Dienstag, 25. November 2008

Zwei sowjetische Frontfotografen ...

... des zweiten Weltkriegs wurden in den letzten Jahren dem deutschen Publikum mit Ausstellungen in Berlin vorgestellt. Die dazugehörenden Kataloge sind auch für den an der sowjetischen (Militär-)Geschichte Interessierten von Belang, sind sie doch eine gute Ergänzung zu jenen (nicht nur deutschen) Bildbänden, die nahezu ausschließlich auf Fotos der Propagandakompanien zurückgreifen, um das Bild der Ostfront zu zeichnen.

In diesem Jahr fand im Martin-Gropius-Bau die Retrospektive "Der bedeutende Augenblick" statt, in der Bilder des Fotografen Jewgeni Chaldej gezeigt wurden. Chaldej, der während des Krieges im Auftrag der Nachrichtenagentur TASS arbeitete, hat nicht nur das berühmte Bild von der Flaggenhissung auf dem Berliner Reichstag aufgenommen, sondern auch zahlreiche Bilder auf anderen Kriegsschauplätzen. So etwa vom Kampf in den Gegenden um Murmansk und Sewastopol, wo er - soweit es im Rahmen seines Propagandaauftrags möglich war - das Leben der einfachen Soldaten dokumentiert hat. Wer nach Bildern der sowjetischen Marineinfanterie während des 2. WK sucht, wird hier fündig. Für viele Deutsche dürften ferner die Fotos aus dem Berlin des Mai 1945 von Interesse sein.

Das Besondere am Begleitband zu einer Ausstellung ist die darin eröffnete Möglichkeit zur kritischen Diskussion, etwa um die Inszenierung der berühmten Flaggenhissung auf dem Reichstag oder die in der sowjetischen Propaganda übliche Praxis der Fotomontage. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Psyche des Sowjetmenschen während der Stalinzeit, wenn Chaldej darauf hinweist, daß ihm ein Pilot geschrieben habe, er erinnere sich noch an das Bombardement des Reichstags und auch an die Position seines Flugzeugs. Dumm nur, daß die Flugzeuge in dieses Bild des brennenden Reichstags hineinmontiert worden waren (vgl. S. 82 ff.). ;-)





Auch Michail Trachman war als Fotograf in offiziellem Auftrag tätig, wobei er im deutschsprachigen Raum weniger durch seine Kriegsbilder als vielmehr durch seine spätere Mitarbeit am Filmepos "Befreiung" bekannt geworden ist. Im Jahr 2002 hat das Deutsch-russische Museum Berlin-Karlshorst einen Teil seiner Fotografien aus den Jahren 1941 bis 1945 ausgestellt. Die Überschrift "Diesseits - jenseits der Front" war bezeichnend, hatte Trachman doch längere Zeit bei den hinter den deutschen Linien operierenden Partisanenverbänden im Westen der UdSSR verbracht. Dementsprechend lag der Schwerpunkt von Ausstellung und Begleitband auf Bildern aus dem deutschen Hinterland. Und so kann man dort z.B. Partisaneneinheiten sehen, die fast komplett mit deutschen Waffen ausgestattet sind. Trachman zeigt nicht nur die heroischen Augenblicke, sondern auch den Alltag dieser Kämpfer. Neu war für mich, welche Größe diese Verbände bereits 1942/43 angenommen hatten. Hinzu kommen noch Bilder von der Verteidigung Leningrads in den ersten Monaten des Krieges.

Der sowjetische Partisanenkrieg ist nach wie vor Gegenstand nicht nur geschichtswissenschaftlicher Kontroversen. Deshalb ist es erfreulich, daß dieses Thema auch in einem Aufsatz des (übrigens zweisprachigen) Begleitbandes aufgegriffen worden ist. Man kann heute mit Sicherheit davon ausgehen, daß die zu Sowjetzeiten gemachten Angaben über Stärke und Wirksamkeit der Partisanen erheblich übertrieben waren. Auf der anderen Seite ist es gleichfalls eine Verzeichnung der Geschichte, wenn neuerdings behauptet wird, es habe überhaupt keine nennenswerten Partisanenaktivitäten gegeben, weshalb der Wehrmachtsbegriff "Bandenkampf" nur ein Euphemismus für die Judenvernichtung gewesen sei.




Fazit: Beide Bücher bieten nicht nur eine gute Auswahl an Bildern der jeweiligen Fotogafen, sie ermöglichen mit ihren ergänzenden Texten zudem einen kritischen Blick auf die Bilder.

PS: Auf dieser Webseite sind neben Bildern Chaldejs und Trachmans auch die anderer sowjetischer Fotografen aus der Kriegszeit zu sehen.

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