Mittwoch, 1. Februar 2012

Waffenrecht in der Gefühlsdiktatur

Der Journalist Jan Fleischhauer hat vor einigen Jahren ein Buch mit dem Titel „Unter Linken“ vorgelegt. Darin rechnet er, der nach eigenem Bekunden sein halbes Leben links war und dann „aus Versehen“ konservativ wurde, mit dem linken Milieu ab. Besonders interessant wird das Buch für „Ossis“ wie mich, weil der Fokus auf den westdeutschen Linken liegt, namentlich den Kreisen, die sich heute im Umfeld der SPD und der Grünen tummeln.

Fleischhauer beschreibt, wie sich in den 1980er Jahren eine deutliche Veränderung in diesem Milieu vollzogen hat. Mußte man zuvor, um als echter Linker zu gelten, noch Bildungsanstrengungen unternehmen, indem etwa die Schriften von Marx, Engels, Trotzki oder anderen Theoretikern durchgearbeitet wurden, kam in den 80ern die Gefühlslinke auf. Man begab sich nun auf die Suche nach dem Ich, die Psychologie kam groß in Mode, an die Stelle des „Kaderwelsch“ der ML-Typen oder die gestelzte Soziologensprache der „68er“ trat blumige Betroffenheitslyrik. Dies konnte nicht ohne Rückwirkungen auf die politische Kultur bleiben. Fleischhauer schreibt:
"[…]

Neben die gesellschaftliche Realität trat die gefühlte Wirklichkeit: Unter Menschen, „die mit dem Herzen denken“ (Konstantin Wecker), bedarf es nicht länger der mühsamen Auseinandersetzung mit Argumenten, um sich über die Wichtigkeit ihres Vorhabens zu verständigen, nun reichte es schon, daß man sich mitbetroffen oder jedenfalls in irgendeiner Weise involviert fühlte, damit ein Problem als politisch bedeutsam anerkannt war. […]

Tränen als Bedeutungsbeweis, das ist eine diskurspolitische Innovation, die erst einmal verarbeitet sein will. Je freier die Träne fließt, desto wichtiger die Sache: Für die Gefühlsdemokratie bedarf es eines ganz anderen Ensembles von Eigenschaften, über die ein Politiker verfügen muß. Die Grünen sind hier herkunftsbedingt im Vorteil, die Konservativen tun sich bei diesem romantischen Rückfall eher schwer. Abstand und kühle Sachlichkeit gelten mit einem Mal als Handicap im politischen Geschäft, Distanz zur anstehenden Aufgabe wird als Distanzierung verstanden, Disziplin und Entschlossenheit […] sind plötzlich Ausdruck bedenklicher Rohheit und Gefühlsarmut. Was zählt, ist die gekonnte Darstellung von Mitgefühl, der sanfte Verständniston, die emphatische Umarmung aller guten Menschen und Anliegen, unabhängig davon, wie ernst es einem damit ist. Hauptsache, man wirkt „gefühlvoll“ […]

Mit der neuen Eigentlichkeit entwickelte sich ein Gefühlsjargon, dessen Schlacke die politische Sprache bis heute mitschleppt. „Problem“ wird zu einem Schlüsselbegriff, man begegnet ihm im Zusammenleben als „Beziehungsproblem“, an der Mülltonne hat man es mit dem „Umweltproblem“ zu tun, auf der Straße mit dem „Sozialproblem“. Ein klein wenig Übung vorausgesetzt, läßt sich alles problematisieren, wie sich schnell zeigt, unentwegt wird analysiert, durchgesprochen und hinterfragt, wobei das „Sicheinbringen“ mit „subjektiven Erfahrungen“ und die „Thematisierung eigener Erlebniskontexte“ nie aus dem Blick geraten sollten. […]

Auch hier zählt vor allem die Betroffenheit, neben das „Problem“ tritt die „Angst“, die als Gefühlswort allerersten Ranges jede Diskussion sofort bestimmt, weil sie so unschlagbar „authentisch“ wirkt. „Authentisch ist“, schreiben die Autoren des munteren Büchleins ‚Schöner denken’, eines vorzüglichen Glossars der Linkssprache, „wenn in einer Bürgerversammlung fünf hochkarätige Wissenschaftler dargelegt haben, warum der Neubau eines Golfplatzes kein bedrohliches Risiko darstellt, und dann einer aufsteht und sagt: ‚Aber ich habe Angst.’ Dann können die fünf Experten einpacken. Und die Journalisten wissen, wem sie ihr Mikrophon unter die Nase halten.

[…]" (Fleischhauer: Unter Linken, Hamburg 2010, S. 314 ff.)
Anstelle rationaler politischer Sachargumente treten Gefühle. Besonders „Angst“, so unbegründet und irrational sie im konkreten Fall sein mag, bestimmt die politische Auseinandersetzung. Mithin geht es nicht mehr um die sachgerechte Lösung eines politischen Problems, sondern um das Erzeugen „positiver Emotionen“. Wenn für diesen Zweck ein gesetzliches Verbot erlassen werden soll, müssen die Gegner schon gewaltige Anstrengungen unternehmen.

Dabei ist nicht einmal gesagt, daß die Angst, mit der vor allem die Grünen seit Jahren – leider – erfolgreich Politik machen und Stimmen sammeln, tatsächlich von der Mehrzahl der Bürger geteilt wird. Es kommt nur darauf an, im politischen Raum diesen Eindruck zu vermitteln und damit Druck aufzubauen. Die Angst vor allem möglichen und unmöglichen Ungemach scheint jedoch generell eine Spezialität der Deutschen zu sein: Angst vor dem Atomtod, vor AIDS, vor BSE und Schweinepest, vor Asbest, vor dem sauren Regen, vor dem Waldsterben, vor Geländewagen mit Frontbügeln, vor „Kampfhunden“, vor Waffenbesitzern … Angst, Angst, Angst – die Deutschen fürchten sich.

In einem Punkt muß man Fleischhauer allerdings widersprechen. Er verwendet den Begriff der Gefühlsdemokratie, dabei ist es besser, von einer Gefühlsdiktatur zu sprechen. Eine relativ kleine, aber lautstarke Minderheit zwingt den Rest der Gesellschaft, ihre eigenen kleinen Angstgefühle zum Maßstab der Gesellschaft als ganzem zu machen. Wenn ein Mensch von Phobien geplagt ist, dann mag er sich in ärztliche Behandlung begeben. Es ist allerdings inakzeptabel, die Therapie, welche eigentlich dem Kranken gelten sollte, zwangsweise Gesellschaft insgesamt zu verordnen.

Der private Besitz von Schußwaffen ist ein Feld, auf dem sich die eingebildeten Ängste gutmeinender Menschen, die statt mit dem Kopf lieber mit dem Herzen denken, hervorragend austoben können. Als Beispiel mag nur diese Sendung des Fernsehsenders Arte dienen. In der Beschreibung heißt es: „In der Sendung entdeckt der Blogger mit Schrecken, dass jeder fünfte Europäer eine Waffe besitzt.“ Woher kommt der „Schrecken“? Warum sofort die negative Emotion, wenn es doch zunächst um das Zusammentragen von Fakten gehen sollte.

Politisch brisant wird diese frömmelnde Gefühlsduselei in einem aktuellen Gesetzentwurf der Grünen, der ein Verbot von „kriegswaffenähnlichen halbautomatischen Schußwaffen“ fordert. Darin eingeschlossen sind nicht nur „scharfe“ Gewehre, sondern auch nicht schußfähige Dekorationsmodelle. Begründet wird der Vorstoß allen Ernstes damit, daß diese Waffen bestimmte „Gefühle“ „vermitteln“ würden.

Man würde erwarten, daß die Grünen ihren einschneidenden Gesetzentwurf eingehend begründen. Doch dem ist nicht so. Es wird einfach auf eine Straftat in Norwegen verwiesen und nicht dargelegt, wieso sich daraus Gesetzgebungsbedarf in Deutschland ergeben sollte. Auch die angeführten Pluspunkte sind doch sehr weit hergeholt – es wird doch wohl kein Polizeibeamter ernsthaft glauben, daß eine weitere Verschärfung des Waffenrechts für eine Entlastung seines Nervenkostüms sorgen kann.

Der größte Mangel an der grünen Pseudoargumentation ist allerdings, daß sie übersehen, daß das von ihnen geforderte Verbot in der BRD schon einmal Gesetz war. Der alte § 37 WaffG enthielt von den 1970er Jahren bis 2003 ein Verbot von Gegenständen, die den Anschein einer Kriegswaffe hervorrufen könnten. Auch damals fielen unter dieses Verbot schon Spielzeugwaffen. Im Zuge der Neuregelung des Waffenrechts Anfang der 2000er Jahre waren alle beteiligten Landes- und Bundesbehörden dafür, dieses Verbot zu streichen. Es war in der Polizeipraxis schlicht irrelevant. Es wäre jetzt die Pflicht der Grünen, eingehend darzulegen, warum die Streichung des Verbotes vor neun Jahren falsch gewesen sein könnte. Eine solche Erklärung fehlt jedoch im Entwurf.

Dafür ist er voll mit allgemeinen Sätzen, die andeuten, daß es den Grünen gar nicht um die pösen „Anscheinswaffen“ geht, sondern um eine generelle Verschärfung des Waffenrechts mit dem Ziel, privaten Waffenbesitz (und damit den Schießsport) unmöglich zu machen:
"Durch eine gesetzliche Regelung, die den Umgang mit […] Schusswaffen verbietet, die […] zum Schießsport bzw. für die Jagd entweder nicht geeignet oder aber zumindest nicht erforderlich sind, kann die Gefahr eines Missbrauchs maßgeblich eingedämmt werden."
Deutlicher kann man es nicht formulieren. Es geht nicht um reale Mißbrauchsgefahren (denn die sind so gering, daß sie statistisch kaum gemessen werden können), sondern um potentielle Mißbrauchsgefühle. Eine Kleinpartei mit 58.000 Mitgliedern maßt sich an, Millionen von Deutschen vorschreiben zu wollen, welche Waffen für Jagd und Sportschießen erforderlich sein sollen. Nicht mehr der Bürger darf darüber – in den Grenzen des WaffG – entscheiden, sondern ein kleiner Haufen hoplophober Politiker, deren Wirkungskreis nur dank ihrer Parteigänger in den Medien so groß ist. Ihr Endziel der totalen Entwaffnung der deutschen Legalwaffenbesitzer hat Claudia Roth gestern in einem Interview offen ausgesprochen:
"Aber Sportschützen müssen ihren Sport ja nun wirklich nicht mit hochgefährlichen Schusswaffentypen ausüben, dafür hat mir noch niemand einen triftigen Grund nennen können. Wir brauchen keine tödlichen Schusswaffen im Sport und auch keine millionenfache Hochrüstung zu Hause.“
Wir dürfen davon ausgehen, daß mit den angeblich „hochgefährlichen“ (wieder so ein Gefühlswort, das Angst auslösen soll) „tödlichen Schußwaffen“ auch die üblichen KK-Waffen gemeint sind. Und auch hier macht die grüne Ober-Nanny ihr eigenes begrenztes Verständnis des Schießsports zum Maßstab, an dem sich alle anderen ausrichten müssen. Der negativ besetzte Ausdruck „Hochrüstung“ ist in diesem Kontext schlicht infam. Vielleicht sind „Lichtzielgeräte“ das einzige, was uns die Gutmenschen gnädigerweise zugestehen wollen?

BTW: Warum hören uns die Grünen eigentlich nicht zu? Seit 2009 monologisieren die grünen Leittanten, daß ihnen noch niemand „triftige Gründe“ für Sportschießen und Waffenbesitz habe nennen können. Dabei sind diese triftigen Gründe seither tausendfach aufgezählt worden - allein die Grünen verschließen ihre Ohren vor den Verlautbarungen der Bürger. Die Gutmenschen leben in ihrem eigenen Paralleluniversum, in dem alles, was nicht zum eigenen Weltbild paßt, nicht wahrgenommen wird. Irrationale Gefühlspolitiker eben.

Deshalb gilt: Wider die grüne Gefühlsdikatur! Wehret den Spinnern und zeichnet hier bis zum 7. Februar die Petition mit, die beim Bundestag gegen den Gesetzentwurf eingereicht worden ist!


Verwandte Beiträge:
Selbstladegewehre im Schießsport
Die grüne Republik läßt auf sich warten
Der grüne Irrationalismus
Die grüne Tyrannei
Die grüne Tyrannei II
Künasts Selbstentlarvung
blog comments powered by Disqus