Ich bin durchaus kein Freund von Lagerkämpfen unter den ohnehin schon zersplitterten deutschen Legalwaffenbesitzern. Doch mit dem folgenden Beitrag - der mir wohl einige Gegner einbringen wird - sehe ich mich gezwungen, auf die Diskussion in diesem Thread von Co2air.de zu regieren und den von einer einer Handvoll Einzelpersonen verbreiteten - pardon - Unfug zu kritisieren. Im genannten Forum behauptet ein (mittlerweile glücklicherweise gesperrter) Nutzer, wir deutschen Legalwaffenbesitzer wären in der öffentlichen Diskussion zu feige und täten gut daran, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, indem wir ein gott- und/oder naturgegebenes Recht auf Waffenbesitz proklamieren. Zwei, drei andere User sind dem Mann beigesprungen, haben u.a. meine Person der „übermäßigen Politischen Korrektheit“ bezichtigt und weiterhin vorgetragen, ggf. müsse der Konsens des deutschen Staates aufgekündigt werden. Der Gipfel waren allerdings Forderungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Legalwaffenbesitz und dem sog. Widerstandsrecht in Art. 20 IV GG konstruieren wollten.
Ich kann nicht auf alle dort aufgeworfenen Fragen eingehen, will aber dennoch meine Ablehnung dieser Positionen kurz (und hoffentlich nachvollziehbar) begründen.
Naturrecht auf Waffenbesitz?
Die Vorstellung, daß es ein von Gott und/oder der Natur gegebenes und somit vorkonstitutionelles bzw. über der geschriebenen Verfassung stehendes Menschenrecht auf Besitz und Führen einer Schußwaffe gäbe, wird in Europa sicher von 90 % der Menschen abgelehnt werden. Wir sind hier eben nicht in den USA! Mit dieser Feststellung, die sich leicht anhand von Meinungsumfragen belegen ließe, sollte sich das Naturrechtsargument für uns deutsche LWBs eigentlich erledigt haben.
Warum? Ganz einfach: Ein Argument dient innnerhalb einer Diskussion dazu, den Gesprächspartner, der anderer Meinung ist, von der eigenen zu überzeugen. Doch das vermeintliche Naturrecht auf Waffenbesitz taugt hierzulande nicht einmal als Provokation, es ist einfach eine Lachnummer (wie ein Kollege im genannten Forum ganz treffend geschrieben hat). Niemand, der weiterhin ernstgenommen werden will, wird ein Argument vortragen, dessen Überzeugungskraft offensichtlich gegen Null geht.
Daher spielt es auch keine Rolle, was ich aus juristischer Sicht von dieser Auffassung halte – sie ist hierzulande nicht nur nicht konsensfähig, sondern nicht einmal diskussionsfähig.
Man mag diesen Befund bedauern, aber es ist so. Wer dennoch lautstark auf diesem Naturrecht beharrt, macht sich nicht nur lächerlich, sondern schließt sich selbst von allen weiteren (ernsthaften) Diskussionen über das Waffenrecht aus. Vielleicht ist es genau das, was seine Befürworter erreichen wollen? Aus ihren Beiträgen spricht der Geist von Sektierern: Diese penetrante Rechthaberei, verbunden mit der Beschimpfung aller „Andersgläubigen“, kennt man sonst nur aus messianischen Bewegungen in Religion und Politik.
In das Bild des Sektierers paßt auch die von einem geäußerte Meinung, man solle das geltende Waffengesetz einfach nicht beachten und „darauf pfeifen“. Der Mann wurde gottlob aus dem Forum verbannt, denn eine bessere Steilvorlage hätte man den Waffengegnern gar nicht liefern können. (War der User vielleicht gar ein Agent provocateur aus dieser Fraktion?) Fakt ist: Solange man sich auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet, tut man gut daran, sich an das hierzulande geltende Recht zu halten. Selbst wenn man diese Gesetze nicht liebt, so verfügt der deutsche Staat (wie alle Staaten) doch über Machtmittel (zuvörderst Polizei und Justiz), um die Beachtung zu erzwingen. Wer meint, er könne „darauf pfeifen“, wird sich alsbald hinter schwedischen Gardinen wiederfinden. Das mag für den Betreffenden unangenehm sein, für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen jedoch ist es unerläßlich.
Widerstandrecht und Waffenbesitz?
Gibt es einen direkten, vielleicht sogar justiziablen Zusammenhang zwischen dem Widerstandsrecht (Art. 20 IV GG) und dem Legalwaffenbesitz in Deutschland? Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Und niemand, der sich ein wenig mit diesem verfassungsrechtlichen Problem beschäftigt hat, kann ernsthaft anderer Meinung sein.
Denn: Art. 20 IV GG ist keine Rechtsnorm, sondern bestenfalls ein moralischer Appell:
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.Diese Bestimmung wird erst dann relevant, wenn die verfassungsmäßige Ordnung de facto bereits abgeschafft ist, also z.B. aufgrund eines Staatsstreichs keine funktionierende unabhängige Gerichtsbarkeit mehr besteht.
Damit wird auch klar, weshalb Art. 20 IV keine Rechtsnorm ist, die zur juristischen Argumentation taugt: Entweder liegt der Tatbestand (die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung) gar nicht vor, dann wird jedes deutsche Gericht – zu Recht – die Begründung des Widerstandsrechts nicht gelten lassen. Wurden die verfassungsmäßige Ordnung und damit die Rechtsstaatlichkeit jedoch tatsächlich beseitigt, so wird man einem Unrechtsstaat das Widerstandsrecht wohl kaum erfolgreich entgegenhalten können.
Der gesamte Komplex des Widerstandsrechts ist eine extrem schwierige juristische und politische Materie (zur Vertiefung empfehle ich die einschlägigen Grundgesetzkommentare) und ich verstehe nicht, weshalb ausgerechnet Art. 20 IV GG die Phantasie einiger meiner Mitbürger so zu beflügeln scheint. Es muß bei Außenstehenden doch fast zwangsläufig Angst auslösen, wenn Einzelne zur Begründung des Legalwaffenbesitzes auf das Widerstandsrecht pochen. Wer dies tut, zeigt öffentlich, daß er mit dem Bürgerkrieg schwanger geht. Und von diesem Eindruck bis zum gegen die Waffenbesitzer bereits erhobenen Vorwurf des Rechtsextremismus (vgl. hier und hier) ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Vermutlich entstammt die Beschäftigung mit dem Widerstandsrecht aus den amerikanischen Diskussionen über das dortige Waffenrecht. Hier muß man jedoch den spezifischen Kontext des zweiten Verfassungszusatzes und der dort erwähnten Miliz beachten. Allerdings geht die jüngste Rechtsentwicklung in den USA von einem solchen, eher kollektiv verstandenen Recht ab. Denn seit dem Urteil des Obersten Gerichts im Fall Heller ist klar, daß der zweite Zusatzartikel auch ein Individualrecht darstellt – also unabhängig von Miliz, Landesverteidigung, Erhaltung der Staatsordnung etc. ist. Weshalb wird ausgerechnet jetzt hier in Deutschland dieser kollektivistische Ansatz, der leicht als praktische Vorbereitung auf einen unmittelbar bevorstehenden Bürgerkrieg (miß-)verstanden werden könnte, in die Debatte eingeführt? Das muß doch schiefgehen!
Taugte das vermeintliche Naturrecht wenigstens noch als Belustigung, so rücken sich diejenigen, die auf das sog. Widerstandsrecht verweisen, selbst in die Nähe von Terroristen und politischen Obskuranten. Ob sie das selbst so wollen? Auf jeden Fall erweisen beide „Argumente“ unserem legitimen Anliegen einen Bärendienst – ihr Nutzen geht gegen Null, aber der angerichtete Schaden ist beträchtlich. Daher meine Bitte: Laßt ab von diesem Unfug! Das hat nichts mit übermäßiger politischer Korrektheit oder mit Feigheit zu tun, sondern mit einer realistischen Analyse der politischen Lage. In der Sache sind beide Argumente Unfug, zudem wirken sie in der Öffentlichkeit höchst kontraproduktiv.
Wenn wir in der politischen Debatte ernstgenommen werden wollen, müssen wir uns von solchen absurden Positionen distanzieren. Und ja, insofern bin ich ein wenig feige – ich möchte nämlich, daß meine politischen und juristischen Einlassungen auch fernerhin ernstgenommen und nicht als dummes Geschwätz abgetan werden. Und das wird nur dann der Fall sein, wenn man sich auf die konkrete Situation, in der die deutsche Waffenrechtsdebatte stattfindet, einläßt. Wer dagegen meint, auf seinen abstrusen verfassungsrechtlichen und -politischen Privattheorien beharren zu müssen, der mag dies tun, verzichte dabei aber bitte auf jeden Hinweis, der den Eindruck hervorrufen könnte, er würde im Namen vieler oder gar aller deutschen Legalwaffenbesitzer sprechen. Denn das ist gottlob nicht der Fall.
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