Sonntag, 16. November 2008

Vor 90 Jahren


In der vergangenen Woche haben sich einige denkwürdige Ereignisse zum neunzigsten Mal gejährt: die Novemberrevolution, die Abdankung des deutschen Kaisers und preußischen Königs Wilhelm II., die (zweifache) Ausrufung der Republik am 9. November und schließlich die Unterzeichnung des Waffenstillstands am 11. November 1918, wodurch die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs beendet wurden.

Hier soll jetzt nicht der genaue Ablauf der Ereignisse rekapituliert werden, diese Aufgabe wird von der einschlägigen seriösen Literatur viel besser erfüllt. Vielmehr geht es um die Frage, warum damals Deutschland, trotz des allgemeinen Chaos, nicht untergegangen ist. Es gelang schließlich dem Bündnis aus (der in der besten etatistischen Tradition Preußens stehenden) SPD, Heeresleitung (insbesondere Groener) und dem Berufsbeamtentum, schlimmeres zu verhindern. Die revolutionären Umtriebe, Aufstände und Räteexperimente, welche Deutschland erschütterten, konnten eingedämmt werden.


Wer waren die Männer, die dafür ihre Haut zu Markte getragen haben? Es waren die Soldaten der Freikorps, um deren Aufstellung die neue Reichsregierung gebeten hatte: gebildet aus demobilisierten Frontsoldaten, von einzelnen tatkräftigen Offizieren angeworben(manchmal unter dem fadenscheinigen Versprechen der Siedlung im Baltikum), allgemein verachtet und von problematischer Disziplin. Die Freikorps waren, dies muß man bei nüchterner Betrachtung festhalten, das einzige, was verhindert hat, daß Deutschland bereits 1918 dem Vorbild der Oktoberrevolution folgte. Die Regierung Ebert hatte ihnen, der einzig zuverlässigen Ordnungsmacht, ihr politisches Überleben zu verdanken. Andererseits waren die Freikorpssoldaten natürlich keine Heiligen (und sie selbst wußten darum). Selbst wenn diese dunkle Seite heutzutage immer wieder hervorgekehrt wird, so wollen wir doch heute auch an die Verdienste jener Männer erinnern.


Wie in diesem Blog schon üblich, sollen auch ein paar Literaturtips gegeben werden. Das wohl beste und sachlichste Übersichtswerk zu diesem Thema stammt von Hannsjoachim Koch: Der deutsche Bürgerkrieg. Es ist weit entfernt von Klaus Theweleits vulgärpsychologischen "Männerphantasien" und jedem Interessierten zu empfehlen (leider vergriffen). Wer eher nach literarischen Zeugnissen dieser bewegten Jahre sucht, wird z.B. in den Büchern Ernst von Salomons und Edwin Erich Dwingers fündig werden, die vor allem die Binnenperspektive der Freikorpsangehörigen beschreiben.




Die vergangene Woche hatte für den aufmerksamen Beobachter eine weitere Denkwürdigkeit zu bieten: Bundeskanzlerin Merkel hat am 11. November nicht, wie H. Kohl vor ihr, auf den Schlachtfeldern von Verdun geweilt, sondern in Warschau der polnischen Regierung anläßlich des polnischen Unabhängigkeitstages ihre Reverenz erwiesen. Dies ist nicht nur bemerkenswert, sondern sogar bedenklich, wenn man die Geschichte des polnischen Staates während der Zwischenkriegszeit kennt.

Dieser hat sich nicht nur gewaltsam deutsches Staatsgebiet einzuverleiben versucht (wogegen gerade die Freikorps gekämpft haben), sondern man hat in Warschau auch (fast wie heute) in Großmachtsphantasien geschwelgt, worin man sich als Zentrum eines osteuropäischen Imperiums, das von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichen sollte, sah. Die Realisierung dieser Träume ist (zum Glück) an der aggressiven polnischen Außenpolitik gescheitert: Warschau lag nicht nur mit Deutschland und der Sowjetunion, sondern auch mit Litauen und der Tschechoslowakei im Clinch. Daran konnte auch das demonstrative Bündnis mit Frankreich nichts ändern. (Viele Polen sehen dies freilich anders und gefallen sich in der Rolle des "ewigen Opfers der Geschichte".)
(Wenn man das Geschilderte mit der polnischen Politik während der letzten zehn Jahre vergleicht, wird man feststellen, daß sich bisweilen die Geschichte scheinbar doch wiederholt. ;-))

Aus den genannten Gründen muß man das Auftreten Merkels in Warschau als falsches Signal, ja fast schon als Unterwerfungsgeste werten (schließlich war sie der einzige westeuropäische Staatsgast), mit der sie hoffentlich keinen weiteren Schaden angerichtet hat.

PS: Man sehe mir diesen Ausflug in die aktuelle Politik bitte nach.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich glaube do solltest dich besser informieren, bevor du etwas schreibst. Denn von Geschichte scheinst du wenig Ahnung zu haben.

E.K. hat gesagt…

Sicher mehr Ahnung als Du, der Du nicht einmal dazu fähig bist, konkrete Einwände zu formulieren.

Utz hat gesagt…

Bravo, endlich ein objektiver Bericht zur Geschichte der Freikorps und nicht nur das ideologisch gefärbte Schulbuch-Geschichtsbild.

Anonym hat gesagt…

Endlich mal wieder jemand, der alle Seiten eines Themas anspricht. Ich habe das auch versucht, mit einem Sammelband zu verschiedenen Aspekten von KZ-Außenlagern. Danach mußte die gesamte Familie drei Jahre lang unter Polizeischutz leben, weil die Feststellungen des Twissenschaftlichen Teams (alles profilierte und renommierte Historiker) der einen Seite zu weit gegangen waren (wir nannten Täternamen), für die andere Seite aber mit den Tätern angeblich nicht scharf genug waren. Und beide Seiten heuerten ihre eigenen Eingreiftruppen an (v.a. arbeitslose ex-KGB-Agenten). Zwei Teammitglieder wurden ermordet, einer schwer verletzt. Waffenscheine für die anderen Mitglieder, zur Selbstverteidigung? "Kein begründeter Anlaß" sagte die Behörde, schließlich hätte man ja nicht über das Thema schreiben müssen...

Seitdem lebe ich im Ausland und habe meine Kontakte nach Deutschland fast vollständig beendet.

Hier (im Ausland) gibt es Reenactment-Gruppen, die sogar KZ-Szenen nachstellen. Und jedes Wochenende darf jemand anderer die SS-Wachmannschaft spielen...

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