Samstag, 19. Februar 2011

Spetsnaz XII: KGB-Truppen in der DDR

Vor kurzem bin ich während eines Besuchs im Deutsch-russischen Museum Karlshorst auf zwei dort ausgestellte Urkunden aufmerksam geworden, die nicht recht in das Gesamtbild der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) passen. Mit der Urkunde Nr. 1 wurde ein Soldat belobigt, wobei darauf das Konterfei von Feliks Dzierżyński, dem Gründer der sowjetischen Tscheka, abgebildet ist. Urkunde Nr. 2 war für den Sieger in einem Sportwettkampf – allerdings prangt darauf nicht das Wappen des Armeesportklubs, sondern der Sportorganisation Dynamo, in der vor allem Angehörige der anderen Sicherheitsbehörden organisiert waren. Beide Urkunden waren im Truppenteil mit der Feldpostnummer (w/tsch p/p) 70803 ausgestellt worden. Eine daran anknüpfende Recherche ergab, daß es sich dabei um das 105. Regiment des KGB gehandelt hat (dazu unten ausführlich).

Dieses Regiment war nicht die einzige in der DDR stationierte sowjetische Militäreinheit, welche nicht dem Verteidigungsministerium, sondern dem Komitee für Staatssicherheit (KGB) unterstand. Da selbige Truppenteile kaum bekannt waren (und es bis heute sind), sollen sie nachfolgend kurz vorgestellt werden – auch wenn es sich um eine rein historische Darstellung handelt. Die Strukturen der sowjetischen Sicherheits- und Nachrichtendienste in Ostdeutschland werden hierbei nur am Rande gestreift.


Kontrollpunkt eines Postens der NKWD-Truppen an der „Straße des Lebens“ (nahe Leningrad, ca. 1942/43).


Truppen des NKWD/MWD in der SBZ und frühen DDR

Während der Frühjahrsoffensive der Roten Armee 1945 kamen auch Einheiten der Truppen des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten der UdSSR (russ.: Wojsk NKWD SSSR) nach Deutschland. Bei den Oberbefehlshabern der Fronten waren Stäbe für die Sicherung des Hinterlandes gebildet worden, die mit Personal aus dem NKWD besetzt waren und denen die NKWD-Einheiten unterstanden. Deren Aufgaben waren insbesondere die Bewachung deutscher Kriegsgefangener, die Zerschlagung noch intakter deutscher Militäreinheiten, die sich bisher der Roten Armee entzogen hatten, die Bekämpfung zurückgebliebener Aufklärungs- und Diversionskräfte (Stichwort: Werwolf) und das Vorgehen gegen Plünderer und Marodeure (insbesondere aus den eigenen Reihen). Kurzum: Sie sollten für Ruhe und Ordnung im Rücken der sowjetischen Front sorgen und ein Aufflammen des von der NS-Propaganda angekündigten Partisanenkrieges verhindern.

Bei Kriegsende im Mai 1945 waren vier verschiedene Sicherheitsbehörden der UdSSR im besetzten Deutschland angekommen. Erstens die militärische Spionageabwehr Smersch, die es doppelt gab – einmal in der Roten Armee und einmal in der Seekriegsflotte. (Smersch existierte von 1943 bis 1946 war während der Sowjetzeit die einzige Abwehrorganisation, die innerhalb der Streitkräfte arbeitete und dabei nicht einer Behörde außerhalb des Militärs unterstand.) Drittens das Volkskommissariat für Staatssicherheit (NKGB), ab 1946 Ministerium (MGB). Dieses war 1943 (wieder-)gegründet worden und umfaßte die zivile Spionageabwehr, die politische Auslandsaufklärung und weitere polizeiliche und nachrichtendienstliche Funktionen. Viertens das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD), ab 1946 ebenfalls Ministerium (MWD). Hinzu kam später noch die Abteilung Inneres der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), welche für den Aufbau und die Kontrolle der deutschen Verwaltungsbehörden einschließlich der Polizei verantwortlich war.


Berlin-Karlshorst, 8. Mai 1945: Soldaten des 105. Grenzregiments sichern das Gelände der Wehrmachtspionierschule, in dem die Kapitulation der deutschen Streitkräfte unterzeichnet wird.


Das NKWD/MWD war in der Sowjetunion zu dieser Zeit ein „Gemischtwarenladen“, dem verschiedenste Behörden unterstanden: Die allgemeine Schutz-, Verkehrs- und Kriminalpolizei (Miliz), der Grenzschutz, die Inneren Truppen (eine Art Bereitschaftspolizei), die Straflager (GULag), die Kriegsgefangenenlager (GUPWI), die Feuerwehr, der Luftschutz (MPWO), das Paß- und Meldewesen, die Standesämter u.a. Somit ist es unzutreffend, vom NKWD ausschließlich als einer „Geheimpolizei“ zu sprechen, zumal dieses Tätigkeitsfeld 1943 in das NKGB ausgelagert worden war. Der stellvertretende Volkskommissar für innere Angelegenheiten Iwan Serow war in den Jahren 1945/46 die maßgebliche Figur im sowjetischen Sicherheitsapparat in Deutschland. Ihm unterstanden (in diversen Funktionen) sämtliche der genannten Behörden.

Von den genannten Sicherheitsbehörden verfügte nur das NKWD über einen militärischen Zweig in Gestalt der Grenz- und Inneren Truppen. Mithin wurden personalintensive Sicherheitsaufgaben in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) diesen Einheiten übertragen. Im Frühjahr 1945 waren dies noch die o.g. Aufgaben, hinzu kam noch der allgemeine Polizeidienst, da die deutschen Sicherheitsstrukturen aufgehört hatten, zu existieren. Des weiteren oblag ihnen die Überwachung der Demarkationslinien zwischen den Besatzungszonen (einschließlich der neuen deutschen Ostgrenze) sowie die Bewachung von Internierten, die gem. Besatzungsrecht in den Speziallagern untergebracht wurden*.


Rekonstruktion der Uniform eines Offiziers der Grenztruppen (1943/45). Man beachte die charakteristische grüne Mütze.


In den Jahren 1946/47 erfolgte nach der Abberufung Serows eine Diversifizierung der sowjetischen Sicherheitsorgane in der SBZ. Die militärische Gegenspionage Smersch wurde aufgelöst und in das Ministerium für Staatssicherheit integriert. Das MWD verlor die meisten Kompetenzen in der SBZ; seine polizeilich-nachrichtendienstlichen Strukturen, die zeitweise parallel zu denen des MGB existiert hatten (inkl. Gefängnissen) wurden aufgelöst bzw. in das MGB überführt. Der große Gewinner dieser Reorganisation war also das MGB.
Dem MWD verblieben die Lager sowie einige Aufsichtskompetenzen sowie die besagten Truppenteile, die nunmehr alle zu den Inneren Truppen gezählt werden. Ende 1946 befanden sich 7 Regimenter des MWD (ca. 8.000 Mann) in der SBZ; 1947 waren es nur noch ca. 5.500 Mann. Diese Reduzierung hängt auch mit dem Aufbau deutscher Polizeikräfte zusammen, die viele der bisher den MWD-Truppen obliegenden Aufgaben übernahmen. Formell gehörten letztere zwar noch zum Innenministerium, operativ unterstanden sie in der SBZ jedoch ausschließlich Dienststellen des MGB. Versorgt wurden sie über die Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen (GSBT), also über das Verteidigungsministerium.


Die erste Fahne des 105. Grenzregiments.


Zwischen 1945 und 1957 waren verschiedene Einheiten der Truppen des NKWD/MWD/MGB in Ostdeutschland stationiert. Am 01.07.1945 gab es noch 11 Grenzregimenter, bis zum 01.01.1947 hatte sich diese Zahl auf 5 reduziert. Zu Beginn der 1950er Jahre waren es wieder mehr geworden (1953: 10 Schützenregimenter der Inneren Truppen). Am 15.06.1956 unterstanden der Verwaltung der Inneren Truppen des MWD in der DDR noch 5 Schützenregimenter, 1 selbständiges Mot. Schützenbataillon, 1 Ausbildungsregiment, 1 Fernmeldebataillon, 1 Musikkorps sowie kleinere Unterstützungseinheiten. Ein Jahr später wurde diese Verwaltung aufgelöst; die unterstellten Einheiten verlegten zumeist wieder in die Sowjetunion oder wurden ebenfalls aufgelöst.

Da die Inneren Truppen faktisch die Exekutivorgane des MGB-Apparates waren, wurden sie entsprechend ihrer o.g. Aufgaben sehr dezentral eingesetzt. Beispielsweise gehörten im Jahre 1947 zwanzig MWD-Soldaten zur MGB-Operativgruppe Neuruppin; im übrigen bestand diese Gruppe, die für einen Kreis zuständig war, aus 8 operativen MGB-Offizieren, 8 Dolmetschern sowie weiterem Hilfspersonal.


Soldaten und Offiziere des 105. Regiments während eines Ausflugs in den Potsdamer Parks (1967).


Die soeben gemachten Ausführungen vermitteln nur einen groben Überblick über die Entwicklung des sowjetischen Sicherheitsapparates in der SBZ bzw. DDR. Zur Vertiefung sei u.a. auf die Texte von Foitzik, Kozlov und Petrov verwiesen. Innerhalb der UdSSR folgten bis zum Ende der 1950er Jahre verschiedene Reorganisationen, die sich insbesondere in den Namen und der Zuordnung der hier behandelten Militäreinheiten niederschlugen. So wurde 1953 nach Stalins Tod das MGB aufgelöst und wieder in das MWD integriert. Ein Jahr später wurde dieser Schritt wieder rückgängig gemacht, nachdem der früher fast allmächtige Sicherheitschef Lawrentij Berija hingerichtet worden war. Im Jahr 1954 erfolgte die Gründung des Komitees für Staatssicherheit (KGB) als De-facto-Ministerium. Die Inneren Truppen waren seit 1947 dem MGB unterstellt, bevor sie wieder in den Geschäftsbereich des MWD zurückkehrten.

Bis Mitte der 1950er Jahre wurde der Umfang des sowjetischen Sicherheitsapparates in der DDR immer weiter reduziert und die ihm obliegenden Aufgaben an ostdeutsche Dienststellen übertragen. Infolgedessen haben fast alle hier dislozierten Truppenteile des MWD/MGB die DDR verlassen. Im folgenden soll es um jene gehen, die auch danach noch in Ostdeutschland stationiert waren.


Eine Funkstation der Nachrichtenkompanie des 105. Rgt. in den frühen Jahren.


Das 105. Regiment

Aufgestellt wurde das 105. Grenz-Regiment der Truppen des NKWD am 26. Januar 1942 im belagerten Leningrad. Seine Hauptaufgabe bestand in der Sicherung der im Winter 1941/42 eingerichteten „Straße des Lebens“, über die die nahezu vollständig eingeschlossene Stadt versorgt wurde. Ferner wurden – wie in vielen Einheiten des NKWD, die nicht unmittelbar an der Front eingesetzt waren, üblich – Scharfschützengruppen aufgestellt, die temporär verschiedenen Verbänden der Roten Armee unterstellt waren und mit ihnen gemeinsam kämpften**. Im Verlauf des Krieges sollen die Scharfschützen des 105. Regiments insgesamt 6957 gegnerische Soldaten getötet haben.

Im Sommer 1942 verlegte das Regiment an die Wolchow-Front; 1944 kam es im Zuge des Vormarsches der 3. Baltischen Front während der Rigaer Operation nach Pskow und Riga. Dort war das unmittelbare Hinterland der sowjetischen Truppen zu sichern. Im Sommer 1944 wurde das 105. Grenzregiment nach Weißrußland in den Raum Grodno befohlen. In dieser Region galt es vor allem, die tausenden deutschen Soldaten, die infolge der Operation Bagration nunmehr weit hinter der Frontlinie zurückgeblieben waren, „einzusammeln“ und in Kriegsgefangenenlager zu verbringen. Außerdem waren vor dem Rückzug der Wehrmacht sowohl in der Ukraine als auch in Belorußland zahlreiche Agenten deutscher Nachrichtendienste zurückgelassen worden, die ausfindig gemacht werden sollten.



Im März 1945 wurde das Regiment der auf Berlin marschierenden 1. Belorussischen Front von Marschall Shukow unterstellt. Hier bestanden die Aufgaben wieder in der Eskortierung deutscher Kriegsgefangener und der allgemeinen Sicherung des Hinterlandes, etwa durch die Bewachung von Brücken und Kraftwerken. Ende April 1945 verlegte das 105. Grenzregiment im Eilmarsch in den Raum Berlin; Anfang Mai befand sich der Regimentsstab in Friedrichsfelde. Der NKWD-Bevollmächtigte dieser Front, der oben bereits erwähnte Iwan Serow, hatte von Stalin persönlich den Befehl erhalten, nach Hitler und den anderen „Granden“ des Dritten Reiches zu fahnden. Zu diesem Zweck wurden von Serow auch Einheiten des 105. Regiments eingesetzt. Die Soldaten nahmen somit in vorderster Linie an der Erstürmung von Reichstag und Reichskanzlei teil. Ferner bewachten sie das Gelände der Pionierschule in Berlin-Karlshorst während der Unterzeichnung der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945. Dabei ergab es sich, daß der Federhalter des Generalfeldmarschalls Keitel seinen Dienst versagte und ihm der im 105. Grenzregiment dienende Sergeant Bergin einen Kugelschreiber reichen mußte.

Für Verdienste während des Zweiten Weltkrieges hat das 105. Grenzregiment den Rotbannerorden, den Orden des Roten Sterns sowie den Ehrennamen „Rigaer“ erhalten; weiters wurden 4320 seiner Soldaten mit Orden und Medaillen geehrt.


Auf dem Hof der Kfz-Kompanie in Rummelsburg.


Nach der Kapitulation änderten sich die Aufgaben des Regiments, das zu dieser Zeit aus 3 Bataillonen bestand, ein wenig. Seine Soldaten übernahmen allgemeine Polizeifunktionen im Stadtgebiet von Berlin, bewachten und eskortierten Kriegsgefangene und versuchten, den Exzessen ihrer Kameraden Einhalt zu gebieten. Im Frühjahr 1945 wurde dazu das Stadtgebiet Berlins in verschiedene Sektoren eingeteilt, die jeweils einem NKWD-Regiment zugewiesen worden. Die Soldaten des 105. patrouillierten laut einem Befehl vom 17.05. in Lichtenberg, Friedrichsfelde und Karlshorst, im August waren sie dann für Weißensee, Lichtenberg, Pankow und Prenzlauer Berg verantwortlich.

Ab Ende Oktober – Berlin war mittlerweile eine Vier-Sektoren-Stadt geworden – übernahmen Teile des 105. Grenzregiments die Kontrollen zwischen dem sowjetischen Sektor von Groß-Berlin und der SBZ. Ferner wurden Mannschaften zur Unterstützung von Operativgruppen der Smersch gestellt.
1949 hatte sich die Tätigkeit des 105. Schützenregiments der Inneren Truppen schon sehr stark auf die Sicherung sowjetischer Dienststellen in Berlin und dessen Umland konzentriert.
In den folgenden Jahren befanden sich große Teile des Regiments in Berlin-Weißensee, um 1963 nach Karlshorst „zurückzukehren“.


Ausbildung im Gelände.


Bis zum Abzug des 105. Regiments aus dem wiedervereinigten Deutschland wurde es mehrfach umbenannt, wobei lediglich die Ordnungsnummer erhalten blieb. Zunächst 105. Grenzregiment, schon kurz nach Kriegsende 105. Schützenregiment der Inneren Truppen, danach 105. Motorisiertes Schützenregiment der Inneren Truppen, sodann 105. Spezial-Regiment des KGB, später wohl wieder 105. Mot. Schützenregiment des KGB und zum Schluß (seit 1989) 105. Spezial-Abteilung bzw. 105. Grenzabteilung.
Mit der letzten Namensänderung kehrte die Einheit auch formal wieder zu den Grenztruppen zurück. De facto und de jure waren die dort dienenden Soldaten seit 1958 immer „Pogranitschniki“ gewesen, doch waren sie während ihres Aufenthaltes in der DDR als reguläre Soldaten der Sowjetarmee getarnt. Statt der Grenzeruniform wurde die der motorisierten Schützen der Landstreitkräfte getragen, inkl. aller Effekten. Außenstehende wurden lediglich stutzig, als sie bemerkten, daß diese Soldaten nicht den Tag der Sowjetarmee (23. Februar), sondern den Tag des Grenzsoldaten am 28. Mai festlich begingen.

Die Jahre 1957/58 brachten größere Veränderungen für das 105. Regiment. Zum einen wurde im Februar die Verwaltung der Inneren Truppen des MWD in der DDR aufgelöst. Infolgedessen gewann es den Status eines selbständigen Regiments und gehörte nun wieder zu den Grenztruppen der UdSSR. Zweitens wurde die Hauptverwaltung der Grenztruppen aus dem Innenministerium herausgelöst und dem Komitee für Staatssicherheit zugeordnet. Damit war auch das 105. Regiment für seine besonderen Aufgaben in der DDR aufgestellt, denn es war längst kein klassisches Infanterie- oder Polizeiregiment mehr.


Eines der wenigen Fotos, das einen Soldaten des 105. Regiments in der DDR in Grenztruppenuniform ("ПВ") zeigt.


Seine Aufgaben bestanden hauptsächlich im Wach- und Sicherungsdienst. Die in Berlin stationierten Teile bewachten die sowjetische Botschaft (Unter den Linden) inklusive Nebengebäuden. Anfang der 1950er Jahre gehörten dazu 41 Objekte. Ferner mußten die offizielle KGB-Residentur in Karlshorst sowie weitere (mehr oder minder geheime) Objekte des KGB in der gesamten DDR gesichert werden. (Dazu zählte in den 80ern auch Wladimir Putins Büro in Dresden.) Das zweite große Tätigkeitsfeld lag im Süden der DDR und hieß Wismut. Anfang der 50er Jahre hatte dort ein komplettes MWD-Regiment den Uranabbau bewacht (153 Wachobjekte). Nachdem diese Aufgaben sukzessive an DDR-Behörden übergeben worden war, beschränkte sich die Tätigkeit der KGB-Einheiten auf die Begleitung der Transporte von Sachsen bis nach Brest an der polnisch-sowjetischen Grenze.

Nicht nur die Aufgaben, sondern auch die Organisation der Einheit änderten sich im Laufe seiner Geschichte mehrfach. Mitte der 1980er Jahre gliederte sich das 105. Spezialregiment wie folgt:
  • Berlin-Karlshorst: Stab, 4 Wachkompanien, 1 Nachrichtenkompanie, 1 Kommandantendienst-Kompanie, 1 Versorgungskompanie, 1 Chemischer Zug, Unteroffiziersschule, Militärorchester;
  • Schneeberg (Sachsen, früher Bezirk Karl-Marx-Stadt): 20. selbständiges Wachbataillon mit 4 Kompanien für die Begleitung der Urantransporte (Feldpostnr.: 27304; in den Jahren 1954 bis 1957: 11. Grenzregiment mit Standort Karl-Marx-Stadt).
Damit war – neben der Wismut-Bewachung – auch das bis 1957 eigenständige Fernmeldebataillon des MWD in verkleinerter Form im 105. Regiment aufgegangen. Die genannte Fernmeldekompanie des ist jedoch vom weiter unten behandelten 44. Fm-Regiment zu unterscheiden; letzteres hatte ein besonderes Tätigkeitsfeld.


Soldaten des 105. vor dem Hauptgebäude der KGB-Residentur in Karlshorst. Gut zu erkennen sind die Uniformen der Sowjetarmee ("CA").


Das Personal des 105. Regiments bestand großteils aus Wehrpflichtigen, die dort ihren zweijährigen Grundwehrdienst ableisteten. Besonders fähige Wehrpflichtige wurden, wie im sowjetischen Militär üblich, zu Unteroffizieren ausgebildet. Die Offiziere und Berufsunteroffiziere kamen aus den Grenztruppen. Offiziere hatten in der Regel an einer Offiziershochschule der Grenztruppen oder der Sowjetarmee studiert. Letzter Kommandeur im Jahre 1991 war Oberst Morkowkin.
Die Lebensbedingungen im 105. Regiment sollen sich nach Zeitzeugenberichten kaum von denen anderer sowjetischer Einheiten, die in der DDR stationiert waren, unterschieden haben. So hatte man etwa in Schneeberger Kaserne eine Schweinezucht aufgebaut, um so Versorgungsengpässen beizukommen. Trotz ihrer besonderen Aufgaben und dem elitären Titel einer Einheit „spezieller Bestimmung“ waren die Soldaten des 105. kaum privilegiert.

Nach der deutschen Wiedervereinigung begann 1991 – nach 46 Jahren ununterbrochener Präsenz in Deutschland – der Abzug der 105. Grenzabteilung. Am 28.04.1992 verließen die letzten Soldaten Berlin, wo sie bis zum Schluß Wachdienst in der nunmehr rußländischen Botschaft geleistet hatten. Die Abteilung kam in die Ukraine und wurde, unter Beibehaltung ihres Namens, in den neuformierten ukrainischen Grenzschutz aufgenommen. Erster Standort war des Gebiet Lwiw (dt.: Lemberg), später verlegte sie nach Tschernihiw (russ.: Tschernigow). Dort befindet sich heute auch das Museum der Einheit.

Nebenbei: Das 105. Regiment ist nicht mit der sowjetischen Berlinbrigade zu verwechseln, welche gleichfalls in Karlshorst, allerdings in einer anderen Kaserne, stationiert war. Diese war ein regulärer Verband der Sowjetarmee. Ihre korrekte Bezeichnung lautete 6. Selbständige Garde Mot. Schützenbrigade (Feldpostnummer 64944) und sie bestand aus 3 Panzer- und 3 Mot. Schützenbataillonen sowie Unterstützungseinheiten.


Ein Funker im Gelände.


Das 10. Wachbataillon

Seit 1946 oblag die Spionageabwehr in den sowjetischen Streitkräften nach Auflösung von Smersch (wieder) dem Ministerium für Staatssicherheit, ab 1954 dem KGB. Konkret zuständig war dessen Dritte Hauptverwaltung. Diese bildete innerhalb der Militärbehörden und bei den Stäben der Großverbände sog. Sonderabteilungen, welche die konkrete Abwehrarbeit vor Ort leisteten. Das war auch bei den in der DDR stationierten Truppen der GSSD/WGT der Fall.

Die Verwaltung der Sonderabteilungen (UOO) bei der GSSD befand sich in Potsdam, temporär möglicherweise auch in Karlshorst. Die 3. HV des KGB lehnte sich an die Militärstrukturen an und hatte somit auch eine eigene, von anderen Diensteinheiten des Komitees unabhängige Führungs- und Kommunikationsstruktur. Neben der Zentrale existierten noch 7 Sonderabteilungen in den sechs Armeen der Landstreitkräfte und der 16. Luftarmee.

Der Potsdamer UOO unterstand unmittelbar das 10. Selbständige Wachbataillon, ebenfalls in Potsdam stationiert, welches die Feldpostnummer 74487 führte. Über die Zusammensetzung der Einheit und die konkreten Aufgaben liegen nahezu keine Informationen vor. Neben der – logischen – Sicherung der Dienstobjekte der Sonderabteilungen erscheint manches denkbar, was jedoch nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Verf. nicht belegt ist und kaum über den Status von Gerüchten hinausgeht.


Gemeinsame Ausbildung von SPW-Besatzungen der Kfz-Kompanie und Soldaten einer Wachkompanie des 105. Rgt. nahe Berlin.


Das 44. Fernmelderegiment

In der Sowjetunion existierte ein vom öffentlichen Telefonnetz unabhängiges Leitungsnetz, an das nur wichtige Dienststellen von Partei, Regierung, Militär und Sicherheitsdiensten angeschlossen waren. Zusätzlich konnten Telefongespräche über dieses Netz mit dem System „WTsch“ u.ä. verschlüsselt werden (zu den technischen Aspekten und Begrifflichkeiten vgl. hier). Einrichtung, Wartung und Betrieb dieses Netzes der Regierungsfernmeldeverbindungen oblag zunächst dem NKWD/MWD, dann nach 1954 dem KGB. Dort war konkret die Abteilung „S“, welche ab 1959 Abteilung für Regierungsverbindungen hieß, zuständig. 1969 wurde diese Abteilung zur Verwaltung aufgewertet. (Bisweilen wird für dieses Tätigkeitsfeld in der Literatur auch der Begriff Spezialnachrichtenverbindungen verwendet. In der RF ist heute der FSO dafür zuständig.)

Ihr waren für den technischen Teil ihrer Aufgabe die Truppen der Regierungsverbindungen unterstellt. Im Jahre 1960 umfaßte diese Truppen in der UdSSR 15 Fernmelderegimenter; weitere 8 Bataillone, 6 Kompanien und 3 Knotenpunkte waren im Ausland disloziert. In den folgenden Jahren wurde die Zahl dieser Truppen von ca. 13.000 auf knapp 4.200 Mann reduziert, die sich auf 4 selbständige Fernmelderegimenter verteilten: das 3. Regiment in Baku, das 29. im Kaukasus, das 35. in der Ukraine und das 44. in der DDR, das nachfolgend im Fokus steht. (Notabene: Dies ist keineswegs der gesamte Personalbestand der Abteilung/Verwaltung für Regierungsverbindungen, sondern nur der ihres militärischen Zweiges, also der „Kabelaffen“ und „Strippenzieher“.)


Scharfschütze mit SWD Dragunow.


Über die Geschichte des 44. Regiments für Regierungsverbindungen des KGB ist kaum etwas bekannt. In einer Liste von NKWD-Einheiten aus dem Jahre 1943 ist es nicht verzeichnet. Für das Jahr 1952 wird ein 11. Fernmelderegiment des MWD in der DDR genannt. Derartige Fernmeldekräfte waren bereits seit 1945 in der SBZ anwesend, um ein gesichertes Kommunikationsnetz für wichtige Dienststellen der Besatzungsbehörden und -truppen aufzubauen. Schließlich folgten sie bereits während der Kämpfe des Zweiten Weltkrieges stets der Front, um die höheren Stäbe miteinander und mit dem Hinterland zu verbinden.
Der Stab des 44. Regiments hat sich in Wittenberg befunden; dort soll ebenfalls das unterstellte 107. Bataillon für Regierungsverbindungen stationiert gewesen sein. Die Informationen über die innere Organisation und die konkreten Aufgaben des Regiments sind leider sehr spärlich. Anno 1960 waren in der DDR 3 Bataillone für Regierungsverbindungen stationiert; möglicherweise ist diese Zahl auch später konstant geblieben.

Die Feldpostnummer des 44. Regiments lautete 34008. Sein Personal dürfte im Kern ebenfalls aus Wehrpflichtigen bestanden haben. Desgleichen darf davon ausgegangen werden, daß die Einheiten des Regiments nach außen als reguläre Fernmeldetruppe der Sowjetarmee abgetarnt waren. Möglicherweise war nicht einmal den einfachen Soldaten bekannt, daß ihre Einheit dem Komitee für Staatssicherheit und nicht dem Verteidigungsministerium unterstellt war. (Diese Annahme könnte ebenfalls für das o.g. 10. Wachbataillon zutreffen, das wohl ohnehin vornehmlich in Objekten der Sowjetarmee zum Einsatz gekommen ist.)


ABC-Ausbildung.


Neben dem 44. Regiment gab es noch den 56. Selbständigen Knotenpunkt der Regierungsverbindungen in Cottbus-Dissenchen. Dieser führte die Feldpostnummer 11465.
Im übrigen waren auch ostdeutsche Dienststellen, namentlich des MfS, in den Betrieb des WTsch-Netzes eingebunden. An selbiges waren natürlich auch die Partei- und Staatsführung der DDR sowie Führungsorgane der NVA angeschlossen.


Der Musikzug des 105. Regiments.


Hoffentlich konnte dieser Artikel einige interessante Einsichten vermitteln, obwohl es sich um ein rein historisches Thema handelt, das nur bedingt etwas mit den Sicherheitsbehörden des heutigen Rußlands zu tun hat, die das eigentliche Thema der Speznas-Reihe sind.


Zeremonie im 105. Spezialregiment des KGB mit der dritten Regimentsfahne (1970er oder 80er Jahre).


Anmerkungen

* Vgl. hierzu ausführlich S. Mironenko / L. Niethammer / A. v. Plato (Hrsg.): Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950, 2 Bde., Berlin 1998, sowie ergänzend A. Hilger / U. Schmidt / G. Wagenlehner (Hrsg.): Sowjetische Militärtribunale, 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 2001/2003.

** Vgl. zum Thema Scharfschützen auch Iwanow et.al., S. 181 ff.




Funkstationen der Fernmeldekompanie des 105. Regiments werden entfaltet.



Bibliographie

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Bailey, G. / Kondraschow, S. / Murphy, D.: Die unsichtbare Front - Der Krieg der Geheimdienste im geteilten Berlin, Berlin 2000.

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Foitzik, J.: Organisationseinheiten und Kompetenzstruktur der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, in: Mironenko / Niethammer / v. Plato (Hrsg.): Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950, Bd. 1, Berlin 1998, S. 117 ff.

Iwanow, I. et.al.: Geschichte der Grenztruppen der UdSSR, Berlin 1988.

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Slushiwschie w 105-m. Musej, www.pogranec.ru.

Soedinenija i tschasti Gruppogo podtschinenija, www.gsvg.ru.

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Der Weg des 105. Regiments: Von Leningrad über Berlin in die Ukraine.


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Fotos: www.pogranec.ru, rkka.ru, www.off-road-drive.ru.
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