Sonntag, 12. April 2009

Waffenphilosophie - Zweites Werkstück

Der Waffengegner als Typ

Was sind nun die Waffengegner für Menschen? Eine wesentliche Rolle in ihrem Leben spielt die Angst. Angst vor allen möglichen Fährnissen des Lebens. Deshalb drängt es sie zu einer Vollkaskomentalität, in der Hoffnung, so die Risiken des täglichen Lebens beherrschbar zu machen. Es sind diese Menschen, die von den Schreckensmeldungen unserer Medien angesprochen werden. Ihre Angst erhält so ständig neue Nahrung, mit der Folge, daß sie sich von allen Seiten bedroht fühlen. Die irrationale Züge tragende Furcht vor einem Atomunglück oder dem Klimawandel sind, neben dem Waffenthema, weitere Beispiele für unsere Angstgesellschaft.

Zu dieser permanenten Furcht gesellen sich zwei weitere Eigenschaften, die miteinander zusammenhängen: Furcht vor Verantwortung und ein großes Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Staates.

Verantwortung für das eigene Leben, das es in die Hand zu nehmen gilt, ist ihnen unheimlich. Angesichts der überall lauernden Bedrohungen fühlen sie sich klein und hilflos. Nur der Staat, mit seiner ausgefeilten Maschinerie, verspricht Abhilfe. Die eigene Aufgabe beschränkt sich freilich darauf, nach dem Staat zu rufen und ihm zuzusehen; es sind keine Etatisten.
Ich möchte dies an einem Beispiel illustrieren: Man kann – selbst in Outdoorforen – immer wieder die Meinung lesen, daß sich der einzelne Bürger nicht um seine persönliche Vorsorge für den Fall von Notfällen kümmern solle, da es dafür „Profis“ von Feuerwehr und Rettungsdiensten gäbe. (Komisch nur, daß dieselben Profis die Bürger regelmäßig dazu auffordern, sich um den Selbstschutz zu kümmern.) Gleichzeitig lehnt man es aber ab, selbst ehrenamtlich in einer der Hilfsorganisationen mitzuwirken. Die damit verbundenen Unbequemlichkeiten und Gefahren sollen bitte andere auf sich nehmen; man selbst will keinerlei Risiko eingehen oder gar ein Opfer für andere bringen.
Dieses Beispiel illustriert sehr schön die Kombination von extremer Risikoaversion, Verantwortungsscheu und Staatsvergottung.

Der Waffengegner ist ein Mensch, der sich in allem darauf verläßt, daß die moderne Gesellschaft schon für ihn sorgen werde: das Wasser kommt aus der Wand, der Strom aus der Steckdose, die Lebensmittel aus dem Supermarkt und bei Gefahr für Leib und Leben sind Polizei und Feuerwehr natürlich sofort zur Stelle. Für ihn ist ein Leben jenseits dieser zivilisatorischen Errungenschaften unvorstellbar. Und er glaubt, es werde immer so weitergehen. Katastrophen, Unglücke, Verbrechen, Krieg – kurzum: „der Einbruch der Zeit in das Spiel“ (Carl Schmitt) – sind für ihn un-denkbar. Wenn sie wider Erwarten doch auftreten, dann sind sie nur eine Störung, die der Staat zu beseitigen hat, nicht jedoch etwas, was den Menschen direkt betrifft, worauf er sein Leben einzurichten habe.

Dies alles, zusammen mit einem hypertrophen Pazifismus, hat heute viele Menschen verweichlicht. Sagen wir es so offen. Lebenszusammenhänge, die früheren Generationen evident waren, werden kaum noch begriffen. Warum sollte ein Jäger dem Wild nachstellen, wenn man das Fleisch doch ganz bequem im Laden kaufen kann? Warum sollte man sich bei einem gewalttätigen Angriff zur Wehr setzen, wo man doch für eine friedliche Gesellschaft eintritt und Gewalt per se „böse“ ist? Das uralte, gewissermaßen vorrechtliche „natürliche Recht“ des Menschen auf Selbsterhaltung (vgl. Hobbes: „Leviathan“) – und sei es nur in einer kurzen Extremsituation – wird von ihnen nicht mehr verstanden. Nicht der Mensch sorgt für sich selbst, sondern Gesellschaft und Staat haben „Daseinsvorsorge“ für alle zu betreiben.

In diesen fundamentalen Fragen prallen Gegensätze aufeinander, die man nicht mehr nur als Kommunikationsproblem abtun kann. Wir haben einen Kulturkampf: auf der einen Seite die Menschen, die in den Traditionen und Erfahrungen von Jahrhunderten, ja Jahrtausenden leben, auf der anderen Seite jene, die glücklich darüber sind, es „leichter“ zu haben als ihre Vorfahren und die der Utopie anhängen, daß man das menschliche Leben und die menschliche Gesellschaft grundlegend ändern könne. So wird es etwa nicht einmal mehr als Problem angesehen, wenn eine Frau vergewaltigt wird: statt sich zu wehren solle sie den Täter lieber darum bitten, ein Kondom zu benutzen. Und anstatt die akute Gefahr abzuwehren soll es ausreichen, wenn sich irgendwann später einmal ein Gericht mit dem Fall befaßt.

Da Waffen keine Spielzeuge sind, sondern – wie jedes technische Gerät – bei falscher Anwendung zu Schäden führen können und daher eine verbindliche Einhaltung von Sicherheitsregeln geboten ist, passen sie schlecht in eine Spaßgesellschaft, die die Unverbindlichkeit betont. Der ernste Hintergrund, der Waffen zu eigen ist, erinnert die von einer oberflächlichen Ablenkung zur nächsten jagenden Menschen an den „Ernst des Lebens“, der sich auf Dauer weder wegdefinieren noch durch die Vogel-Strauß-Methode ignorieren läßt. Spätestens bei Einbruch der Dunkelheit muß die rosarote Brille abgenommen werden.

Dazu kommt noch eine vierte Eigenschaft, mit deren Beschreibung ich mich auf ein besonders heikles Gebiet begebe. Meiner Beobachtung nach leben viele der so gearteten Personen ohne metaphysische Wurzeln, die ihnen Halt und Richtung geben könnten. Die insonderheit mit dem Christentum verbundene Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode ist verblaßt, womit die Existenz im Hier und Jetzt zum Selbstzweck wird. Daher auch die z.T. exorbitante Angst vor allen Risiken, die dieses Leben bedrohen könnten – und seien sie auch noch so klein und unwahrscheinlich.

Aus Risikoaversion und Verantwortungsscheu folgt schließlich ein fünfter Aspekt: Angst vor der Freiheit. Freiheit eröffnet dem Menschen viele konkrete Handlungsoptionen; er kann prinzipiell „tun und lassen, was er will“. Gleichzeitig muß er jedoch auch die Verantwortung für seine Entscheidungen übernehmen. Dies muß Personen, die in allen möglichen Dingen nur Risiken wahrnehmen, den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Trotz aller Lippenbekenntnisse zu Freiheit und Menschenrechten ziehen sie der mit Ungewißheit behafteten Freiheit eine möglichst enge staatliche Kontrolle und Reglementierung vor.
Insofern ist schon die Art der Fragestellung entlarvend: „Warum braucht jemand Waffen?“ In einem liberalen Staat ist niemals die Freiheitsausübung, sondern immer die Freiheitsbeschränkung rechtfertigungspflichtig. Des weiteren werden die traditionellen Verwendungsformen von Waffen, ergänzt um die sportlich-unterhaltsamen, nicht als eigentlich selbstverständlich anerkannt. Darin wird nicht nur der Verlust an gesunder Tradition deutlich, sondern auch der totalitäre Ansatz, alles verbieten zu wollen, worin man selbst keinen rechten Sinn zu finden vermag. Das heute so oft bemühte Wieselwort „Toleranz“ hat hier offenkundig seine Grenzen gefunden.

Was denken die so skizzierten Waffengegner nun über Waffen aller Art? Zunächst kennen die wenigsten von ihnen Waffen aus eigener Anschauung. Vielmehr haben Fernsehen und Kino das Bild von Waffen geprägt. Schon aus dieser Unkenntnis folgt eine gewisse Aversion. Weiters wird mit Waffen im Unterbewußtsein oftmals Gefahr assoziiert. Zum einen, weil man selbst mit einer Waffe nicht umgehen kann und zweitens, weil sie nur als Tötungsinstrument aufgefaßt wird, welches gegen einen selbst gerichtet sein könnte. Damit sind wir bei der oben beschriebenen Angst. Und wenn dann noch ideologische Komponenten wie Pazifismus und andere Gesellschaftsutopien hinzukommen, ist der ausgemachte Waffengegner von keinem sachlichen Argument mehr zu erschüttern.

Die Waffe ist somit nicht nur zum Synonym für „das Böse“ geworden, sie ist fast schon der Quell desselben. Christa Sager von den Grünen hat dieser Haltung Ausdruck verliehen, als sie in einer Fernsehdiskussion meinte, bereits der bloße Besitz eines Samuraischwertes zeige an, daß der Besitzer nicht ganz klar im Kopf sei. Für diese Leute steht fest: Nicht der Mensch tötet andere Menschen, es ist die Waffe, die ihn dazu verführt. Der private Waffenbesitz erscheint somit als Hindernis für die Verwirklichung der idealen Gesellschaft. Mithin ist es auch völlig unerheblich, ob man es nun mit legal oder illegal besessenen Waffen zu tun hat: jede Waffe ist „böse“, ihr rechtlicher Status deshalb egal.

Diese Typen sind auf der ganzen Welt zu finden. Doch darf man hier in Deutschland nicht vergessen, daß zwei, von viel Gewalt geprägte Weltkriege dazu beigetragen haben, entsprechende Positionen zu kultivieren und tendenziell mehrheitsfähig zu machen. Es war kein Abgeordneter der Grünen, sondern Franz Josef Strauß, der zu Beginn der 1950er Jahre in einer Bundestagsdebatte ausrief, daß die Hand eines jeden Deutschen verdorren möge, der jemals wieder ein Gewehr anfasse.


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