Dienstag, 5. Mai 2009

Debatte über das "'Special Forces'-Fieber"

Vor einigen Wochen hat ein Leser meinen Artikel „Das ‚Special Forces’-Fieber“ mit einem Kommentar versehen, den ich trotz der seither verstrichenen Zeit nicht unbeantwortet stehen lassen möchte, da mir das Thema zu wichtig ist. Beginnen wir mit den Formalia:
"Also, warum sich an aus dem Kontext herausgerissenen Einzelaussagen so spottend aufziehen? Ich empfinde es den Autoren gegenüber als unfair. Warum also diese überzogene Gift- und Gallespritze an dieser Stelle?"
Zunächst: Wenn ich Gift und Galle spritze, liest sich das anders, ganz anders. ;-) Ich bewege mich allerdings in einem akademischen Umfeld und dort wird viel Wert auf sachliche Kritik gelegt – nichts anderes habe ich hier geäußert. Der Spott war ein von mir gewähltes Stilmittel, um keinen elend langen und zugleich bierernsten Text schreiben zu müssen, zumal es mir bei einigen Punkten sehr schwergefallen ist, überhaupt ernst zu bleiben. Manches in den kritisierten Texten wirkt doch wie eine Satire (man denke z.B. nur an Sören Sünklers Vorschlag, die Schweiz möge doch ggf. ein Grenadierbataillon nach Afrika entsenden, um einen Flugplatz zu erobern).
"Schon mal darüber nachgedacht, dass das VORGEGEBENE Format von Büchern und Zeitschriften letztendlich keinen Anspruch auf akademische Feinheiten zulässt?"
Ich bin mir über die Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Publikationsformen durchaus im klaren, schließlich schreibe ich nicht nur in diesem Weblog, sondern auch im realen Leben. ;-) Gleichwohl ist K-ISOM Sünklers eigene Zeitschrift; er bestimmt maßgeblich darüber, was dort wie geschrieben wird. Das gleiche gilt für die von ihm verfaßten Bücher. Mithin kann er sich in diesen Fällen nur sehr bedingt auf äußere Vorgaben zurückziehen.

Des weiteren glaube ich kaum, daß es zu den zwingenden Vorgaben gehört, seinen Lesern einen solchen „denglischen“ Kauderwelsch vorzusetzen, wie in den kritisierten Texten geschehen. Auch insoweit liegt die Entscheidungsgewalt allein bei Sünkler und es ist an ihm, diesen Mißstand abzustellen. (Nebenbei bemerkt: Manchmal wünsche ich mir hierzulande Sprachgesetze wie es sie in Frankreich gibt.)
"Du erwartest von einer "Mikroebene" auf 80 oder 200 Seiten akademische und sicherheitspolitische Höchstleistungen. Wie soll das funktionieren? Kauf die "Europäische Sicherheit" und Du wirst bedient. Kauf K-ISOM und Du wirst fachlich anders bedient. Aber beide Bereiche auf einen Nennen anzuwenden empfinde ich als unfair. Zwei unterschiedliche Baustellen."
Hier liegt wohl ein Mißverständnis vor: Sünkler selbst ist es, der sich in seinen Artikeln und Büchern zu historischen und sicherheitspolitischen Fragen äußert. Niemand hat ihn dazu gezwungen! Wenn er sich aber darüber ausläßt, dann erwarte ich, daß – kurz gesagt – kein Unfug veröffentlicht wird. Wenn er beispielsweise nur über kursorische Kenntnisse der Organisation des Warschauer Vertrages verfügt, sollte er eben nicht darüber schreiben oder vorher gründlicher recherchieren. Alles andere ist ein eindeutiger Qualitätsmangel. Wenn die Kenntnisse der Autoren nur für die besagte Mikroebene ausreichen, dann mögen sie sich bitte auch darauf beschränken. (Manchmal ist weniger mehr!)

Zwei Beispiele aus dem neuen Heft von K-ISOM. Die von mir schon im Februar – mit guten Gründen! – kritisierte Verwendung des Begriffs „Global War on Terror“ wird fortgesetzt. Daraus muß ich folgern, daß Herr Sünkler nicht in der Lage ist, über dieses Problem zu reflektieren. Ferner konnte er sich nicht verkneifen, seinen Kuba-Artikel mit einer betont schnodderigen, zugleich aber seine mangelnde Kompetenz offenbarenden Bemerkung zu beginnen: Seit 50 Jahren „nerve“ Fidel Castro die Kubaner mit der sozialistischen Revolution. Nun kann man über die Gebrüder Castro denken, was man will, aber sie haben es immerhin geschafft, jahrzehntelang den z.T. massiven Angriffen ihrer Gegner zu trotzen. Außerdem wird doch wohl niemand ernsthaft annehmen, die fortgesetzte Herrschaft Batistas wäre eine auch nur theoretisch wünschenswerte Alternative gewesen.

An diesen beiden Punkten wird ebenfalls deutlich, zu welchem Mittel man greift, um die qualitativen Schwächen auszugleichen: Wo es an Fachkompetenz fehlt, versucht man, dies durch Gesinnungstüchtigkeit wettzumachen. Das stößt mir schon allein deswegen auf, weil es typisch für den Agitprop-Stil der DDR war. Von einer militärischen Fach-Zeitschrift erwarte ich jedenfalls mehr als Glaubensbekenntnisse für oder gegen Israel, für oder gegen den Kommunismus, für oder gegen die NATO etc. pp.

Obwohl ich kein Erbsenzähler bin, werde ich jetzt noch ein Negativbeispiel aus dem Caliber-Heft 5/2008 nachschieben. Im Artikel über das Thüringer SEK wird von Sünkler behauptet, es habe in der DDR nach Auflösung der Länder „Regierungsbezirke“ gegeben. Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Im Jahre 1952 wurden anstelle der Länder 14 „Bezirke“ gebildet. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied. Der Terminus Regierungsbezirk stammt aus dem preußischen Verwaltungsrecht und bezeichnete dort die Verwaltungsebene unterhalb der Provinzen, also zwei Stufen unter der Regierung (und nach 1871 drei Stufen unter der Reichsregierung). In diesem Sinn wird der Begriff auch heute noch gebraucht, um in einigen deutschen Ländern die Verwaltungsebene unterhalb der Landesregierung zu kennzeichnen. Die DDR wurde aber 1952 in einen Zentralstaat umgewandelt und die Gliederungen desselben hießen nun einmal Bezirke.
Herr Sünkler hätte gut daran getan, die Informationen, die er von den Polizeibeamten in Erfurt (die wohl z.T. schon in der Volkspolizei gedient haben) erhalten hat, einfach wortgetreu zu übernehmen, anstatt sich an einer eigenen Interpretationsleistung zu versuchen, die dann gründlich schiefgegangen ist. (Auf der Wikipedia-Seite dazu steht allerdings derselbe Unsinn. Vielleicht kann man das Sünkler zugute halten.)

Noch einmal: Ich bin kein kleinlicher Zeitgenosse und betreibe hier keine Wortklauberei! Die erwähnten und kritisierten Fehler sind vielmehr ein starkes Indiz dafür, daß der jeweilige Autor das von ihm behandelte Thema nicht hinreichend durchdrungen hat. Letzteres erwarte ich allerdings auch auf der erwähnten Mikroebene, wenn ich dafür 6,50 € entrichten soll.
"Dafür aber Barett loben, die ja fachlich wirklich nur Bullshit gebracht und auf Copyrights gepfiffen hat sowie auch sonst aus der national-konservativen Ecke mit dubiosen Schleichbotschaften kam. Da fasse ich mir nur an den Kopf."
Leider fehlt es mir an den intimen Kenntnissen der Barett, um zur Copyrightfrage Stellung nehmen zu können. Fachlich waren die Beiträge allerdings alles andere als „Bullshit“. Weiters hatte Barett das verwirklicht, was bei K-ISOM bislang nur theoretischer Anspruch ist: eine wirklich internationale Berichterstattung. Mit Freuden erinnere ich mich beispielsweise an die Artikel aus der früheren UdSSR und dem südlichen Afrika. Barett hatte bei weitem nicht ein so beschränktes Weltbild, wie es in Sünklers Projekten zutage tritt.

Ich weiß auch nicht, was mit den angeblichen national-konservativen Schleichbotschaften gemeint ist. Falls es sich um die Artikel zur Geschichte der NVA handeln sollte, dann kann ich Herrn Dissberger nur nachträglich gratulieren. Hat er doch – auch als Verleger (z.B. „Vom Himmel auf die Erde ins Gefecht“) – dafür gesorgt, daß dieses Kapitel der deutschen Militärgeschichte einigermaßen sachlich bearbeitet werden konnte – zu einer Zeit übrigens, als manche Bundeswehroffiziere ihren Kameraden aus der früheren DDR noch mit dummen und z.T. bösartigen Sprüchen in Manier des Kalten Krieges begegnet sind.
"Sicherlich, man könnte dort einiges verbessern und auch die Motorbücher lassen oft zu wünschen übrig aber zur Zeit gibt es keine Alternative. Und vorher gab es auch nichts."
Man kann immer etwas verbessern. ;-) Allerdings sollte sich Herr Sünkler bei den von ihm verantworteten Projekten, insbesondere K-ISOM, damit nicht mehr allzuviel Zeit lassen. Mittlerweile liegen sieben Hefte vor, die alle dem gleichen (und kritikwürdigen) Schema entsprechen. Damit ist ein Weg eingeschlagen worden, der nur noch schwer zu korrigieren ist. (Auch insoweit spreche ich aus persönlicher Erfahrung.)


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