Seit seiner Gründung im Jahre 2008 besteht eine der Aufgaben dieses Blogs in der Korrektur irreführender oder schlicht falscher Medienberichte über die Rußländische Föderation. Immer wieder sind uns dabei Journalisten aufgefallen, welche die Verhältnisse in Rußland nicht nur falsch interpretieren oder darstellen, sondern zum Teil zu groben Lügen wie dem Fälschen von Zitaten greifen. Nachfolgend wieder drei Beispiele aus den vergangenen Wochen.
1. In der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) vom 28. Dezember 2011 durfte eine Kommentatorin folgenden Satz zum besten geben, in dem die gesamte Abscheu einer Intellektuellen vor dem "Putin-Regime" enthalten ist: "Als Václav Havel starb, schwieg das offizielle Russland."
Dummerweise entspricht diese Behauptung nicht der Wahrheit. Bereits am 19. Dezember hatte die rußländische Botschaft in Prag der dortigen Regierung die Beileidsbekundungen der Staatsführung der RF übermittelt - so, wie es international üblich ist. Daß Havel in Rußland nur wenig Sympathie genießt, hat vor allem damit zu tun, daß sein Antikommunismus immer eine stark russophobe Konnotation hatte. Allein Havels Verlautbarungen der letzten Jahre sprechen insofern Bände. Insofern unterschied er sich stark vom derzeitigen tschechischen Präsidenten Václav Klaus, welcher zu Moskau ein nüchtern-geschäftsmäßiges Verhältnis pflegt.
2. Im "Europastudio" des ORF ereifert sich Susanne Scholl, Moskaukorrespondentin des ORF und eine der größten deutschsprachigen Schwarzmalerinnen, regelmäßig über die angeblich so schlimmen Verhältnisse in Rußland. In der jüngsten Sendung meinte sie, daß in der RF angesichts der Eurokrise die Sektkorken knallen würden (O-Ton).
Daraufhin mußte der Politologe Gerhard Mangott intervenieren und Scholl an ein paar nüchterne Fakten erinnern, die eine solche Sektlaune ausschließen: "Angesichts der Tatsache, dass Russland 45 Prozent seiner Exporte auf dem Binnenmarkt der EU absetzt, d.h. von der Nachfrageentwicklung seiner Produkte auf diesem Markt sehr abhängig ist und angesichts des Umstandes, dass die Russländische Zentralbank 45 Prozent ihrer Hartwährungsreserven in Euro handelt," hält er Scholls Einlassungen für alles andere als glaubwürdig. Dieser Einschätzung schließe ich mich an.
3. Die zum DuMont-Konzern gehörende MZ hat sich in ihrer Ausgabe vom 20.12. eine Zitatfälschung geleistet, neben der selbst die Fehler des Herrn zu Guttenberg verblassen. Wolfgang Jung, Korrespondent der Deutschen Presseagentur in Moskau, hat in einem Artikel über die neue Staatsduma geschrieben:
"Kritiker bemängeln seit langem, dass das Parlament eine "Durchwink-Maschine" für Kreml-Projekte sei. Man kann es auch mit dem Satz des Putin-Vertrauten und bisherigen Duma-Chefs Boris Gryslow halten: "Die Duma ist kein Ort für Diskussionen!" Noch Fragen?"Dummerweise hat Boris Gryslow, der von 2003 bis 2011 Vorsitzender der Staatsduma war, den ihm angelasteten Ausspruch ("kein Ort für Diskussionen") nie getätigt, auch wenn dies in zahllosen Medienberichten behauptet wird. Tatsächlich hat Gryslow am 29.12.2003 auf die Frage einer anderen Abgeordneten u.a. geantwortet:
"Mir scheint, daß die Staatsduma nicht der Ort ist, wo man politische Schlachten ausfechten und irgendwelche politischen Losungen und Ideologien vertreten muß, sondern sich mit einer konstruktiven, effektiven gesetzgeberischen Tätigkeit beschäftigen soll."Gegen diese Einlassung Gryslows kann man schwerlich etwas haben, denn die Hauptaufgabe der Duma besteht - wie bei allen Parlamenten - nun einmal in der Gesetzgebung.
Das vom DPA-Mitarbeiter Wolfgang Jung, der MZ und anderen Journalisten kolportierte Märchen, wonach der Parlamentspräsident in seinem Haus nicht diskutieren wolle, ist das typische Beispiel für eine Zeitungsente. Der eine Journalist schreibt die Falschinformation vom anderen ab, ohne selbst zu recherchieren und sich um den O-Ton zu bemühen. Der Fall zeigt außerdem, mit wie wenig Sorgfalt die deutschen Medien über Rußland berichten. Die negative Meinung ist der Journaille weitaus wichtiger als ordentliche, nüchterne und faktengesättigte Arbeit. Und zur Not lügt man eben auch, denn die meisten Deutschen werden die Lüge schon mangels Sprachkenntnissen nie erkennen können.
Das seit etwa acht Jahren in der politischen Berichterstattung gepflegte alt-neue Feindbild namens Rußland strahlt nunmehr auch auf den Unterhaltungsbereich aus. So hat die ARD ihren Zuschauern Anfang Januar im Spielfilm "Russisch Roulette" ein Gruselbild vom Leben in Sankt Petersburg vermittelt. Der Film war freilich ein Reinfall - warum, kann man in diesen Kommentaren von Deutschen nachlesen, die in Petersburg leben und denen sich ob des ARD-Machwerkes die Haare sträuben.
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