Phoenix, der "Dokumentationskanal" von ARD und ZDF, hat sich heute nachmittag eine Fauxpas geleistet, der aufmerksame Zuschauer aufhören ließ. Ein interviewter Auslandskorrespondent sagte hinsichtlich der widersprüchlichen Berichte aus Syrien, diese seien überaus schwer zu verifizieren. Aha, so dachte ich, ein leiser Anflug von Realitätssinn? Doch die Erwartung wurde enttäuscht, das deutsche Staatsfernsehen bleibt weiter in seinen eingefahrenen Propagandagleisen. Denn der wackere Reporter setzte nach, daß es im Falle Syriens angeblich keine Erkenntnisprobleme gebe. Ja was denn nun? Ebenso läßt seine Behauptung, die Beobachtermission der Arabischen Liga sei erfolglos gewesen, daran zweifeln, ob er den interessanten Bericht der Beobachter je gelesen hat.
Während die Zuschauer ausländischer Kanäle auch von Journalisten, die aus Syrien von beiden Seiten der Front berichten, informiert werden, bleiben die deutschen Kanäle bei ihrer gewohnten Einseitigkeit. Assad greife sein eigenes Volk an (und nicht etwa bewaffnete Rebellen), er sei sogar für die beiden Bombenanschläge heute in Aleppo verantwortlich. Die Gewalt gehe natürlich nur vom "Regime" aus, nicht von Terroristen (die es laut Phoenix gar nicht gibt). Ergo muß man auch nicht - wie von Rußland und China im Sicherheitsrat getan - ein Ende der von zwei Parteien ausgehenden Gewalt fordern, sondern kann einseitig Partei ergreifen.
Damit ist der Ansatz der Damaskus-Reise von Außenminister Lawrow am 07.02. konterkariert: die Rebellen wollen kein Ende der Gewalt und keine Verhandlungen und zahlreiche Staaten - darunter die USA und Deutschland - bestärken sie darin. Das Auswärtige Amt spricht nur davon, "dass diese Gewalt und diese Repression [des Regimes Assad] ein Ende haben müssen". Von einem Ende der Rebellengewalt ist keine Rede.
Und dann besitzt die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die Unverfrorenheit zu fordern, "Russland müsse der 'Realität' ins Auge sehen und erkennen, was in Syrien vor sich gehe". Die Frau glaubt wohl tatsächlich an ihre eigene Propaganda. Oh Gott, von wem werden wir bloß regiert!
Natürlich wird in den hiesigen Medien nicht darüber spekuliert, warum der Bürgerkrieg in Syrien jetzt so hochkocht. Könnte es dafür vielleicht geopolitische Gründe geben (Schwächung des Iran)? Sind vielleicht sogar schon ausländische Militärkräfte ins Land eingesickert? In Deutschland ist dergleichen keiner Erörterung wert, wir beschränken uns auf das Aufführen von Rührstücken und fordern die Absetzung von Assad. Die simple Erkenntnis, daß zu einem bewaffneten Konflikt zwei Seiten gehören, erschließt sich unseren "freien" und "unabhängigen" Journalisten nicht (worin sie sich mit unseren Politikern einig sind). Wenn wir dafür unsere Rundfunksteuern bezahlen, hätten wir uns die Revolution der Jahre 1989/90 sparen können. Schlechter und unwahrhaftiger war die Aktuelle Kamera auch nicht. Eigentlich müßte man die Zahlung der GEZ-Abgabe verweigern und das Geld ausländischen Sendern überweisen.
Abschließend eine Diskussionsrunde, die es so hierzulande wohl kaum geben würde:
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