Donnerstag, 16. Juli 2009

Hövelmanns Datenschutz-Eskapaden


Viele meiner Leser aus dem "Rest der Welt" werden es nicht mitbekommen haben, aber hier in Sachsen-Anhalt kocht gerade ein schon seit Monaten schwelender Datenschutz-Skandal hoch. Der hiesige Landesverfassungsschutz hat seit Jahren Daten von Kindern unter 14 Jahren nicht nur - wie vorgeschrieben - in Papierform erfaßt, sondern zusätzlich auch elektronisch gespeichert. Letzteres war ein Verstoß gegen § 10 VerfSG ST und somit ganz klar rechtswidrig (ausführlich siehe hier und hier). Verantwortlich für diese illegale Maßnahme war allerdings nicht etwa ein übereifriger subalterner Beamter, sondern Innenminister Holger Hövelmann.

Selbst die Mitteldeutsche Zeitung bedenkt den Skandal mit ungewohnt deutlichen Worten:
"[...]

Ein halbes Jahr schon untersucht des Innenministerium, wie es dazu kommen konnte, dass der Verfassungsschutz zwei Jahre lang illegal Daten Minderjähriger elektronisch speicherte. Antworten gibt es bislang keine, statt dessen die neue Erkenntnis, dass der Verfassungsschutz Akten über Kinder anlegte, weil diese ein Hakenkreuz geschmiert haben. Nein, es geht nicht um die Bagatellisierung eines Symbols der Nazidiktatur. Sondern um die Kriminalisierung von Kindern, die sich der Tragweite ihres Handelns vielfach nicht bewusst sein dürften. Genau aus diesem Grund beginnt die Strafmündigkeit in Deutschland erst ab dem 14. Lebensjahr. Über diesen und andere selbstverständliche rechtliche Grundsätze aber hat sich der Verfassungsschutz schlicht hinweg gesetzt. In dem Laden läuft etwas aus dem Ruder - doch von Hövelmanns Engagement, dagegen etwas zu tun, ist nichts zu sehen.

[...]"
Nun mehrt sich zwar die Kritik am Minister, die Opposition im Landtag hat scharfe Kritik geübt, mit einem Rücktritt Hövelmanns ist jedoch nicht zu rechnen.

In der vergangenen Woche habe ich unter dem Titel "Der Kampf um den Rechtsstaat" einen Artikel publiziert, in dem ich Hövelmann Rechtsnihilismus vorgeworfen habe. (Dieser Text ist mittlerweile auch in Magdeburg zur Kenntnis genommen worden.) Die dieser Tage wieder aktuell gewordene Datenschutzaffäre des Landesnachrichtendienstes bestätigt meine These erneut: Wenn es um das Erreichen seiner politischen Ziele, insbesondere um die Bekämpfung seiner politischen Gegner, geht, schreckt Hövelmann vor nichts zurück. Ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz oder zumindest politische Sitten- und Klugheitsregeln werden die Machtmittel seines Innenministeriums aufgeboten und eingesetzt.
Es geht ja schließlich um eine "gute Sache", da muß man es mit den Paragraphen nicht so genau nehmen. :-( Das ist eine Logik, die man sonst nur von ideologischen Fanatikern kennt, die einem demokratischen Rechtsstaat jedoch schlecht zu Gesicht steht.

Manche Leser werden sich jetzt fragen, weshalb ich mich in einem waffenbezogenen Weblog über dieses Thema verbreite. Es geht mir um den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit: Unter dem Vorwand der Bekämpfung des Rechtsextremismus werden - keine 20 Jahre nach der Wiedervereinigung! - die mühsam erkämpften Grundrechte der Bürger ausgehöhlt. Und zwar nicht nur von irgendwelchen Bürokraten und Sicherheitsfanatikern, sondern insbesondere von einem Innenminister, der in seiner Jugend SED-Mitglied und angehender Politruk der NVA - und somit eine besondere Stütze des totalitären Systems in der DDR - war. Die Denkmuster und Handlungsweisen, die sich Hövelmann damals angeeignet hat, hat er bis heute behalten. Mit anderen Worten: Er ist geblieben, was er war - trotz Wechsel des Parteibuchs und steiler Karriere seit dem Jahre 2001. Deshalb ist ihm der bundesdeutsche Verfassungskonsens innerlich fremd geblieben.

Daß es sich hierbei nicht nur um "Ausrutscher" bei dem heiklen Thema Rechtsextremismus, sondern um einen Wesenszug Hövelmanns handelt, erkennt man, wenn man seine Äußerungen zur Gebietsreform in Sachsen-Anhalt liest. Mit einer fast schon stalinistisch zu nennenden Härte werden alle Einwände von Bürgermeistern, Gemeinderäten, Landräten und Kreistagen beiseitegewischt, um die Vorstellungen des allweisen Innenministeriums durchzusetzen. (Fast wie in der DDR: Es lebe die zentrale Planung und Leitung. :-( ) Selbst auf den Koalitionspartner CDU nimmt Hövelmann insoweit kaum Rücksicht. Eine offene und zielführende Diskussion, die aus dem Austausch von Argumenten besteht, ist diesem Mann fremd. Er kennt allein die Macht.

Ja, mag sein, doch was hat das nun mit den Legalwaffenbesitzern zu tun? Ganz einfach: Die könnten demnächst auf der Abschußliste der "Obrigkeit" stehen. Das öffentliche Klima ist nach der Hetzkampagne der letzten Monate vergiftet genug und so mancher Staatsdiener dürfte jetzt die Chance wittern, durch (auch rechtswidrige) Aktionen gegen Waffenbesitzer das Wohlwollen seiner Vorgesetzten und der Medien auf sich zu ziehen.
Hövelmann selbst hat bereits angedeutet, daß aus seiner Sicht ein zu großes "Näheverhältnis" zwischen Mitarbeitern der Waffenbehörden und den Antragstellern bestehe. Er ist folglich bereit, Mängel in der Behördenarbeit (inkl. solchen bei der Rechtmäßigkeit) billigend in Kauf zu nehmen, um dieses "Verhältnis" zu beenden. Das bedeutet außerdem, daß der Minister überhaupt nicht an einem konstruktiven und kooperativen Verhältnis der Behörden zu den Bürgern interessiert ist. (Wohl dem, der über eine gute Rechtsschutzversicherung verfügt!)

Wenn ich bedenke, wie willkürlich z.T. die Regelungen des § 42a WaffG bezüglich des Führens bzw. Transportierens von Messern angewandt werden, dann schwant mir auch mit Blick auf andere Gebiete des Waffenrechts nichts Gutes. Gerade wenn der Gesetzgeber den Behörden weite Entscheidungs- bzw. Ermessensspielräume einräumt, braucht es Beamte, deren rechtsstaatliches Ethos unerschütterlich ist und die sich darin von der Politik nicht beirren lassen. Bedauerlicherweise fehlt es daran in Sachsen-Anhalt. Und die Verantwortung für diese Fehlentwicklung trägt zu einem Gutteil Innenminister Hövelmann.


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Foto: www.mz-web.de.

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