Ein unerwartet freundlicher
Kommentar zu meinem letztwöchigen
Artikel über Notfallsets hat mich zu einigen weiteren Gedanken angeregt. (Ehrlich gesagt: Ich hatte nicht damit gerechnet, das jemand diesen Text liest. ;-))
Ganz wichtig ist es (wie am Donnerstag auch schon ausgeführt), den Zusammenhang zwischen Ausrüstung und Ausbildung im Auge zu behalten. Andererseits wird man ganz ohne Ausrüstung oft auch recht hilflos sein. (Mal ehrlich, wer ist im Ernstfall wirklich bereit, ohne Beatmungsmaske oder -folie jemanden zu beatmen, der sich zuvor übergeben hat?) Der Schritt bis zu einem auf die eigenen Anforderungen abgestimmten Erste-Hilfe-Set ist dann fast schon zwangsläufig, insbesondere dann, wenn man nicht regelmäßig auf einen Kfz-Verbandskasten zurückgreifen kann. M.E. können dafür die vielen, auch im Internet kursierenden Ausrüstungslisten ein guter Anhalt sein (ein guter Tip sind die diversen US-Messer-, Outdoor- und Survivalforen), doch befreien sie nicht von der Aufgabe, sich selbst Gedanken zu machen. Zumindest für meine Anforderungen hat noch kein vorgefertiges Paket gepaßt. Dabei ist weiters zu beachten, was man u.U. tagtäglich mit sich führen kann und will - hier wird oft der Grundsatz gelten, daß weniger mehr ist.
Zur Ausbildung: M.E. ist der
Erste-Hilfe-Kurs mit 16 Unterrichtsstunden das absolute Minimum. Der für den PKW-Führerschein vorgeschriebene Kurs
Lebensrettende Sofortmaßnahmen (8 Stunden) ist nur ein Auszug aus dem "großen" EH-Kurs mit dem Schwerpunkt Straßenverkehr.
Die im EH-Kurs erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten sollten regelmäßig durch ein
Erste-Hilfe-Training (8 Stunden) aufgefrischt werden. Empfohlen wird hier ein Rythmus von zwei Jahren, was mir persönlich jedoch zu lange ist, weshalb ich mich darum bemühe, alljährlich ein EH-Training zu absolvieren. (Manchmal sind die ausbildenden Hilfsorganisationen bereit, einen Preisnachlaß zu gewähren, sofern man keinen Teilnahmenachweis - etwa für den Arbeitgeber - benötigt. ;-))
Darüber hinaus kann man sich, zumindest theoretisch, auch zum
Rettungshelfer oder
Rettungssanitäter ausbilden lassen. M.E. sind zur (freilich begrenzten) Vertiefung der EH-Kenntnisse jedoch andere Kurse geeigneter, sofern man nicht mit den "Halbgöttern in weiß" konkurrieren will. ;-) Die Rede ist von den
Sanitätslehrgängen, wie sie in unterschiedlicher Form von den Hilfsorganisationen, aber auch von einigen kommerziellen Rettungsdienstschulen angeboten werden.
Ich selbst beabsichtige demnächst, einen Kurs mit dem Titel
"Sanitäter aller Fachbereiche" zu belegen. Er dauert 24 Stunden und umfaßt (vor allem mit Blick auf die diversen Katastrophenschutz-Fachdienste) eine praxisorientierte Erweiterung und Vertiefung der Erste-Hilfe-Kenntnisse. Dazu gehören dem Vernehmen nach auch solche Themen wie der Transport von Verletzten u.a.m. M.E. sind die dafür aufgerufenen 180 € gut investiertes Geld, denn das Unternehmen ist sowohl in der Ausbildung als auch in der Rettungsdienstpraxis bewährt.
Sofern man einen qualifizierten Anbieter in der Nähe hat, kann man auch eine speziellen Lehrgang z.B. für
Erste Hilfe im Outdoorbereich belegen. Möglicherweise wäre zudem eine
Defibrillatorausbildung keine schlechte Idee.
In den gängigen Kursen kommen regelmäßig drei Themen, die ich im Hinblick auf Outdoor-Situationen für wichtig halte, zu kurz. Das Lehrpersonal und dessen Richtlinien gehen von einem Notfall im urbanen Raum aus, bei dem der Rettungsdienst reglär funktioniert und innerhalb der wenige Minuten dauernden Hilfsfrist vor Ort ist. Das wird in der "Pampa" jedoch oft nicht der Fall sein. Deshalb sollte man sich m.E. zusätzlich mit folgenden Themen etwas intensiver befassen:
1. Umgang mit Frakturen und Brüchen sowie das Schienen derselben. Hier kann man sich u.a. mit Samsplint u.ä. Systemen vertraut machen.
2. Anlegen von Verbänden. Früher wurde das in den EH-Lehrgängen bis zum bitteren Ende geübt (habe ich selbst bei den
Jungen Sanitätern in der Grundschule noch erlebt ;-)), heute ist es allerdings aus der Mode gekommen. Doch wenn der angelegte Verband absehbar einige Stunden halten muß, dann sollte man sich insoweit etwas mehr Mühe geben.
3. Transport von Verletzten. Hier vor allem der Umgang mit Krankentrage,
Bergetuch,
Spineboard sowie die behelfsmäßige Herstellung solcher Mittel. Warum? Man kann den Verletzten in manchen Situationen nicht einfach an einer schlecht zugänglichen Stelle mitten im Wald liegen lassen, sondern muß ihn z.B. in die Nähe eines Weges bringen.
Des weiteren sollte man bereits durch die EH-Kurse mit dem Stillen von Blutungen durch Druckverbände und ggf. Abbinden vertraut sein. Für diesen Zweck bietet z.B. die Fa. Söhngen ein
fertiges Druckverbandspäckchen an, das möglicherweise für jemanden interessant ist, der evtl. mit der Behandlung von Schußverletzungen rechnen muß (z.B. Jäger).
Wie hält man seine Erste-Hilfe-Kenntnisse nun außerhalb organisierter Lehrgänge frisch? Beispielsweise durch das Selbststudium. Ich habe insofern das Lehrbuch
"Erste Hilfe konkret" von L. Rothe und V. Skwarek als sehr hilfreich empfunden. Alle relevanten Fragen werden angesprochen und in einer Sprache, die auch für medizinische Laien verständlich ist, behandelt.
Ergänzend, wenn es etwa um den Transport von Verletzten und die Kunst der Verbände geht, könnte man auch auf Lehrbücher aus der "guten alten Zeit" des Kalten Krieges zurückgreifen. Aus meiner Bibliothek kann ich die folgenden Titel empfehlen:
"Rettungs- und Bergungsarbeiten" (Berlin 1974),
"Schutz vor Massenvernichtungsmitteln - Lehrbuch der Zivilverteidigung" (Berlin 1976),
"Bergung im Selbstschutz" (Köln 1985) und, sofern man mit dem Stil einer Dienstvorschrift klarkommt, die
KatS-DV 260 (Bonn 1981,
hier als PDF-Datei).
Von meinem vorletzten Rußlandbesuch hatte ich mir als Souvenir
dieses EH-Lehrbuch mitgebracht. Darin erscheinen mir vor allem die grafischen Darstellungen besonders instruktiv. Einige Unterschiede zu den in Deutschland vermittelten Inhalten fallen schon ins Auge. So werden z.B. im Rahmen der Ersten Hilfe fleißig Schmerzmittel verabreicht und es wird eher abgebunden als hierzulande üblich. Ferner war mir die dort vorgeführte Drei-Helfer-Methode bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung bis dato unbekannt. (Die Bilder unten vermitteln einen kleinen Eindruck des Buches.)
Was lehrt uns dieser Befund? Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. Auch andernorts macht man sich Gedanken und kommt möglicherweise zu ungewöhnlichen, aber dennoch nachvollziehbaren Ergebnissen.
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