grafe, Schober & Co. zu unterwerfen. So denkt die Mitteldeutsche Zeitung also über die Grundrechte ihrer Mitbürger!
In der Sache betreiben Schindler und die MZ Propaganda für die Grünen, wenn sie sogar ein Verbot von Schreckschußwaffen („potentiell tödlich“) fordern. Worin besteht der Zusammenhang zwischen den thematisierten Amokläufen und SSWs? Hieran zeigt sich deutlich, daß die Waffenhasser vom Schlage eines Schindler keine konkreten Anlässe brauchen und ihre Sorge nicht der öffentlichen Sicherheit gilt. Sie finden Waffen per se schlecht und werden sich mit nichts weniger als einem Totalverbot selbst des letzten Luftgewehrs zufrieden geben.
Ferner erschließt sich mir nicht, was der Hinweis auf Vorderschaftrepetierflinten soll. Warum muß jede Waffenart, mit der einmal eine Straftat begangen worden ist, komplett verboten werden? Und die versteckte These, wonach die Veränderungen bei der Bedürfnisbescheinigung seit 2003 zu einem Anstieg der Gewaltkriminalität geführt habe, ist schlechterdings absurd und unbeweisbar.
Statt dessen wird ein anonymer „Waffenkontrolleur“ namens „Bonndorf“ zitiert (hinter dem sich vermutlich der abgehalfterte Ex-BMI-Beamte Jürgen Brennecke verbirgt). Schindler sollte sich lieber mit dem Text des Waffengesetzes vertraut machen, bevor er auf solche zweifelhaften Gestalten hört. Aber vermutlich will er das gar nicht, denn der Auftrag seiner Chefs ist klar: Es muß Stimmung gegen die legalen Waffenbesitzer gemacht werden. Zu diesem Zweck beklagt man sogar ein angeblich zu lasches Waffenrecht, obwohl man noch nie einen Blick in den Text der einschlägigen Rechtsvorschriften geworfen hat. Denn hätte man dies getan, dann wüßte man, daß das Gegenteil der Fall ist.
Ohne jegliche Sach- und Rechtskenntnis werden sodann weitere Verschärfungen des Waffenrechts gefordert. Damit zeigt der Autor seine Absicht: Es geht ihm nicht um eine Verbesserung der öffentlichen Sicherheit, sondern um ein Verbot von Waffen an sich. Die Gründe für diese Meinung werden jedoch nicht offenbart, sie sind offenkundig ideologischer Natur. Damit hat Schindler jedoch die Ebene der Sachpolitik verlassen. Überhaupt fehlt es ihm an sachlichen und logisch nachvollziehbaren Argumenten. Was bleibt, sind Emotionen und Stimmungsmache, im Kern ein ungezügelter Haß auf alle legalen Waffenbesitzer.
Fazit: Schindlers Text verletzt die simpelsten Regeln des Anstands und der journalistischen Redlichkeit. (Dazu gehört insbesondere, daß man sich um eine nüchterne und sachliche Darstellung bemüht und vor allem beide Seiten zu Wort kommen läßt.) Schindlers Angst- und Greuelpropaganda hat mit Journalismus nichts mehr zu tun, sondern ist Demagogie der übelsten Sorte.
Jemand wie Schindler ist diskursunfähig, weshalb jede Auseinandersetzung mit Typen wie ihm Zeitverschwendung ist. Sie und ihre Lügen müssen enttarnt und ihr Mangel an Seriösität öffentlich gemacht werden. Der Kaiser - in diesem Fall die selbsternannte Macht der „Vierten Gewalt“ - hat keine Kleider an.
Mit seinem manipulativen Stil ist Schindler übrigens in schlechter, aber großer Gesellschaft. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat herausgefunden, daß 62 % der Deutschen ahnen, wie sehr Journalisten sie manipulieren wollen. Dies ist ein Armutszeugnis für die selbstgerechte Journaille. Und falls es noch eines weiteren Beweises für die Manipulation der Öffentlichkeit durch die Medien bedurft hätte, dann hat der hier behandelte „Fall Schindler“ ihn geliefert. Der hehre Anspruch der freien Presse wird in der täglichen Praxis zunehmend durch Lügen, Desinformation, Demagogie und Manipulation verdunkelt.
Ich will diesen Artikel jedoch nicht abschließen, ohne auf positive Gegenbeispiele hingewiesen zu haben. Der Kölner Stadtanzeiger und Der Westen zeigen, daß es auch anders und vor allem besser geht.
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Frohes neues Jahr!
Bild: Mitteldeutsche Zeitung.