Zweck und Bedeutung von Waffen;
Der Waffenbesitzer als Typ
Im deutschen Waffengesetz werden Schußwaffen als Gegenstände, die zum Angriff oder zur Verteidigung, zur Signalgebung, zur Jagd, zur Distanzinjektion, zur Markierung, zum Sport oder zum Spiel bestimmt sind und bei denen Geschosse durch einen Lauf getrieben werden definiert.
Das ist natürlich eine sehr spezifische und komplexe Definition. Betrachtet man die gesamte Menschheitsgeschichte, so wird man unschwer feststellen, daß - angefangen mit dem Faustkeil - Waffen aller Art zuvörderst der Lebenserhaltung des Menschen gedient haben. Mit ihrer Hilfe konnte er Tiere erlegen und zubereiten sowie sich selbst und seine Artgenossen gegen Angriffe von Zwei- und Vierbeinern schützen. Diese zwei Bedeutungen der Lebenserhaltung als Hauptverwendungszwecke für Waffen sind bis heute erhalten geblieben – und sie sind es (wie wir noch sehen werden), die die Waffengegner „auf die Palme bringen“. Alles weitere, der zum Selbstzweck gewordene Sport usw., sind Entwicklungen jüngeren Datums.
Welche Bedeutung haben Waffen für den Einzelnen? Vertreter einer das Sexuelle überbewertenden Vulgärpsychologie behaupten, Waffen seien ein phallusähnliches Männlichkeitssymbol. Ich halte diese These zwar für absurd, sie ist hier jedoch irrelevant.
Waffen symbolisieren allerdings, wie andere Psychologen zutreffend bemerkt haben, auch Macht. Allerdings nicht in einem platten Sinn von „Ich habe Macht über meinen Nächsten“, sondern im Sinne von Macht und Einfluß über das eigene Leben. Wer mit Waffen umgehen kann, ist – zumindest theoretisch-abstrakt – in der Lage, sich mit tierischer Nahrung zu versorgen und sich gegen Angriffe seiner Mitmenschen zu schützen. Mit anderen Worten: Der Waffenbesitzer ist durch sein Werkzeug dazu fähig, sein Leben und sein Schicksal zu einem guten Teil in die eigenen Hände zu nehmen. Er kann – theoretisch – eher für sich selbst sorgen und ist folglich nicht im selben Maße wie ein Unbewaffneter auf Hilfe, Kooperation oder Gnadenerweise anderer Personen angewiesen.
Oder, frei nach Lenin: Die Bewaffnung ist einer jener Aspekte, die darüber entscheiden, ob ein Mensch in der Gesellschaft „Amboß oder Hammer“ ist.
Es ist dieser Tatbestand, der bei nicht wenigen Unbewaffneten zu (unterschwelligem) Neid sowie zur Forderung nach Entwaffnung führt, um auf diesem Weg eine künstliche Gleichheit der schlechteren Lebenschancen herzustellen. Sie erkennen ihre eigene Unfähigkeit oder Unterlegenheit – und empfinden Furcht. (Die genauere Charakterisierung der Waffengegner soll uns aber erst morgen beschäftigen.)
Was sind nun Waffenbesitzer für Menschen? Sie sind, wie wir gesehen haben, tätig und eher willens, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, wofür sie von der Gesellschaft allerdings erwarten, daß sie ihnen die nötigen Freiräume gewährt. Sie sind nicht nur bereit Verantwortung für sich selbst, sondern auch für andere und für das Gemeinwesen zu übernehmen (z.B. in der Reservistenarbeit). Sie sind Realisten, die die Möglichkeiten und Grenzen des technischen Gerätes „Waffe“ kennen und beachten. Daher sind ihnen Mystifizierungen im Stil der sog. „Mordwaffen“ fremd.
Eine hervorragende und leider viel zu wenig beachtete literarische Darstellung der Waffenbesitzer findet sich in Gottfried Kellers Novelle „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“, selbst wenn man gewisse Schweizer Eigentümlichkeiten außer acht läßt. Desgleichen steht das deutsche Schützenwesen (namentlich in den Städten) seit dem Mittelalter für Freiheit, Verantwortung und Wehrhaftigkeit. Und schon Machiavelli hat den Fürsten seiner Zeit geraten, auf die Jagd zu gehen, um sich zu ertüchtigen.
Überhaupt sind, wenn man die Geschichte betrachtet, doch sehr viele wirklich bedeutende Personen in Politik, Wirtschaft und Kultur Waffenbesitzer gewesen: Bismarck, Wilhelm II., Hemingway, Roosevelt, Churchill u.v.a.m. Gibt es eigentlich einen bekennenden Waffengegner, der es auf diesen Gebieten zu überdurchschnittlichen Leistungen gebracht hat?
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hatte etwa ein nichtjagender Politiker oder Diplomat Schwierigkeiten, von seinen Kollegen ernstgenommen zu werden. (Nebenbei gefragt: Veranstaltet die Bundesrepublik eigentlich noch Diplomatenjagden?)
Waffen aller Art gehören also seit alters her zum menschlichen Leben dazu. Ihr ursprünglicher Hauptzweck der Lebenserhaltung im doppelten Sinne ist manchmal stark in den Hintergrund getreten und von einem rein sportlichen ergänzt oder sogar überlagert worden. So sind beispielsweise aus dem antiken Griechenland wie auch aus dem mittelalterlichen Europa Bogenwettkämpfe überliefert, die ausschließlich dem Zweck des Wettstreites und der Belustigung dienten. Damit ist der Hauptzweck aber nicht aufgehoben; selbst wenn er nur mehr eine abstrakte und höchst unwahrscheinliche Option darstellt, so ist es dennoch möglich, ihn zu verfolgen, sollte es erforderlich werden.
Die Rechtsordnung eines jeden Staates muß das anerkennen (Notwehr). Denn wie Thomas Hobbes in seiner bahnbrechenden Schrift vom „Leviathan“ gezeigt hat, ist selbst als gehorsamer Untertan der Staatsgewalt niemand dazu verpflichtet, sich von einem seiner Mitbürger Gewalt antun zu lassen: das Recht muß dem Unrecht nicht weichen. Und wenn der Staat in der konkreten Lage nicht fähig ist, den Anspruch des angegriffenen Bürgers auf Sicherheit durchzusetzen, so kehren die beiden Kontrahenten eben für kurze Zeit in den Naturzustand zurück – und sei es nur für eine Sekunde.
Um das zu erkennen, braucht man freilich schon profunde Kenntnisse in Geschichte und Philosophie, mit oberflächlichen Emotionen und medial gesteuerter Empörung ist es nicht getan. Erstaunlicherweise gibt es aber auch heute, in einer Zeit der vermeintlich omnipotenten Staatsgewalt, immer noch Menschen, denen sich diese uralten Zusammenhänge spontan erschließen und die sich für einen Lebensstil entscheiden, der vom Bedürfnis nach Selbstbestimmung und – frei nach Kant – Selbst-Denken gekennzeichnet ist. Aber es werden immer weniger …
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Samstag, 11. April 2009
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