1. Vorbemerkung
Diese Ausarbeitung entstand infolge der in einem Internetforum immer wieder gestellten Frage, ob es rechtlich möglich sei, im privaten Bereich auftretende Schädlinge durch den Hausbesitzer bzw. Mieter selbst zu bekämpfen und, wenn ja, welche Mittel dazu eingesetzt werden dürfen.
Das so beschriebene Feld ist in der Tat nicht ganz einfach zu "beackern", müssen doch Rechtsvorschriften des Bundes- und Landesrechts in den Bereichen Tierschutzrecht, Gesundheitsrecht, Strafrecht, Jagdrecht und Sicherheitsrecht berücksichtigt werden. Vielleicht lag es an dieser Komplexität der Materie, daß man bisher teilweise sehr zurückhaltend war, nach dem Motto "alles verboten" oder "nur der Kammerjäger darf das".
Aber ist dem wirklich so? Die eben beschriebene Haltung muß allein schon deshalb Verwunderung hervorrufen, da sie mit der lebensweltlichen Alltagserfahrung kollidiert, daß etwa Hausmäuse mittels Mausefalle gefangen und getötet werden. Und das sollte illegal sein? Ohne daß ein Sturm der Entrüstung durch das tierschutzfreundliche Deutschland geht?
Im nachfolgenden Text werden also die für das Thema relevanten Rechtsquellen benannt und untersucht. Dabei kam es allein auf eine Klärung der Rechtsfragen an; ethische Aspekte sind, soweit die Gesetze nicht auf sie verweisen, außer Betracht geblieben. Damit soll auch der hohen Emotionalisierung entgegengewirkt werden, die bei Diskussionen über solche Fragen leider sehr oft zu spüren ist und eine nüchterne Analyse der Sach- und Rechtslage erschwert. Darunter haben auch die mit der Schädlingsbekämpfung betrauten Behörden zu leiden: "Überreaktionen in Teilen der Öffentlichkeit legen denn auch das auf die Bekämpfung von verwilderten Haustauben anwendbare Schädlingsbekämpfungsrecht trotz Vorliegens der Eingriffsvoraussetzungen faktisch lahm" (Wohlfarth: Rechtsprobleme um die Stadttaube, in: Die Öffentliche Verwaltung 1993, S. 152 ff. [156]).
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Dieser Beitrag ist keine Rechtsberatung, alle gemachten Angaben sind völlig unverbindlich und der Verf. übernimmt auch keinerlei Haftung.
2. Darf ein Tier überhaupt getötet werden?
Allgemein läßt sich festhalten: § 1 S. 2 Tierschutzgesetz regelt, ob ein Tier überhaupt getötet werden darf; § 4 TierSchG bezieht sich im Anschluß daran auf die Frage, wie es getötet werden darf bzw. soll.
§ 1 S. 2 TierSchG fordert für das Töten eines Tieres einen vernünftigen Grund ("niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen"). Dieser vernünftige Grund muß einerseits intersubjektiv vermittelbar und nachvollziehbar sein, womit z.B. Haß auf Tiere, eine generelle Abneigung gegen sie, das Bedürfnis des Abreagierens, Lust am "Ballern" auf Tiere oder deren Verwendung zu sexuellen Handlungen ausscheiden. Andererseits muß der vernünftige Grund auch nicht absolut zwingend sein, weshalb etwa das Schlachten von Tieren zulässig ist, obwohl das dadurch gewonnene Fleisch für die menschliche Ernährung nicht unbedingt erforderlich wäre.
Vernünftige Gründe stellen u.a. das Schlachten, die waidgerechte Jagd (vgl. Jagdgesetze des Bundes und der Länder), die Fischerei (vgl. Landesfischereigesetze) und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, die aufgrund einzelner Rechtsvorschriften erlaubt oder geboten sind, dar (diese Aufzählung findet sich auch in § 4 I TierSchG). Liegt ein solcher vernünftiger Grund vor, ist die Tötung eines Tieres grundsätzlich erlaubt, es ist aber noch über das Wie des Tötens zu entscheiden.
3. Was ist Schädlingsbekämpfung?
§ 4 I 2 TierSchG spricht von zulässigen Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen. Diese können ihre Legitimation in zahlreichen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder finden. Die für die den Durchschnittsbürger wichtigsten dürften die teilweise von den Landesregierungen erlassenen Rechtsverordnungen über die Schädlingsbekämpfung sein. Ihre Basis finden diese Verordnungen in § 17 Infektionsschutzgesetz. Dessen Vorgängernorm, der § 13 des früheren Bundesseuchengesetzes hatte in seinem Abs. 4 alle Tiere als tierische Schädlinge definiert, "durch die nach Art, Lebensweise oder Verbreitung Krankheitserreger auf den Menschen übertragen werden können, soweit die Tiere nicht vom Tierseuchenrecht erfaßt sind".
Es geht hier also um Gesundheitsschutz. Daher sind tierische Schädlinge regelmäßig vom sog. Raubzeug zu unterscheiden, das dem Jagdrecht i.w.S. unterliegt.
(Wo derartige Landesverordnungen existieren, müßten diese in den örtlichen Gesundheitsämtern bekannt sein.)
Ein Beispiel: Die Schädlingsbekämpfungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt erklärt in ihrem § 1 I neben diversen Gliederfüßern auch folgende Wirbeltierarten zu tierischen Schädlingen: die Wanderratte, die Hausratte, die Hausmaus und die verwilderte Haustaube.
Sodann wird in § 1 II ein Befall mit Schädlingen als "mehrfaches und nicht nur vorübergehend gehäuftes Auftreten" definiert.
§ 2 I der Verordnung enthält die in unserem Zusammenhang wichtigste Bestimmung: "Eigentümer, Nutzungsberechtigte und sonstige Besitzer von Grundstücken, Wohn- und Gewerberäumen, Schiffen und anderen Transportmitteln [...] sind zur Feststellung und Bekämpfung eines Befalls im Sinne des § 1 Abs. 2 verpflichtet. Sie haben ihn unverzüglich bei der zuständigen Behörde anzuzeigen […]".
Somit wird die Schädlingsbekämpfung bei Vorliegen eines Befalls nicht etwa nur gestattet, sondern sie muß durchgeführt werden. Daraus läßt sich wiederum schließen, daß die Bekämpfung der in § 1 I genannten Schädlinge durch die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten von Grundstücken, Wohn- und Gewerberäumen auch dann erlaubt ist, wenn noch kein Befall vorliegt. Denn die frühzeitige Bekämpfung dieser Tiere dient ja gerade dazu, ihre weitere Ansammlung – also den Befall – zu verhindern, damit den von ihnen verstärkt ausgehenden Gefahren für die Volksgesundheit vorzubeugen und so die in der Verordnung weiters genannten öffentlichen Großmaßnahmen gar nicht erst erforderlich werden zu lassen.
Diese Rechtsauffassung korrespondiert auch mit § 17 II 2 IfSG, wonach die Bekämpfung "Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen" umfaßt. Analog muß der einzelne Bürger ebenfalls nicht abwarten, bis sich Schädlinge soweit vermehrt haben, daß eine Gesundheitsgefahr größeren Ausmaßes besteht.
Die sachsen-anhaltische Verordnung macht darüber hinaus keine Vorgaben über die Mittel und Methoden, die zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden dürfen.
4. Wie darf/soll ein Schädling getötet werden?
Wenn also Schädlinge aufgetreten sind und diese insbesondere nach landesrechtlichen Vorschriften bekämpft werden dürfen, tritt wieder § 4 I TierSchG auf den Plan, um das Wie zu klären. Insbesondere sein Satz 2: "Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften zulässig oder erfolgt sie im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen."
Da in Sachsen-Anhalt (um bei diesem Beispiel zu bleiben) keine spezialgesetzlichen Vorschriften über die Durchführung der Tötung der genannten Schädlinge vorliegen, ist auf die Generalklausel des § 4 I 2 TierSchG zurückzugreifen. Es sind nunmehr "alle denkbaren Tötungsmethoden daraufhin zu überprüfen, welche keine oder doch die geringsten Schmerzen bereitet" (Lorz/Metzger: Tierschutzgesetz, 5. Aufl., München 1999, S. 185).
Das heißt tierschutzrechtlich ist von vornherein keine spezifische Tötungsmethode vorgegeben oder ausgeschlossen, es ist vielmehr im konkreten Fall die Methode zu wählen, welche dem Tier die wenigsten Schmerzen bereitet. Insofern muß also eine Abwägung zwischen den verschiedenen, dem Einzelnen zu Gebote stehenden Methoden vorgenommen werden.
Durch dieses Erfordernis der Schmerzvermeidung werden aber eventuelle Verbote, die sich aus anderen Gesetzen ergeben, nicht aufgehoben oder eingeschränkt! So ist z.B. durch § 12 IV 1 WaffG das Schießen außerhalb von Schießstätten ohne besondere Genehmigung untersagt; Satz 2 Nr. 1 lit. a) enthält wiederum eine begrenzte Ausnahme von diesem Verbot bezüglich des Schießens mit Druckluftwaffen.
Es ist ferner durchaus möglich, daß in den Bestimmungen einzelner Länder bestimmte Mittel und Methoden für die Schädlingsbekämpfung vorgeschrieben oder verboten sind.
Noch einmal: Wohlbefinden und Schmerzvermeidung, nicht genereller Lebensschutz des Wirbeltieres, sind die grundlegenden Prinzipien des § 4 I TierSchG. Und Schmerzvermeidung dürfte in der Praxis meist gleichbedeutend sein mit einem schnellen Tod, bei dem sich das Tier möglichst wenig quälen muß.
Von den konsultierten Kommentatoren des Tierschutzgesetzes äußert sich allerdings keiner konkret zu der hier in Rede stehenden Schädlingsbekämpfung im Wohnbereich durch Privatpersonen. (Dem Verf. ist auch keine Rechtssprechung dazu bekannt.) Auch werden – mit einer Ausnahme – die dazu möglichen Mittel und Methoden nicht diskutiert. Diese Ausnahme sollte allerdings einigen zu denken geben, denn Lorz/Metzger (a.a.O., S. 123) hält wegen der damit verbundenen Schmerzen die Vergiftung von tierischen Schädlingen für ein in der Regel tierschutzwidriges Mittel.
5. Braucht man einen besonderen Sachkundenachweis?
Bleibt noch die Bestimmung von § 4 I 3 TierSchG: "Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat."
Damit wird gefordert, daß die bei der konkreten Tiertötung mitwirkenden Personen die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen sollen. Das kann z.B. bei der Jagd der Jagdschein oder beim Angeln der Fischereischein sein (sofern diese Spezialfälle vorliegen). § 4 I 3 TierSchG verlangt aber – im Gegensatz zu seinem Abs. 1a (berufs- und gewerbsmäßige Tötung von Tieren) sowie den Jagd- und Fischereigesetzen – keinen förmlichen Nachweis dieser Kenntnisse und Fähigkeiten.
Selbige sind vom Gesetzgeber im Tierschutzgesetz auch nicht weiter konkretisiert worden. Weiters hat die Bundesregierung von der in § 4b S. 1 lit. e) TierSchG enthaltenen Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung über einen Sachkundenachweis für die nichtgewerbliche Tötung von Wirbeltieren (zumindest bisher) keinen Gebrauch gemacht. Deshalb erscheint es kaum vorstellbar, "dass zB in einem OWiG-Verfahren einem Täter in rechtsstaatlich bedenkenfreier Weise nachgewiesen werden könnte, er habe schuldhaft ohne die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Tier getötet" (Kluge: Tierschutzgesetz, 1. Aufl., Stuttgart 2002, S. 168).
6. Keine Tierquälerei!
Damit diese Ausführungen nicht als Aufforderung zur Tierquälerei oder zum wilden "Killen" von Tieren, auch wenn sie als Schädlinge eingestuft sind, mißverstanden werden, abschließend noch einige Hinweise und Warnungen.
Die oben unter 3. behandelte Befugnis (bzw. Pflicht) zur Schädlingsbekämpfung erstreckt sich nur auf den eigenen Wohnbereich (einschließlich Gewerberäumen). Das Töten von z.B. Ratten auf der Straße, auf freiem Feld oder im Garten des Nachbarn ist davon nicht gedeckt!
Gemäß § 17 TierSchG macht sich des weiteren strafbar, wer vorsätzlich ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Schädlingsbekämpfung ist also keine Ausrede dafür, um an Tieren irgendwelche Gewaltphantasien (s.o. unter 2.) auszuleben!
Ferner handelt laut § 18 I Nr. 5 TierSchG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Wirbeltier entgegen § 4 I TierSchG tötet. Hier geht es um das notwendige Erfüllen der in § 4 I normierten Anforderungen für die Durchführung einer Tiertötung. Eine derartige Ordnungswidrigkeit liegt z.B. vor, wenn ein Schädling mittels einer Methode getötet wird, die dem Tier mehr Schmerzen bereitet als eine andere, schmerzärmere Methode, deren Anwendung ebenfalls möglich gewesen wäre.
7. Schlußbemerkung
Ich hoffe, daß durch diese kurze Abhandlung etwas Licht in die zahlreichen Meinungen, die zum Komplex private Schädlingsbekämpfung und Tierschutzgesetz kursieren, gebracht werden konnte. Insbesondere ging es darum, endlich einmal in (hoffentlich) allgemeinverständlicher Weise die Rechtslage darzulegen, denn viele weithin akzeptierte Auffassungen zu diesem Thema stimmen nur wenig mit dem geltenden Recht überein.
Im übrigen werden sachliche Bemerkungen der Leser vom Verf. gern entgegengenommen.
Verwandte Beiträge:
Das besondere Jagdausübungsrecht eines Hausbesitzers
Donnerstag, 7. August 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
4 Kommentare:
Klasse Artikel! Danke für die tolle Arbeit. Leider habe ich diesen Artikel viel zu spät entdeckt, aber wie sagt man so schön: "Besser spät, als nie!".
Dem schliesse ich mich an, sehr interessanter Artikel, vielen Dank!
Eine schöne Zusammenfassung / Übersicht der geltenden Gesetze. Sachlich und klar.
Danke!
Angesichts der Fülle an Regelungen stellt sich mir die Frage, wass man in diesem Land überhaupt noch darf. Ggf. verstösst ja bereits das Atmen gegen bestehende Emmissionsgesetze?
Kommentar veröffentlichen