Dienstag, 7. September 2010

80 Jahre Luftlandetruppen


Am 2. August 2010 haben die Luftlandetruppen (russ.: Wosduschno-desantnyje wojska, Abk.: WDW) der Rußländischen Föderation ihr achtzigjähriges Bestehen gefeiert (siehe auch hier und hier). Als Anfang der Luftlandetruppe gilt die erste Landeübung am 2. August 1930 nahe der mittelrussischen Stadt Woronesh. Am Vorabend des Jubiläums führte die Nachrichtenagentur RIA Nowosti ein Interview mit dem Befehlshaber der Elitetruppe, Wladimir Schamanow, das im folgenden wiedergegeben wird:
"[...]

Die erste Frage gilt der Reform der russischen Streitkräfte. Welche Rolle spielt die Luftlandetruppe nach der Reform?

Die Truppe behält den Status der Reserve des Oberbefehlshabers. Hauptzweck dieser Reserve ist die Verteidigung von Russlands Interessen und der russischen Bürger im In- und Ausland. Die Luftlandetruppe wird ihre Aufgaben sowohl selbständig als auch als Teil der Gruppierungen der Landstreitkräfte in den Verantwortungszonen der vereinten strategischen Kommandos erfüllen. Sie soll die Flanken und Lücken in der Kampfordnung der Landstreitkräfte schließen, die gegnerischen Luftlandetruppen bekämpfen, im gegnerischen Hinterland und an den gegnerischen Flanken landen. Außerdem muss sie alle anderen Aufgaben bewältigen, die eine hohe Mobilität und schnellen Aufmarsch erfordern, vor allem bei lokalen Konflikten.


Wie hat sich die Struktur und Zahlenstärke der Luftlandetruppe im Verlauf der Reform verändert? Wie soll die Truppe bemannt werden?

Im Zuge der Reform haben wir 26 Truppeneinheiten gekürzt. Größtenteils waren das Versorgungseinheiten, deren Funktionen an die Strukturen der vereinten strategischen Kommandos und an zivile Organisationen übergeben werden. Die Bewachung der Verpflegungslager sowie die Wäschereidienstleistungen sind zu 85 Prozent an zivile Organisationen weitergegeben worden. Zivile Organisationen sind fortan auch für 40 Prozent der gastronomischen Versorgung verantwortlich. Wir planen, die Essensversorgung bis zum 1. Dezember vollständig an zivile Strukturen zu übergeben. Doch dabei gibt es einige Fragen. Die Einheiten und Verbände der Luftlandetruppe sind größtenteils in Gebietszentren stationiert, wo wir problemlos zivile Auftragnehmer finden können. Doch die Nahrungsmittelverpflegung der Truppen im Feld können sie nicht auf sich nehmen. Dabei ist das für die Luftlandetruppe besonders wichtig.

Wir werden nach einem Kompromiss suchen. Die Luftlandetruppe muss die Fachleute und die Ausrüstung behalten, die die Nahrungsmittelverpflegung der Truppen fern vom Hinterland ermöglichen.

Die Luftlandetruppe ist 35.000 Mann stark. Im Zuge der Reform haben wir 40 Prozent der Offiziere der Luftlandetruppe in den Ruhestand geschickt. Gegenwärtig sind rund 4000 Offiziere im Dienst. Rund 400 davon bekleiden Unteroffiziersposten, weil es an Berufssergeanten fehlt und die Offiziersposten abgebaut werden. Außerdem leisten rund 7000 Vertragssoldaten als normale Soldaten und Unteroffiziere bei der Luftlandetruppe ihren Dienst. Der Rest sind Zeitsoldaten.

Weiterhin soll die Zahl der Vertragssoldaten verdoppelt werden. Wir wollen alle Unterführer- und Fachkräfteposten mit Vertragssoldaten bestücken. Das sind die Posten, die die beste Ausbildung und die meiste Arbeit erfordern. Der Mangel an Vertragssoldaten ist momentan unter anderem mit der mangelhaften Besoldung verbunden: Der Monatslohn beträgt 12 000 bis 18 000 Rubel pro Monat (Anm. der Redaktion: 1 Euro = 39,47 Rubel). Samt Zulagen und Reisezuschüssen kann der Lohn 18 000 bis 25 000 Rubel betragen. Ab 2012 soll ein Unteroffizier mindestens 30 000 Rubel erhalten, samt allen Zuschüssen soll diese Summe 40 000 bis 45 000 Rubel erreichen. So ein Einkommen wäre erheblich höher als der Durchschnittslohn in den Regionen und wird für einen Zustrom von besser ausgebildetem Personal sorgen.

In der Tat soll das russische Unteroffizierskorps wiedergeboren werden, das einst das Rückgrat der Armee bildete. Der Standard, den wir anstreben, sind hochprofessionelle Offiziere und Unteroffiziere und gut ausgebildete, ausgewählte Vertrags- ebenso wie Zeitsoldaten, die offensiv und energisch handeln können.


Wie gut entspricht die gegenwärtige Bewaffnung der Luftlandetruppe ihren Aufgaben? Was kommt noch hinzu?

Gegenwärtig bekommt die Luftlandetruppe rund sieben Prozent neue Ausrüstung. Doch wir halten die zur Verfügung stehende Ausrüstung einsatzbereit, und sie wird ihren Aufgaben gerecht. Gegenwärtig verwirklichen wir ein Programm der teilweisen Modernisierung, das die Kampffähigkeiten der Truppe in den kommenden Jahren mit der existierenden Ausrüstung um zehn Prozent steigen lassen wird. Wir kaufen automatische Operationssysteme, Landungs- und Landungskontrollsysteme, Aufklärungs-, Beobachtungs-, Navigations- und Kommunikationsmittel. Davon wäre das automatische Operationssystem Poljot-M hervorzuheben, das eine lückenlose Kommandokette vom Stab der Luftlandetruppen bis zum Bataillonsstab ermöglicht und den Kampfeinsatzzyklus erheblich verkürzt.

Die Käufe, die wir jetzt tätigen, entsprechen bislang nicht ganz unseren Zielen. Die Neubewaffnung der Truppen muss während der Umsetzung des neuen staatlichen Bewaffnungsprogramms erfolgen. Auf diesem Programm stehen Luftlande-Schützenpanzer BMD-4M mit gekoppelten 30- und 100-mm-Kanonen sowie Panzer auf der Grundlage des existierenden Schützenpanzerwagens Rakuschka. Wir müssen auch die Luft- und Panzerabwehr stärken. Um letztere Aufgabe zu meistern, wollen wir später den Jagdpanzer Sprut mit einer 125-mm-Kanone erwerben.


In einigen Medien gab es Informationen, dass die Sprut-Einkäufe eingestellt worden waren und nicht wieder aufgenommen werden sollen.

Diese Informationen sind nicht glaubwürdig. Das Fahrzeug soll einige zusätzliche Entwicklungen erhalten und als Serienmodell gekauft werden.


Wie wird der aktuelle Zustand der Militärtransportflieger eingeschätzt?

Die Militärtransportflieger haben einen goldenen Mittelweg gefunden, sie halten ihre Verbände kampfbereit, nutzen aber ihre Maschinen nicht zu stark ab. Gegenwärtig können wir ein Regiment landen lassen und ihm Fliegerunterstützung gewähren. In der Perspektive wollen wir in der Lage sein, dies mit einer Division zu bewältigen.

Die Militärtransportflieger sollen auch neue Maschinen erhalten. Unter anderem sieht der Rüstungsplan den Kauf von 40 An-70-Maschinen und die Wiederaufnahme der Serienherstellung von Ruslan-Flugzeugen vor. Ebenso soll die Produktion der wichtigsten Maschine der Militärtransportverbände, der Il-76, aus Taschkent (Usbekistan) nach Uljanowsk (Russland) verlagert werden. Die modernisierte Version dieser Maschine ist als Il-476 bekannt.


Auch die anderen Armeen verfügen über Luftlandetruppen. Können die russischen Luftlandetruppen mit den ausländischen verglichen werden?

Die wichtigste Grundlage für einen Vergleich sind die Kampfhandlungen. Heute können wir beobachten, wie schlecht bewaffnete und ausgebildete Insurgenten in Afghanistan eine riesige Koalition aus führenden westlichen Ländern in Angst halten. Die Koalitionssoldaten wagen sich nicht aus den kontrollierten „grünen Zonen" hinaus. Das sowjetische Militär, darunter auch die Luftlandetruppen, konnte seinerzeit die gestellten Aufgaben in Afghanistan erfüllen, wenngleich es technisch viel schlechter ausgerüstet war.

Die NATO zeigt sich derzeit völlig unfähig, ihre Aufgaben zu erfüllen. Es sei allein darauf hingewiesen, dass der Drogenschmuggel aus Afghanistan nach Russland ums vierzigfache angestiegen ist, obwohl die Unterbindung der Drogenproduktion zu den wichtigsten Zielen der Kampagne zählte.

Die westlichen Armeen bieten bei der individuellen Ausstattung der Soldaten, vor allem mit Beobachtungs-, Leitungs-, Kommunikations- und Navigationsmitteln, ein gutes Beispiel. Wir haben in dieser Hinsicht Probleme. Gegenwärtig kaufen wir neue Ausrüstung, darunter Wärmesichtgeräte, neue Scharfschützengewehre und Navigationsmittel. Unsere Möglichkeiten auf diesem Gebiet sind mit der Inbetriebnahme des GLONASS-Systems erheblich gewachsen.

Bei einigen Richtungen steht Russland nach wie vor an erster Stelle. Beispielsweise haben wir die besten Leichtpanzer, die vom Flugzeug aus gelandet werden können. Wir können als einzige unsere [Fahrzeuge] samt Besatzung aus der Luft landen lassen, was die Kampffvorbereitungszeit erheblich verkürzt.

Generell beachtet das Kommando der Luftlandetruppe die Situation in den ausländischen Armeen. Bei den russischen Luftlandetruppen gibt es im Vergleich zu ihnen keine offensichtlichen Lücken, die schleunigst ausgebessert werden sollten. Die russische Luftlandetruppe gehört nach wie vor zu den weltbesten. Wir sind ständig kampfbereit - sowohl für In- als auch für Auslandseinsätze.

[...]"


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Ein paar Verweise ...

Fotos: www.mil.ru.
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