Sonntag, 24. Mai 2009

Arroganz der Macht

Die Arroganz und Heuchelei der politischen Klasse in Deutschland sind - mit Verlaub - brechreizerregend. Da wird dieser Tage mit Sekt, Häppchen und Medienberichten voller Selbstbeweihräucherung das sechzigjährige Jubiläum des Grundgesetzes gefeiert und gleichzeitig ebendiese Verfassung (ebenso wie die Landesverfassungen) mit Füßen getreten, wenn es nur dem eigenen Machterhalt dient. Da werden undurchsichtige Spielchen mit öffentlichen Petitionen und Kleinen Anfragen getrieben. Oder, noch schlimmer: Man weigert sich einfach, Anfragen von Bürgern zu beantworten. So geschehen mit meinem Schreiben an das hiesige Innenministerium vom März, in dem es um die geplante Änderung des Waffengesetzes geht und auf das ich erst nach nochmaliger Rückfrage (per Einschreiben!) die folgende (recht unwirsche) Reaktion erhalten habe:
"Sehr geehrter Herr [Krenkel],

sog. „Lobbyistenschreiben“ im Rahmen laufender Gesetzgebungsvorhaben sind nicht mit einer Petition im Sinne von Art. 19 LVerf. LSA zu verwechseln.

Weiterhin ist Herrn Minister Hövelmanns Auffassung zur aktuellen Diskussion des Waffenrechts hinlänglich bekannt. Herr Minister Hövelmann hat sich bereits am 24. April 2009 presseöffentlich wie folgt geäußert:

"Nach den jüngsten Gewalttaten mit Schusswaffen in Winnenden und Landshut diskutiert die Gesellschaft über den richtigen Umgang mit Waffen und ein Mehr an Sicherheit. Die gegenwärtige Diskussion muss jedoch mit Augenmaß geführt werden. Blinder Aktionismus nützt niemanden und führt nicht zu mehr Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger.
Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, über die wir reden müssen.

Ich unterstütze die Diskussion um ein Verbot großkalibriger Schusswaffen im Sportschießen, zumindest aber eine Erhöhung der Altersgrenze für das Schießen mit derartigen Waffen.
Auch eine Begrenzung der Anzahl der Waffen scheint mir sinnvoll.

Wichtig aus meiner Sicht sind aber auch verdachtsunabhängige Kontrollen der Aufbewahrung von Waffen, allerdings sind hier verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) zu prüfen.
Ebenso könnte ich mir vorstellen, dass Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften härter bestraft werden.
Unstrittig unter den Ländern ist die Notwendigkeit der Einrichtung eines zentralen bundesweiten Waffenregisters.

Neben der Prüfung einer Novellierung des Waffengesetzes ist mir ist besonders wichtig, dass wir ein Verbot von kampfmäßigen Schießübungen erreichen.
Auf gleicher Schwelle steht für mich auch die Diskussion um ein Verbot von Paintball- und Gotchaspielen. Denn hier werden zum einen der Umgang mit Waffen und zum anderen das Schießen auf Personen unter teilweisen Realbedingungen simuliert. Die besten Übungsvoraussetzungen für einen Amokläufer!

Ich kann mir auch eine Amnestie für die Besitzer illegaler Waffen vorstellen, wenn sie diese freiwillig abgeben."

Mit freundlichen Grüßen

i.A.

Jan Weber

Leiter des Referates für Kabinetts-, Landtags-, Bundesrats- und Europaangelegenheiten, LMB
Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt"
Notabene: Mein erstes Schreiben datiert vom 29. März (!) 2009.
Ferner ist es eine Frechheit, wenn man den Brief eines direkt und unmittelbar von einem Gesetz betroffenen Bürgers zum "Lobbyistenschreiben" degradiert, für welches die Antwortpflicht gem. Art. 19 der Landesverfassung nicht gelte. So hebeln deutsche Politiker eines der ältesten Grundrechte aus, welches bereits in § 159 der Paulskirchenverfassung enthalten war und das für sie außerdem ziemlich folgenlos ist. Die abgehobene politische Klasse ist nicht einmal mehr gewillt, die Beschwerden der Bürger (vielleicht sollte man besser sagen: ihrer Untertanen) überhaupt anzuhören, geschweige denn, ihren Wünschen nachzukommen. Statt dessen sollen sich die aufdringlichen Untertanen mit allgemein gehaltenen Presseerklärungen abspeisen lassen.

Damit ist eine neue Stufe in der Entmündigung und Gängelung der Bürger erreicht; so schlimm war es nicht einmal im vielgescholtenen Kaiserreich. Auch 60 Jahre nach seinem Inkrafttreten hat es das Grundgesetz nicht vermocht, das obrigkeitsstaatliche Denken durch ein grundrechtszentriertes zu ersetzen. Willkommen in der Verfassungswirklichkeit jenseits aller Sonntagsreden. Armes Deutschland!

Da der Herr Weber sicher nur das geschrieben hat, was sein Herr und Gebieter - der Innenminister - denkt, so ist es nicht überzogen festzustellen, daß sich Hövelmann geistig offenbar niemals von der DDR-Mentalität freimachen konnte. Er ist eben immer noch der kommunistische Politruk, der jedwede Kritik entweder ignoriert oder abbürstet (nicht nur beim Thema Waffenrecht). Gefährlich wird es, wenn - wie im hiesigen MdI geschehen - sich eine solche totalitäre Geisteshaltung mit den technischen Kenntnissen bundesdeutscher Ministerialbürokratie verbindet.
Richtig dumm wird es allerdings, wenn der Minister ein Verbot "kampfmäßiger Schießübungen" fordert, obwohl ein solches bereits existiert (§ 27 VII WaffG). Die Inkompetenz der Mitarbeiter des MdI muß gewaltig sein - ebenso, wie ihr Wille zur Macht. Eine brisante Kombination.

In der vergangenen Woche hat sich endlich auch die SPD-Landtagsfraktion, vertreten durch ihren Innenpolitiker Bernward Rothe, gemeldet. Das Schreiben enthält nicht viel neues, ist aber insofern interessant, als es einen Einblick in die innerparteiliche Willensbildung ermöglicht. Fazit: Der Anti-Waffen-Kurs ist unstrittige Parteilinie, davon abweichende Privatmeinungen einzelner SPD-Funktionäre sind politisch irrelevant.
(Zum Lesen des Briefes bitte auf das Bild klicken.)



Damit ist natürlich klar, daß ich die SPD aus der Liste der für mich wählbaren Parteien gestrichen habe. Europa-, Kommunal- und Bundestagswahlen stehen hier in Sachsen-Anhalt in diesem Jahr an. Und die SPD steht im Parteienranking in den östlichen "neuen" Ländern ohnehin nur auf Platz 3.

Foto: www.spd.de.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Im Zuge der Vorschläge zur Waffenrechtsverschärfung habe ich auch einige Mails rausgeschickt (bis zu dem Punkt, wo ich mitgezählt habe, waren es 104 Mails).
Die beste Antwortmail kam von der CDU. Dort wollte man mir überhaupt keine Auskunft geben, bevor ich ihnen nicht meine Anschrift mitteile.
Aber wenn man erst meine Anschrift haben will, dann kann ich auf die Antwort von denen auch verzichten, mein Kreuzchen bekommen sie auf alle Fälle nicht.
Ansonsten haben (fast) alle, die ich angeschrieben habe geantwortet (ohne hin und her).

Grüße

E.K. hat gesagt…

Die Antworten, die ich bisher erhalten habe, waren alle höflich, oft aber auch ziemlich nichtssagend. Der Brief aus dem MdI ist allerdings eine Frechheit.

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