Montag, 1. Februar 2010

"Sexed Pistols"

Die deutschen Hochschulen sind in den letzten 100 Jahren von mehreren verheerenden Plagen heimgesucht worden. Es begann in den 1930er Jahren mit der Diskriminierung der Juden, die zur Entfernung eines bedeutenden Teils der wissenschaftlichen Elite geführt hat. Es setzte sich nach 1945 in der DDR mit der Ideologisierung im Sinne des Marxismus-Leninismus fort, die bisweilen ganz seltsame Blüten getrieben hat, wenn etwa nach spezifisch kommunistischen Formen der Rinderzucht gesucht wurde - als ob es die Rindviecher interessieren würde, in welchem politischen System sie leben. Auch die BRD blieb von Erschütterungen nicht verschont, hier sei nur das Stichwort "1968" genannt. In der Folge kam es zum Aufstieg und Fall einer extrem ideologiebeladenen Disziplin wie der Friedensforschung. (Nicht alle "Friedensforscher" waren borniert, es gab auch ein paar sehr selbstkritische Intellektuelle wie z.B. Herfried Münkler.)

Das offenkundige Verfallsstadium einer weiteren "Forschungsrichtung", deren Thesen ebenfalls höchst problematisch sind, ist leider noch nicht erreicht, denn trotz ihrer Zweifelhaftigkeit fließen weltweit noch reichlich öffentliche Fördermittel. Die Rede ist von den sog. "Gender Studies". Deren Forschungsanliegen besteht darin, alle möglichen gesellschaftlichen Entwicklungen auf ihre "Geschlechterrelevanz" hin zu untersuchen. Früher war man insoweit noch offener und sprach von der Diskriminierung der Frauen. Schon hieran wird deutlich, wie eng bei den Gender Studies das (theoretisch zweckfreie) akademische Forschungsinteresse mit politischem Aktionismus verwoben ist. Man könnte es auch volkstümlicher formulieren: Die "Gender-Forscher" vermuten in jedem Furz der Weltgeschichte eine Verschwörung der Männer gegen die Frauen. Und jeder, der es sich wagt, daran und an den daraus abgeleiteten Maßnahmen wie dem "Gender Mainstreaming" öffentlich zu zweifeln, muß mit erheblichen Nachteilen rechnen.

Vor wenigen Wochen ist nun ein Buch veröffentlicht worden, das die Ansätze der Friedens- und der Geschlechterforschung kombiniert: "Sexed Pistols - The Gendered Impacts of Small Arms and Light Weapons". Bereits der Verlagstext vermittelt einen Einblick in die bizarre Gedankenwelt der Waffengegner:

"[...]

Every day, small arms and light weapons (SALW) kill and maim, wound and threaten millions of adults and children, whether combatants and civilians in war zones or gangs and communities in degraded “peacetime” environments that are characterized by large-scale violence. Due to their widespread availability, mobility and ease of use prolific SALW have become central to maintaining social dislocation, destabilization, insecurity and crime in the build-up to war, in wartime and in the aftermath of violent conflict. Small arms are misused within domestic settings, as well as in public spaces, and they affect everyone in the community without regard to sex or age. Although the impacts of these weapons can be vastly different for women and men, girls and boys, a careful consideration of gender and age is rare in the formulation of small arms policy, of planning small arms collection or control, or even in small arms research. To counter the effects of prolific SALW, their role in reinforcing and maintaining gender- and age-specific violence must be more deeply analysed and the results applied at the policy and operational level. This work should be undertaken in war-afflicted contexts, in societies suffering from elevated levels of social violence and/or severe underdevelopment, and in those tolerant of the presence of individually owned firearms.

Contributors to the book draw on experience and research from around the world on the nexus of gender, age, violence and small arms in developing and developed countries. Their findings feed into a number of recommendations for future policy formulation, programme implementation and research designed to further illuminate and counteract the firing of the “sexed pistol”.

[...]"
Die "Forscher" hängen einem (absurden) mystifizierenden Waffenbegriff an: Nicht etwa Menschen töten andere Menschen, oh nein, es sind die bösen Waffen, die das quasi von alleine tun. Und so setzt sich die Aneinanderrreihung von Unsinn fort. Auch in der deutschen Waffenrechtsdebatte des vergangenen Jahres wurde ja besonders auf die männlichen Jugendlichen abgestellt - ein Argument, dem freilich nur eine kurze Halbwertzeit beschieden war. Nämlich so lange, bis eine Bonner Schülerin einen Anschlag auf ihre Schule plante.
Interessant und besorgniserregend ist die Tatsache, mit welcher Vehemenz in diesem Buch (aber nicht nur dort!) offenkundiger Unsinn als Wissenschaft verkauft wird. Und die "Wissenschaftler" drängen massiv zu politischem Handeln, denn es geht den Herausgebern expressis verbis um die stärkere Kontrolle des privaten Waffenbesitzes.

Da überrascht es mich nicht mehr, in welchem Umfeld sich Autoren und Herausgeber bewegen. Denn das Buch ist an der United Nations University entstanden und wird von der IANSA - genauer: von ihrem "Women's Network" - aktiv beworben. Geht man auf die Webseite dieses Netzwerks, so hat man wirklich ein Erlebnis ... Verglichen mit diesen, von missionarischem Eifer besessenen Pseudosozialwissenschaftlern waren die alten, hartgesottenen Marxisten doch geradezu angenehme Zeitgenossen, die wenigstens partiell noch einer rationalen Argumentation zugänglich waren. Aber hier toben sich die glaubenskämpfenden Kontrollfreaks aus.

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte - und so stellt die folgende Grafik das simplifizierende und damit absurde Weltbild der IANSA hinreichend dar:



Dennoch müssen wir diese Entwicklungen aufmerksam beobachten und Gegenargumente formulieren. Denn der politische und öffentliche Einfluß der notorischen Waffengegner ist - gerade in Europa - trotz der Fadenscheinigkeit ihrer Argumente bemerkenswert (siehe z.B. das Aktionsbündnis Winnenden).

Zum Abschluß noch ein Nachsatz, damit meine Ausführungen nicht mißverstanden werden. Natürlich ist das Geschlecht ein nicht zu vernachlässigender sozialer Faktor, den es auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu berücksichtigen gilt. Doch kann dies innerhalb der Soziologie ohne weiteres geleistet werden; man muß dazu keine neue "Wissenschaft" erfinden, die von zweifelhaften Grundannahmen ausgeht.


Verwandte Beiträge:
Frohes neues Jahr!
Schluß mit dem Gewalttabu
Bericht aus Berlin V
Anatomie der Anti-Waffen-Lobby
Die Anti-Waffen-Lobby regt sich

Grafik 2: www.iansa.org.
blog comments powered by Disqus