Mittwoch, 21. September 2011

Unausgegorene Philosophie


Manchmal freut man sich richtig, wenn die Gegner des privaten Waffenbesitzes alle Vorsicht und alle Masken fallen lassen und ungeniert ihr krudes Weltbild zur Schau stellen. So auch im folgenden Fall, wo Schußwaffen ihren gegenständlichen Charakter verlieren und zu magischen Lebewesen werden, die ihre Besitzer beherrschen wie ein böser Geist:
"[...]

There is absolutely no reason for firearms to be circulating amongst the civilian population. Hunting or otherwise. Weapons that harbor a mechanical power infinitely superior to our own flesh and blood serve, as I can see, no productive purpose in our communities.

[...]"
Die in den Vereinigten Staaten lebende Urheberin dieser Zeilen hat übrigens (nach eigenen Angaben) einen Uni-Abschuß in Philosophie. Vielleicht sollte die zuständige Prüfungskommission das noch einmal überdenken ...

Bedauerlicherweise ist die Dame mit ihrer wirren Denke nicht allein. So titelten Medien vor wenigen Tagen: "Deutsche Polizeikugeln töteten 2010 acht Menschen". Nicht die Polizeibehörden oder -beamten, nein, die Kugeln haben die Menschen getötet. Schlimm, wenn sich seelenlose Gegenstände derart verselbständigen.

Die geistige Tieffliegerei, die einem übersteigerten und mystifizierenden Waffenbegriff huldigt, findet sich auch in der deutschen Justiz. Ein Exempel lieferte gestern Eckhard Proske, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart. In seiner Urteilsbegründung - es ging um die 2009 neu eingeführten anlaßlosen Kontrollen nach § 36 WaffG - heißt es wörtlich, daß der bloße private Besitz von Schußwaffen von einer "besonderen Gefährlichkeit" gekennzeichnet sei. Worin diese angebliche Gefährlichkeit toter Sachen liegen soll, blieb leider unbeantwortet. Vielleicht war der Herr Richter einfach nach dem letzten Genusch von Rauschmitteln noch nicht wieder ganz zu sich gekommen?

Anders kann man sich dieses Urteil nicht erklären, das ein Beispiel für politische Gefälligkeitsjustiz ist, für die in unserem Rechtsstaat eigentlich kein Platz sein sollte. Interessant wäre die Übertragung der vom Gericht verwendeten Argumentation auf andere Bereiche des öffentlichen Rechts. Sonach müßten z.B. auch alle Kraftfahrer, die an einer Radarfalle vorbeifahren, ohne geblitzt zu werden, für die Kosten der Kontrolle zur Kasse gebeten werden. Das klingt nicht nur absurd, es ist absurd - wie das gesamte Urteil, in dem das VG sich auf das allgemeine Verwaltungsrecht kapriziert, um die Besonderheiten des Waffenrechts zu umschiffen.

Man kann nur hoffen, daß der vorerst gescheiterte Kläger einen langen Atem und eine gut gefüllte Kriegskasse hat, um den Fall vor den baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof zu bringen.


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